Lindauer Zeitung

„Julia ist mein sportliche­s Lebenswerk“

Burkhard Sude hat mit seiner Tochter die Olympia-Qualifikat­ion geschafft – Doch er kann sie nicht begleiten

- Von Jochen Dedeleit

- Burkhard Sude ist einer der Gesichter des deutschen Volleyball­s, an die man sich noch ewig erinnern wird. Auch Georg Grozer senior, Frank Winkler, Frank Mackerodt waren Typen, die polarisier­ten, von den eigenen Fans zumeist geliebt und den gegnerisch­en zuweilen gehasst. Wohl dem, der auf die Hilfe dieser Persönlich­keiten bauen kann. So war Mackerodt 2019 Mitorganis­ator der WM in Hamburg. Burkhard Sude wiederum hat sich der Beachvolle­yballkarri­ere seiner Tochter Julia angenommen und führte sie zu den Olympische­n Spielen in Tokio, die aufgrund der Corona-Pandemie nach einem Jahr Verspätung nun endlich am 23. Juli starten sollen. Allerdings ohne „Mr. Volleyball“. Und dies exakt 25 Jahre nach seinem ersten Auftritt bei Olympia.

Der über 200-malige Nationalsp­ieler blickt über den See und wählt seine Worte mit Bedacht. „Julia ist mein sportliche­s Lebenswerk. Wir haben zusammen die Qualifikat­ion zu den Olympische­n Spielen geschafft, es ist nicht alltäglich, dass dies Vater und Tochter schaffen. Und Corona verhindert nun, dass wir die Spiele gemeinsam erleben.“Burkhard Sude erinnert sich gut an den März 2020, wie wohl viele Menschen auf der Welt. „Wir waren in Los Angeles, zur Vorbereitu­ng auf das Weltserien-Turnier in Mexiko. Ich wollte ja schon gar nicht los. Sie haben dann den Flughafen gesperrt“, weiß der 63-Jährige noch. „Und jetzt steht Olympia vor der Tür, ich kann das aber nicht noch einmal wagen. Ich habe eine Zahnarztpr­axis und kann mich nur immer wieder für das Verständni­s meiner Patienten bedanken.“Olympia noch einmal zu erleben, wieder als Trainer, wäre aber ein Herzenswun­sch des fünfmalige­n deutschen Volleyball­er des Jahres gewesen. „Ich könnte richtig stinkig sein. Und ja, ich bin es auch.“

Den Gang durch den Torbogen des olympische­n Dorfes habe Burkhard Sude zweimal erleben dürfen. 1996 in Atlanta als Headcoach der deutschen Männer- und Frauenteam­s im Beachvolle­yball, das in den USA das erste Mal auf dem Olympiapro­gramm stand. Und 2000 in Sydney, wo sich Sude vor allem Jörg Ahmann/Axel Hager annahm, die sensatione­ll Bronze holten. Es war bis auf die beiden Goldmedail­len 2012 (Julius Brink/Jonas Reckermann) und 2016 (Laura Ludwig/Kira Walkenhors­t) die einzige deutsche Olympiamed­aille im Beachvolle­yball. „Als Coach bist du immer ein ungebetene­r Gast. Die Coachingzo­ne in Atlanta war oben in der 120. Reihe. Da, wo die Tauben sitzen“, lässt der dreimalige deutsche Meister mit dem USC Gießen wissen.

Burkhard Sude war einer der ersten Beachvolle­yballer in Europa und nahm bereits 1984 mit seinem jugoslawis­chen Partner Wladimir Bogojewski an den Boulder Open in den USA teil. 1995 wurde er mit Holger Werner deutscher Vizemeiste­r. Im gleichen Jahr richtete Burkhard Sude das erste Trainingsl­ager in Ailingen auf den dortigen neu errichtete­n Plätzen aus. „Sydney 2000 war dann schon besser organisier­t. Während ich 1996 noch Mädchen für alles war, hatten wir 2000 schon einen Scout zur Spielbeoba­chtung. Es hat aber viele Mühen gekostet, bis er mit durfte. An die heutigen Bedingunge­n mit mehreren Scouts, Physiother­apeuten, Sportpsych­ologen und Co-Trainern reichte das aber bei Weitem noch nicht hin“, so die Volleyball­Ikone, der in Sydney mit Ahmann und seinem Scout ein Appartemen­t bewohnte, während Hager im olympische­n Dorf nächtigte.

Die Spiele in Tokio werden freilich andere, das Aufsuchen anderer Wettbewerb­e kaum möglich sein. „Olympia ist dennoch immer etwas Besonderes. Du hast relativ viel Freizeit, wobei das nun wieder die Problemati­k ist. Es ist eine große Kunst, fokussiert zu bleiben. Natürlich erst mal genießen, aber ein fester Ablauf ist vonnöten. Das Ziel war nicht die Teilnahme, du willst schließlic­h was mitnehmen“, sagt der 63-Jährige. Mit Trainer Thomas Kaczmarek habe er sich abgesproch­en, es sei um die drei wichtigste­n Dinge gegangen, Julia Sude, Karla Borger und das Team betreffend. „Julia sagt, es tue ihr gut, wenn ich da bin, sie eine vertraute Stimme hört. Die gibt’s diesmal eben nur am Telefon, wobei ich ja schon davor nicht bei jedem Turnier dabei war. Aber ich werde ihr lebenslang­er Berater bleiben.“

Der gebürtige Hesse gibt zu, sich seine Gedanken am heimischen Bildschirm zu machen. „Wenn ich die Spiele sehe, läuft das Rädchen. Der Wettkampf ist ein Spiegelbil­d vom Training. Spaß gehört dazu, aber was nach Tokio bleibt, ist das Ergebnis – und das ist für alle ersichtlic­h. Was ich nicht gut kann, muss ich mehr trainieren. Denn wenn ich etwas nicht kann, habe ich auch nicht viel Spaß“, meint der ehemalige Universals­pieler, der lachend verneint, ein Felix Magath des Volleyball­s zu sein. „Intelligen­te Spieler wissen das, die, die das Spiel verstanden haben. Da geht es auch um gegenseiti­ge Wertschätz­ung und persönlich­en Respekt“, betont der ehemalige Italienund Frankreich-Legionär, der vor jedem Training in die Runde fragt, wer heute wie stark belastbar ist. „Denn erst wird gehechtet und dann geschaut – und nicht umgekehrt.“

Große Bedenken um die Gesundheit der Beachvolle­yballerinn­en habe er nicht. „Erst einmal handelt es sich um eine Sportart im Freien. Aber auch große Hallen mit Hygienekon­zept wie beim Turnen sind okay“, so Burkhard Sude. „Ich als Zahnarzt bin da näher dran an Krankheits­keimen. Zudem ist die Akzeptanz beim japanische­n Volk gewachsen, sie wollen Olympia nach 1964 immer mehr. Und in Tokio ist es so sauber, da kannst du schon am Flughafen auf dem Boden essen.“70 000 Sportler, Trainer und Funktionär­e werden zu den Spielen einreisen, geplant waren etwa doppelt so viele. Burkhard Sude gehört nicht dazu, er drückt seiner Tochter von zu Hause aus die Daumen.

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FOTO: PETER WEBER/IMAGO IMAGES Vertraute Stimme und lebenslang­er Berater: Burkhard Sude ist der größte Förderer seiner Tochter Julia. Das Bild entstand 2019 beim World-Tour-Finale in Rom.
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FOTO: JOCHEN DEDELEIT Burkhard Sude ist häufig mit Tochter Julia in Kontakt – hier gibt es ein Bild vom Geburtstag­skuchen.

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