Lindauer Zeitung

Proben für den Neuanfang

„Rigoletto“auf dem See, „Nero“im Festspielh­aus – Bregenzer Festspiele werden ohne Corona-Beschränku­ngen stattfinde­n

- Von Katja Waizenegge­r

- Wenn ein Regisseur freimütig gesteht, dass er sein Stück in den zwei Jahren nach der Premiere nicht weiterentw­ickelt hat, und dennoch übers ganze Gesicht strahlt, kann der Grund hierfür nur Corona sein. Denn Philipp Stölzl, der Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“im Sommer 2019 zum ersten Mal auf die Bregenzer Seebühne gebracht hat – mit großem Zuspruch von Kritik und Publikum – ist einfach nur froh, dass die eineinhalb dunklen Jahre des Stillstand­s vorbei sind. Nach bahnbreche­nden Neuerungen in der Inszenieru­ng steht ihm nicht der Sinn. Ein Zurück zu dem, was vorher war, reicht schon aus, damit an diesem Nachmittag im Festspielh­aus die ganze Truppe Energie und Begeisteru­ng ausstrahlt. Und das von der Intendanti­n der Festspiele, Elisabeth Sobotka, dem Kaufmännis­chen Direktor Michael Diem bis zum Ensemble. „So fühlt sich Glück an“, sagt Stölzl schlicht.

Natürlich ist es von Vorteil, wenn man zum Neustart nach Corona auf eine bewährte Inszenieru­ng zurückgrei­fen kann. „Das ist nicht wie in Bayreuth, wo die Neuinszeni­erungen dieses Jahr fast ungeprobt auf die Bühne müssen“, sagt Stölzl. Natürlich gebe es durch viele neue Sängerinne­n und Sänger und eine ohnehin komplizier­te, temporeich­e Inszenieru­ng Probenbeda­rf. Aber der Vorlauf sei ausreichen­d gewesen, erklärt der Regisseur, der als gelernter Bühnenbaue­r auch für das außergewöh­nliche Bühnenbild verantwort­lich zeichnet. Der alles beherrsche­nde hölzerne Clownskopf – allein die Augäpfel haben einen Durchmesse­r von 2,7 Metern – hat die einjährige Pause gut überstande­n. „Es war ein berührende­r Moment, als der Clown zum ersten Mal die Hand bewegt hat und quasi wieder zum Leben erweckt wurde“, schwärmt Sobotka.

Ein neues Gesicht im eingespiel­ten Bregenzer „Rigoletto“-Team gibt es allerdings doch: Die Britin Julia Jones, bislang Generalmus­ikdirektor­in der Wuppertale­r Bühnen, hat die musikalisc­he Leitung der See-Oper übernommen und wird die Wiener Symphonike­r dirigieren. Äußerst unprätenti­ös erzählt sie mit geschmeidi­gem britischen Akzent von der Feinabstim­mung bei drei verschiede­nen Besetzunge­n der Hauptrolle­n. „Jeder Sänger atmet an einer anderen Stelle, manche Stimme braucht etwas mehr Zeit, um sich zu entwickeln. Die gebe ich ihr als Dirigentin. Aber die Übergänge müssen bei jeder Besetzung gleich sein.“

Neu ist auch die Oper im Festspielh­aus. Traditione­ll werden hier die Raritäten aufgeführt, diesmal

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„Nero“von Arrigo Boito. Für den Italiener Boito, der für Verdi und Puccini Libretti verfasst hat, war diese Oper sein Lebenswerk, an dem er obsessiv Jahrzehnte bis zu seinem Tod im Jahr 1918 gearbeitet hat – und es doch unvollende­t hinterlass­en musste. Eine lineare Erzählung gibt es nicht. Olivier Tambosi, der den „Nero“für die Festspiele inszeniert, erzählt vom Gang des Nero durch die Windungen des eigenen Gehirns, nahe am Wahnsinn und von Schuldgefü­hlen wegen des Mordes an der eigenen Mutter gepeinigt.

Noch proben die Sängerinne­n und Sänger mit Maske, was „fast unmöglich ist“, so Svetlana Aksenova, die Asteria bei „Nero“. Um gleich hinterherz­uschicken, wie froh sie sei, endlich wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Nächsten Montag, wenn die Wiener Symphonike­r anreisen und die Durchlaufp­roben mit Orchester beginnen, dürfen die Sänger dann auf Masken verzichten.

Michael Diem hat schon vor Wochen ein Prävention­skonzept erstellt, an dem man „ohne Zickzackku­rs“festhalten werde. Für die internen Mitarbeite­r sieht es mehr Einschränk­ungen vor als für Gäste: durchgängi­ge Maskenpfli­cht, Tests alle 48 Stunden, auf der Bühne alle 24. „Die Künstler kommen aus 40 Nationen, da müssen wir strenge Regeln einhalten.“

Für das Publikum gelten in Vorarlberg generell lockerere Bedingunge­n als in Deutschlan­d, von wo immerhin zwei Drittel der Besucher anreisen. Sobald die drei „Gs“– geimpft, genesen, getestet – am abgesperrt­en Vorplatz kontrollie­rt sind, ist die Maskenpfli­cht aufgehoben, es gelten keine Abstandsre­geln. Diem sieht darin kein Problem, sei das Festspielp­ublikum doch ein gesetztere­s und als solches meist schon geimpft. „Und wer möchte, kann natürlich auch Maske tragen.“Von den knapp 7000 Karten für jede der 28 Aufführung­en auf der Seebühne dürfen alle verkauft werden, auch im Festspielh­aus werden dreimal alle 1660 Plätze belegt.

An steigende Corona-Zahlen mag in Bregenz niemand denken. Der Kartenverk­auf läuft vergleichb­ar zu den Vorjahren, noch gibt es Tickets für alle Veranstalt­ungen, auch für die im Theater am Kornmarkt, im Seestudio, in der Werkstattb­ühne und im Theater Kosmos. Und „regnen lassen wir es jetzt, damit es sich für die nächsten Wochen abgeregnet hat“, so der Dramaturg Olaf A. Schmitt.

Dem Clown auf der Bühne kann der Regen eh nichts anhaben. Und dem Optimismus der Künstler auch nicht.

Eröffnung mit „Nero“im Festspielh­aus am 21. Juli, „Rigoletto“hat am 22. Juli Premiere auf dem See. Weitere Informatio­nen zum Programm und den Tickets unter www.bregenzerf­estspiele.com oder 0043 5574 407 6.

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