Druck ausüben, wo es wehtut
Für der Autokratie zuneigende Regierungschefs wie Ungarns Victor Orbán gibt es nur einen einzigen Grund, sich dem „Diktat“der Brüsseler Bürokratie zu unterwerfen: die Fördermilliarden, mit denen man sich beim Wahlvolk in gutes Licht rücken kann. Schrittweise hat sich der von ExKommissionschef Jean-Claude Juncker „Diktator“getaufte Politiker von den gemeinschaftlichen Grundsätzen der EU entfernt. Immer mehr Regierungschefs und EU-Abgeordnete stellen sehr laut die Frage, ob Ungarn nicht außerhalb der EU besser aufgehoben wäre.
Ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag wäre der saubere und angemessene Weg, um diese Frage zu klären. Es würde aber am Veto der ebenfalls zunehmend von der EU wegdriftenden Länder Polen und Slowenien scheitern, die fürchten, dass ihre Länder als nächstes in den Blick geraten könnten. Deshalb bleibt Brüssel nur die Möglichkeit, dort Druck auszuüben, wo die EU klare Kompetenzen hat und wo es am meisten wehtut: beim Geld.
Der Gegendruck wird erheblich sein. Ungarn wird die osteuropäische Karte eines kleinen Mitglieds zweiter Klasse spielen, das von Brüssel gegängelt und in seinen Rechten beschnitten wird. Man muss hoffen, dass die EU-Kommission die Nerven behält und die Covid-Gelder nicht im Tausch gegen symbolische Konzessionen freigibt. Dabei hilft es, dass Orbán die konservative Parteienfamilie verlassen hat und nicht länger auf die Solidarität der CDU zählen kann.