Brückenbau in Sigmarszell: Pleiten, Pech und Pannen
Die Elektrifizierung der Strecke München-Lindau ist abgeschlossen – Doch in Sigmarszell gibt es noch Arbeit
- 68 Zentimeter ist das erste Maß, das in diesem Fall eine Rolle spielt. Um diese Höhe musste die Deutsche Bahn eine Brücke in Sigmarszell anheben, damit darunter eine elektrische Oberleitung Platz hatte. So machte die Bahn das während der Elektrifizierung der Strecke München–Lindau mit zahlreichen Brücken. Das war durchaus von Diskussionen begleitet, doch so viel Kopfschütteln wie in Sigmarszell gab es wohl nirgends.
Seit mehr als eineinhalb Jahren streiten Gemeinde, Bauunternehmen und Bahn wegen des Bauwerks. Zwischenzeitlich ließ Sigmarszells Bürgermeister Jörg Agthe die Baustelle sogar von der Polizei räumen. Mittlerweile steht die Brücke, die Geländer und Schutzwände sind angebracht. Doch die Eröffnung wird wohl erst Ende des Jahres möglich sein, schätzt Agthe. Für das erste Problem auf der Brücke, die die Ortsteile Heimholz und Biesings miteinander verbindet, sorgte Ende 2019 ein zweites Maß: Nur 4,62 Meter breit war die Straße nach dem Umbau an ihrer schmalsten Stelle. Fünf Meter hätte sie laut Planung haben sollen – so viel wie vor der Elektrifizierung.
Als Anwohner den Verdacht äußerten, die Brücke könnte zu schmal sein, ging der Bürgermeister selbst dorthin und maß mit einem Meterstab nach. Die Bahn habe seine Beschwerde abgewiegelt. „Sie haben gesagt, das ist ein Irrtum unsererseits“, sagt Agthe. Erst später gab die Bahn den Fehler zu – und versprach, die Brücke zu verbreitern. Dabei unterliefen den Mitarbeitern des Bauunternehmens jedoch weitere Fehler.
„Da hat zu viel nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprochen. Die haben wie wild vor sich hin gebaut“, sagt Agthe.
Sein Vertrauen in die Beteiligten schwand, die Gemeinde zog einen Sachverständigen hinzu. Schließlich ist sie nach Abschluss der Bauarbeiten
wieder verantwortlich für die Brücke – mit allen Mängeln, die dann noch bestehen. Und laut des Sachverständigen gibt es viele. „Die neue Brücke hat im Prüfbericht schlechter abgeschlossen als die alte“, sagt Agthe. Mitunter größtes Problem war ein weiteres Maß: 2,5 Zentimeter tief lag der Stahl, der die Brücke im Inneren stabilisiert, unter dem Beton. Eigentlich müssten es doppelt so viele sein.
Mehr Beton darauf zu kippen, ist nicht möglich. Dann wäre die Brücke zu schwer. Ohne ausreichende Schutzschicht wird sie jedoch schneller zum Sanierungsfall. „Die Schäden werden in zehn bis 15 Jahren auftreten“, sagt Agthe. Die Gemeinde fordert deshalb, dass der Bauunternehmer 30 Jahre Gewährleistung für das Bauwerk gibt. „Die Bahn hat inzwischen signalisiert, dass er dazu bereit wäre“, sagt Agthe. Die Gemeinde
würde dann auf eine finanzielle Entschädigung verzichten.
Eine solche hat ihr die Baufirma allerdings für einen anderen Fehler angeboten. Die Arbeiter hatten die Rampe, die von Süden kommend zur Brücke hinauf führt, mit bis zu 15 Prozent Steigung gebaut – geplant waren zehn Prozent. „Als Feuerwehrzufahrt war das laut bayerischer Bauordnung an dieser Stelle so steil nicht zulässig“, betont Agthe.
Also rissen die Bauarbeiter die Rampe ab und errichteten sie ein zweites Mal – erneut zu steil. „Sie hat jetzt zwischen 11,3 und 11,4 Prozent Steigung“, sagt Agthe. Statt einer abermaligen Korrektur bietet das Bauunternehmen der Gemeinde nun 10 000 Euro an. „Wir werden im Gemeinderat diskutieren, ob wir das annehmen.“
Bahn und Gemeinde einigten sich schließlich darauf, dass an der Brücke nur noch im Beisein des Sachverständigen gearbeitet wird. Dennoch standen im März Baumaschinen auf der Brücke – ohne Anmeldung im Rathaus und folglich ohne den Sachverständigen. Nach seiner Aufforderung, die Arbeiten einzustellen, sei er ausgelacht worden, sagt Agthe. Also ließ er die Baustelle von der Polizei räumen. Die Brücke sei mittlerweile die letzte große Baustelle der Elektrifizierung, sagt ein Sprecher der Bahn. Der Konzern teilt mit: Man bedauere, dass es dort nach wie vor offene Punkte zwischen Bahn und Gemeinde gebe und versuche, eine Klärung herbeizuführen. Vergangene Woche lief nun die Genehmigung aus, die für Arbeiten in der Nähe der Gleise nötig ist. Die Aussage des Sachverständigen, ob alle Mängel ausgebessert wurden, steht noch aus. Doch Agthe ist skeptisch.