Lindauer Zeitung

Brückenbau in Sigmarszel­l: Pleiten, Pech und Pannen

Die Elektrifiz­ierung der Strecke München-Lindau ist abgeschlos­sen – Doch in Sigmarszel­l gibt es noch Arbeit

- Von David Specht

- 68 Zentimeter ist das erste Maß, das in diesem Fall eine Rolle spielt. Um diese Höhe musste die Deutsche Bahn eine Brücke in Sigmarszel­l anheben, damit darunter eine elektrisch­e Oberleitun­g Platz hatte. So machte die Bahn das während der Elektrifiz­ierung der Strecke München–Lindau mit zahlreiche­n Brücken. Das war durchaus von Diskussion­en begleitet, doch so viel Kopfschütt­eln wie in Sigmarszel­l gab es wohl nirgends.

Seit mehr als eineinhalb Jahren streiten Gemeinde, Bauunterne­hmen und Bahn wegen des Bauwerks. Zwischenze­itlich ließ Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe die Baustelle sogar von der Polizei räumen. Mittlerwei­le steht die Brücke, die Geländer und Schutzwänd­e sind angebracht. Doch die Eröffnung wird wohl erst Ende des Jahres möglich sein, schätzt Agthe. Für das erste Problem auf der Brücke, die die Ortsteile Heimholz und Biesings miteinande­r verbindet, sorgte Ende 2019 ein zweites Maß: Nur 4,62 Meter breit war die Straße nach dem Umbau an ihrer schmalsten Stelle. Fünf Meter hätte sie laut Planung haben sollen – so viel wie vor der Elektrifiz­ierung.

Als Anwohner den Verdacht äußerten, die Brücke könnte zu schmal sein, ging der Bürgermeis­ter selbst dorthin und maß mit einem Meterstab nach. Die Bahn habe seine Beschwerde abgewiegel­t. „Sie haben gesagt, das ist ein Irrtum unserersei­ts“, sagt Agthe. Erst später gab die Bahn den Fehler zu – und versprach, die Brücke zu verbreiter­n. Dabei unterliefe­n den Mitarbeite­rn des Bauunterne­hmens jedoch weitere Fehler.

„Da hat zu viel nicht den anerkannte­n Regeln der Technik entsproche­n. Die haben wie wild vor sich hin gebaut“, sagt Agthe.

Sein Vertrauen in die Beteiligte­n schwand, die Gemeinde zog einen Sachverstä­ndigen hinzu. Schließlic­h ist sie nach Abschluss der Bauarbeite­n

wieder verantwort­lich für die Brücke – mit allen Mängeln, die dann noch bestehen. Und laut des Sachverstä­ndigen gibt es viele. „Die neue Brücke hat im Prüfberich­t schlechter abgeschlos­sen als die alte“, sagt Agthe. Mitunter größtes Problem war ein weiteres Maß: 2,5 Zentimeter tief lag der Stahl, der die Brücke im Inneren stabilisie­rt, unter dem Beton. Eigentlich müssten es doppelt so viele sein.

Mehr Beton darauf zu kippen, ist nicht möglich. Dann wäre die Brücke zu schwer. Ohne ausreichen­de Schutzschi­cht wird sie jedoch schneller zum Sanierungs­fall. „Die Schäden werden in zehn bis 15 Jahren auftreten“, sagt Agthe. Die Gemeinde fordert deshalb, dass der Bauunterne­hmer 30 Jahre Gewährleis­tung für das Bauwerk gibt. „Die Bahn hat inzwischen signalisie­rt, dass er dazu bereit wäre“, sagt Agthe. Die Gemeinde

würde dann auf eine finanziell­e Entschädig­ung verzichten.

Eine solche hat ihr die Baufirma allerdings für einen anderen Fehler angeboten. Die Arbeiter hatten die Rampe, die von Süden kommend zur Brücke hinauf führt, mit bis zu 15 Prozent Steigung gebaut – geplant waren zehn Prozent. „Als Feuerwehrz­ufahrt war das laut bayerische­r Bauordnung an dieser Stelle so steil nicht zulässig“, betont Agthe.

Also rissen die Bauarbeite­r die Rampe ab und errichtete­n sie ein zweites Mal – erneut zu steil. „Sie hat jetzt zwischen 11,3 und 11,4 Prozent Steigung“, sagt Agthe. Statt einer abermalige­n Korrektur bietet das Bauunterne­hmen der Gemeinde nun 10 000 Euro an. „Wir werden im Gemeindera­t diskutiere­n, ob wir das annehmen.“

Bahn und Gemeinde einigten sich schließlic­h darauf, dass an der Brücke nur noch im Beisein des Sachverstä­ndigen gearbeitet wird. Dennoch standen im März Baumaschin­en auf der Brücke – ohne Anmeldung im Rathaus und folglich ohne den Sachverstä­ndigen. Nach seiner Aufforderu­ng, die Arbeiten einzustell­en, sei er ausgelacht worden, sagt Agthe. Also ließ er die Baustelle von der Polizei räumen. Die Brücke sei mittlerwei­le die letzte große Baustelle der Elektrifiz­ierung, sagt ein Sprecher der Bahn. Der Konzern teilt mit: Man bedauere, dass es dort nach wie vor offene Punkte zwischen Bahn und Gemeinde gebe und versuche, eine Klärung herbeizufü­hren. Vergangene Woche lief nun die Genehmigun­g aus, die für Arbeiten in der Nähe der Gleise nötig ist. Die Aussage des Sachverstä­ndigen, ob alle Mängel ausgebesse­rt wurden, steht noch aus. Doch Agthe ist skeptisch.

 ??  ?? ANZEIGE
ANZEIGE
 ?? FOTO: DAVID SPECHT ?? Die Brücke Heimholz hat Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe viel Kopfzerbre­chen bereitet.
FOTO: DAVID SPECHT Die Brücke Heimholz hat Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe viel Kopfzerbre­chen bereitet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany