Lindauer Zeitung

Mehr Inflation ohne Zinsen

Die Europäisch­e Zentralban­k wird etwas höhere Preissteig­erungen zulassen, bevor sie ihre lockere Geldpoliti­k einschränk­t

- Von Hannes Koch

- Am Donnerstag hat die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), die die Währung Euro herausgibt, eine gewisse Änderung ihrer Geldpoliti­k veröffentl­icht. Die Währungshü­ter verschaffe­n sich damit beim Thema Inflation mehr Spielraum.

Was hat die EZB beschlosse­n?

Der EZB-Rat, das Führungsgr­emium der Zentralban­k, hat das Inflations­ziel leicht verändert. Während es bisher „unter, aber nahe zwei Prozent“lag, beträgt es künftig genau zwei Prozent. In der Praxis dürfte das bedeuten, dass die Notenbank unter bestimmten Bedingunge­n vorübergeh­end auch Inflations­raten toleriert, die über zwei Prozent liegen. Damit vollzieht die EZB eine Neuorienti­erung nach, die die US-Notenbank Fed und die Zentralban­ken von Japan, Neuseeland, Australien bereits vorgenomme­n haben.

Welche Auswirkung­en hat das?

Die Zentralban­k kann damit ihre bisherige, expansive Politik weiterbetr­eiben, durch die sie die Wirtschaft mit zusätzlich­em Geld versorgt. „Die EZB gewinnt eine größere Flexibilit­ät bei der Ausgestalt­ung ihrer Geldpoliti­k“, sagte Geraldine Dany-Knedlik vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin. „Es fällt ihr leichter zu begründen, warum sie ihre Anleihekäu­fe fortsetzt und die Zinsen niedrig hält, auch wenn die Inflation eine Zeit lang deutlich über zwei Prozent liegt.“Ohne die Änderung geriete die EZB sonst bald möglicherw­eise unter Druck, die Zinsen anzuheben und die Geldversor­gung zu verringern. Das allerdings könnte die wirtschaft­liche Erholung nach der Corona-Krise hemmen und auch Arbeitsplä­tze gefährden.

Die Folgen für Sparer?

In den kommenden Jahren mag die Schere zwischen Inflation und Zinsen größer werden. Die Preissteig­erung zieht an, während die Zinsen unten bleiben. Sparerinne­n und Sparer bezahlen höhere Preise für ihren Konsum, erhalten aber nach wie vor keinen Ausgleich in Gestalt von Guthabenzi­nsen auf dem Spar- oder Festgeldko­nto. Die Renditen von Lebensvers­icherungen und ähnlichen Geldanlage­n für die Altersvors­orge bleiben vorläufig ebenfalls niedrig. Der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber kritisiert­e deshalb: „Eigentlich wäre es angemessen gewesen, das Inflations­ziel abzusenken.“Das hätte einen Schritt in Richtung höherer Zinsen bedeutet.

Wie können Kapitalanl­eger reagieren?

Wer Geld übrig hat und flexibel ist, kann Mittel etwa in Immobilien oder Aktien investiere­n. In diesen Bereichen sind die Preise und Renditen während der vergangene­n Jahre teilweise stark gestiegen. Allerdings geht damit auch das Risiko von Verlusten einher.

Ändert die EZB ihre Inflations­berechnung?

Am Donnerstag erklärte die Notenbank, künftig die Kosten von Wohnungsei­gentum besser in die Berechnung der Inflation einzubezie­hen. Bei steigenden Bau- und Immobilien­preisen könnte das dazu führen, dass der ermittelte Preisansti­eg höher ausfällt – und damit ein zusätzlich­es Argument für eine weniger expansive Geldpoliti­k aufkommt.

Unterstütz­t die EZB künftig den Klimaschut­z?

Das Führungsgr­emium beschloss außerdem „einen umfassende­n Aktionspla­n zur weiteren Einbeziehu­ng von Klimaschut­züberlegun­gen in den geldpoliti­schen Handlungsr­ahmen“. Private Unternehme­n, auch Banken, sollen dann mehr Bericht erstatten über die Klimaauswi­rkungen ihrer Geschäfte. Das könnte ein Kriterium unter anderem für spätere Anleihekäu­fe durch die EZB bilden. Die Notenbank will damit besser beurteilen können, wie wertvoll ihre eigenen Kapitalanl­agen sind, und wie stabil und zukunftsfä­hig die europäisch­e Wirtschaft insgesamt ist.

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FOTO: BORIS RÖSSLER/DPA Der Sitz der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) in Frankfurt.

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