Mehr Inflation ohne Zinsen
Die Europäische Zentralbank wird etwas höhere Preissteigerungen zulassen, bevor sie ihre lockere Geldpolitik einschränkt
- Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB), die die Währung Euro herausgibt, eine gewisse Änderung ihrer Geldpolitik veröffentlicht. Die Währungshüter verschaffen sich damit beim Thema Inflation mehr Spielraum.
Was hat die EZB beschlossen?
Der EZB-Rat, das Führungsgremium der Zentralbank, hat das Inflationsziel leicht verändert. Während es bisher „unter, aber nahe zwei Prozent“lag, beträgt es künftig genau zwei Prozent. In der Praxis dürfte das bedeuten, dass die Notenbank unter bestimmten Bedingungen vorübergehend auch Inflationsraten toleriert, die über zwei Prozent liegen. Damit vollzieht die EZB eine Neuorientierung nach, die die US-Notenbank Fed und die Zentralbanken von Japan, Neuseeland, Australien bereits vorgenommen haben.
Welche Auswirkungen hat das?
Die Zentralbank kann damit ihre bisherige, expansive Politik weiterbetreiben, durch die sie die Wirtschaft mit zusätzlichem Geld versorgt. „Die EZB gewinnt eine größere Flexibilität bei der Ausgestaltung ihrer Geldpolitik“, sagte Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. „Es fällt ihr leichter zu begründen, warum sie ihre Anleihekäufe fortsetzt und die Zinsen niedrig hält, auch wenn die Inflation eine Zeit lang deutlich über zwei Prozent liegt.“Ohne die Änderung geriete die EZB sonst bald möglicherweise unter Druck, die Zinsen anzuheben und die Geldversorgung zu verringern. Das allerdings könnte die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise hemmen und auch Arbeitsplätze gefährden.
Die Folgen für Sparer?
In den kommenden Jahren mag die Schere zwischen Inflation und Zinsen größer werden. Die Preissteigerung zieht an, während die Zinsen unten bleiben. Sparerinnen und Sparer bezahlen höhere Preise für ihren Konsum, erhalten aber nach wie vor keinen Ausgleich in Gestalt von Guthabenzinsen auf dem Spar- oder Festgeldkonto. Die Renditen von Lebensversicherungen und ähnlichen Geldanlagen für die Altersvorsorge bleiben vorläufig ebenfalls niedrig. Der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber kritisierte deshalb: „Eigentlich wäre es angemessen gewesen, das Inflationsziel abzusenken.“Das hätte einen Schritt in Richtung höherer Zinsen bedeutet.
Wie können Kapitalanleger reagieren?
Wer Geld übrig hat und flexibel ist, kann Mittel etwa in Immobilien oder Aktien investieren. In diesen Bereichen sind die Preise und Renditen während der vergangenen Jahre teilweise stark gestiegen. Allerdings geht damit auch das Risiko von Verlusten einher.
Ändert die EZB ihre Inflationsberechnung?
Am Donnerstag erklärte die Notenbank, künftig die Kosten von Wohnungseigentum besser in die Berechnung der Inflation einzubeziehen. Bei steigenden Bau- und Immobilienpreisen könnte das dazu führen, dass der ermittelte Preisanstieg höher ausfällt – und damit ein zusätzliches Argument für eine weniger expansive Geldpolitik aufkommt.
Unterstützt die EZB künftig den Klimaschutz?
Das Führungsgremium beschloss außerdem „einen umfassenden Aktionsplan zur weiteren Einbeziehung von Klimaschutzüberlegungen in den geldpolitischen Handlungsrahmen“. Private Unternehmen, auch Banken, sollen dann mehr Bericht erstatten über die Klimaauswirkungen ihrer Geschäfte. Das könnte ein Kriterium unter anderem für spätere Anleihekäufe durch die EZB bilden. Die Notenbank will damit besser beurteilen können, wie wertvoll ihre eigenen Kapitalanlagen sind, und wie stabil und zukunftsfähig die europäische Wirtschaft insgesamt ist.