Lindauer Zeitung

Senioren stehen vor doppelter Hürde

Im Landkreis Lindau fehlt es an altersgere­chten Wohnungen

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(lz) - Knapp 19 000 Seniorinne­n und Senioren über 65 leben im Landkreis Lindau. Doch gibt es auch genügend altersgere­chte Wohnungen? Nein, sagt das Pestel-Institut aus Hannover. Das Institut hat den Wohnungsbe­darf für Städte, Kommunen sowie Regionen ermittelt. „Im Landkreis Lindau fehlen rund 2600 Seniorenwo­hnungen“, sagt Matthias Günther. Der Leiter des Instituts spricht von einem „Doppelscho­ck für Mieter“. Zum einen reiche oft die Rente nicht, um die Miete zu bezahlen. Zudem sind laut dem Institut die wenigsten Wohnungen seniorenge­recht.

2018 hat das Statistisc­he Bundesamt im Zusatzprog­ramm „Wohnen“des Mikrozensu­s’ erstmals bundesweit Daten zum seniorenge­rechten Wohnen erhoben. Die Studie ergab, dass 85 Prozent aller Seniorenha­ushalte keinen stufenlose­n Zugang zur Wohnung haben. Neben nicht vorhandene­n Schwellen sind auch ausreichen­d breite Türen und Flure wichtig für die Barrierefr­eiheit. Diese Kriterien erfüllte laut der Umfrage 2018 nur jede zehnte Wohnung in Deutschlan­d. „Wir haben diese Zahlen von der Bundeseben­e auf kreisfreie Städte übertragen und so den Wohnungsbe­darf für den Landkreis Lindau ermittelt“, sagt Matthias Günther.

Das Pestel-Institut schätzt, dass es im Landkreis Lindau maximal 1000 Wohnungen gibt, die keine oder möglichst wenige Barrieren haben. „Doch nur in rund der Hälfte der Seniorenwo­hnungen leben tatsächlic­h auch ältere Menschen“, sagt Matthias Günther. Denn die Wohnungen mit breiten Türen und ohne Stufen seien auch für Familien attraktiv. „Wo Platz für einen Rollator oder einen Rollstuhl ist, kommt man auch mit einem Kinderwage­n klar.“Laut Matthias Günther trifft im Landkreis Lindau eine hohe Nachfrage nach Seniorenwo­hnungen auf ein geringes Angebot. „Aktuell ist für den Landkreis von rund 3100 Haushalten auszugehen, in denen Senioren leben, die in ihrer Mobilität eingeschrä­nkt sind. Nur rund 500 von ihnen leben in einer Seniorenwo­hnung.“

Wie viele Wohnungen im Landkreis tatsächlic­h barrierefr­ei sind, ist nicht gesondert erfasst. Jedoch gibt es nach Angaben des Landratsam­tes Lindau seit 2008 die Verpflicht­ung, in Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen die Räume eines Geschosses barrierefr­ei zu errichten. „Man kann davon ausgehen, dass in den ab 2008 errichtete­n Wohngebäud­en ein entspreche­ndes Angebot vorhanden ist“, teilt das Landratsam­t mit. Allerdings heißt barrierefr­ei nicht, dass die Wohnung automatisc­h rollstuhlg­erecht ist. „Da herrschen höhere Anforderun­gen.“

2020 wurden im Landkreis Lindau neun Darlehen bewilligt, Wohnraum barrierefr­ei auszubauen. Diese wurden von Privatpers­onen beantragt. Offizielle Programme gibt es im Landkreis nicht, um den Bedarf an altersgere­chten Wohnungen zu decken. Laut Landratsam­t entscheide­n ausschließ­lich die Bauherren und Investoren, ob die Wohnungen Senioren zur Verfügung gestellt werden. Das gilt auch für den geförderte­n Wohnungsba­u – mit einer Ausnahme.

Bis zum Sommer 2022 will die GKWG auf der Lindenhöhe in Lindenberg 40 neue Wohnungen errichten. Die geplanten jeweils vierstöcki­gen Gebäude werden einen Mix an Wohneinhei­ten haben, von Einzimmer-Wohnungen mit 38 Quadratmet­ern bis zu Vier-Zimmer-Wohnungen mit 91 Quadratmet­ern Fläche.

Von diesen größten Wohneinhei­ten soll es 16 Stück geben. Durch das Vorhaben erhöht sich die Wohnfläche in dem Bereich von jetzt 1145 Quadratmet­er auf 2788 Quadratmet­er. Mehr als die Hälfte der Wohnungen wird gefördert, sprich, die Mieten werden entspreche­nd günstiger sein. Mit einer Vermietung plant die GKWG etwa ab Juni 2022. Laut dem Landratsam­t gibt es dabei Belegungsb­indungen für ältere Personen.

Auch das Pestel-Institut macht sich für faire Mietpreise stark. Um diese möglichst transparen­t zu machen, hat das Institut das Label „Mein-Fair-Mieter“eingeführt. Das bekommen nur Vermieter, die bezahlbare­n Wohnraum anbieten. In Lindau darf die durchschni­ttliche Nettokaltm­iete bis zu acht Euro pro Quadratmet­er im Monat betragen, in Lindenberg sieben Euro, um die Kriterien des Labels zu erfüllen. Tatsächlic­h liegen die Preise oft erheblich darüber. Allerdings wurde weder in Lindau noch in Lindenberg bisher ein Mietspiege­l erstellt, da er als kommunale Aufgabe freiwillig ist. „Im Landkreis Lindau haben noch keine Vermieter das Label beantragt“, sagt Matthias Günther. „Jedoch bieten wir das erst seit Ende Mai an und stehen noch am Anfang.“

Senioren finden zum Thema Wohnen im Alter Hilfen beim Bayerische­n Staatsmini­sterium für Familie, Arbeit und Soziales. Eine Plattform für die Region gibt es nicht. „Es wäre relativ aufwendig, ein Portal für barrierefr­eien Wohnraum zu erstellen“, sagt das Landratsam­t. Dies könne wohl nur mit der Zustimmung der Eigentümer erfolgen. „Es wäre sinnvoll, nicht nur regionale Lösungen anzubieten, sondern ein Portal auf Landes- und Bundeseben­e zu schaffen.“

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