Lindauer Zeitung

Jugendlich­e dürfen viel Geld selbst ausgeben

X-tra wieder offen und renoviert – Was die neue Offene Jugendarbe­it der Stadt alles vor hat

- Von Emanuel Hege

- Das Jugendzent­rum auf der Insel ist wieder offen – mit renovierte­n und ganz neuen Räumen. Mit dem X-tra startet auch das Konzept der neuen Offenen Jugendarbe­it, unter anderem dürfen junge Lindauerin­nen und Lindauer einen ungewöhnli­ch großen Teil des 200 000-Euro-Budgets für die Jugendarbe­it selbst verwalten.

„Ich freue mich besonders, weil ich heute zum ersten Mal in meiner Amtszeit ein Band durchschne­iden darf “, sagte Oberbürger­meisterin, Claudia Alfons, bevor sie am Freitag das Jugendzent­rum X-tra wiedereröf­fnete. Drei Jahre waren die Räume am Sina-Kinkelin-Platz geschlosse­n, sie hätten gefehlt, sagte Alfons und bedankte sich bei allen Vereinen und Einrichtun­gen, die die Offene Jugendarbe­it der Stadt unterstütz­en. „Lindau ist jünger als man denkt, und die Jungen brauchen Platz in der Stadt.“

Während einige Räume renoviert wurden, sind andere ganz neu entstanden. Im Hauptraum, dem Jugendcafé, gibt es ab nächster Woche billige Getränke und Speisen, Jugendlich­e können Billard spielen oder auf den neuen Sofas abhängen. Die Skate-Rampe ist immer noch da und wurde nur ein wenig ausgebesse­rt. Ganz neu sind der Kreativrau­m und der Medienraum. Im Kreativrau­m stehen SiebdruckS­ets, Leinwände und Farbe bereit, außerdem soll es regelmäßig Workshops geben. Im Medienraum können die Jugendlich­en auf einem öffentlich­en PC Bewerbunge­n schreiben oder Formulare drucken – dazu gibt es eine Spielekons­ole, eine Leinwand und einen Tanzspiege­l.

Neben dem X-tra, hat das Jugendhaus Fresh in Zech schon mehrere Wochen geöffnet. Die Mitarbeite­r der Offenen Jugendarbe­it werden die Zentren immer abwechseln­d betreuen. Dienstags und donnerstag­s ist das Fresh offen, mittwochs und freitags das X-tra. Doch nicht nur die Jugendzent­ren starten nach der Corona-Pause wieder durch, mit der Öffnung des X-tra beginnt auch das neue Konzept der Lindauer Jugendarbe­it – das über Jahre erarbeitet wurde.

Zur Vorgeschic­hte: 2019 hat die Stadt die Zusammenar­beit mit der Synergie Jugendhilf­e GmbH nach 15 Jahren einvernehm­lich beendet. Ein langer Prozess begann, in dem die jungen Lindauerin­nen und Lindauer in der Jugendwerf­t ihre eigenen Vorstellun­gen erarbeitet­en. Unter anderem durch die Ergebnisse der Jugendwerf­t, entschied sich der Stadtrat, die Jugendarbe­it wieder in den Händen der Verwaltung zu legen. Im Sommer des vergangene­n Jahres wurde dafür ein Budget von 200 000 Euro pro Jahr bestimmt, außerdem ein neues Team aus drei Mitarbeite­rn eingestell­t: Theresa Berschl, Anna Krüger und Benjamin Taylor sind seit Oktober im Einsatz.

Neben der X-tra-Eröffnung haben die drei Pädagogen ihr 24-seitiges Konzept der Offenen Jugendarbe­it fertiggest­ellt. Die Pandemie habe ihnen im Winter natürlich viele Möglichkei­ten genommen, sagt Theresa Berschl, die das Konzept am Dienstag dem Hauptaussc­huss des Stadtrates vorstellte. Dafür habe man umso detaillier­ter am Zukunftspl­an arbeiten können.

Das Konzept sei nach den Vorgaben der Jugendwerf­t und des Stadtrates entstanden, erklärt Theresa Berschl. „Es ist aber nicht in Stein gemeißelt, sondern dynamisch. Es kann jederzeit verändert werden, es muss sogar verbessert werden“, stellt Berschl klar. Denn die Umwelt der Jugendlich­en verändere sich immer schneller. Grundsätzl­ich wollen die drei Jugendarbe­iter eine niederschw­ellige Anlaufstel­le für alle zwischen zwölf und 27 Jahren sein. „Der wichtigste Begriff unserer Arbeit ist wohl die Selbstwirk­samkeit“, erklärt Berschl. „Dass die Jugendlich­en sich selbst einbringen, Verantwort­ung übernehmen, aber auch mal scheitern und lernen, damit umzugehen.“

Während der Winter-Lockdowns haben die drei Kreativpak­ete zum Abholen angeboten. „In einer Woche konnten sich die Jugendlich­en ein Paket abholen, um Armbänder zu machen, in der Woche darauf war es dann etwas anderes – immer kostenlos“, sagt Berschl. Sie hätten es auch mit Online-Treffen versucht, Jugendarbe­it sei jedoch auf Vertrauen gebaut, und keiner habe die drei gekannt. Gerade jetzt im Sommer soll die Offene Jugendarbe­it also zum wichtigen Ansprechpa­rtner der Jugendlich­en werden.

„Durch die Vereinsamu­ng sind psychische Probleme unter Jugendlich­en gestiegen, bei dem ein oder anderen ist auch eine Mediensuch­t entstanden.“Diese Probleme will die Offene Jugendarbe­it aufspüren und dann gegebenenf­alls an Kooperatio­nspartner weiterverm­itteln.

Die Vernetzung mit dem Arbeitskre­is Sucht, Arbeitskre­is Familie, Schulen, Vereinen und Hilfsproje­kten habe in den vergangene­n Monaten viel Zeit in Anspruch genommen, sagt Berschl. „Wenn Themen

wie beispielsw­eise psychische Probleme auftauchen, vermitteln wir die Jugendlich­en weiter.“

Der komplizier­teste Teil der Vorbereitu­ng sei jedoch ein ganz anderer gewesen: das Jugendbudg­et. 20 000 Euro stehen der Offenen Jugendarbe­it allein für Projekte zur Verfügung, die die Jugendlich­en selbst erarbeiten und verwirklic­hen. Während das komplette Jahresbudg­et von 200 000 Euro durchschni­ttlich für eine Stadt dieser Größe sei, ist das Jugendbudg­et auffällig hoch, sagt Berschl. „Andere Städte arbeiten da mit 1000 bis 5000 Euro.“

Es sei eine Herausford­erung gewesen, einen Prozess zu erarbeiten, der den Jugendlich­en nicht nur das Geld in die Hände wirft. „Es geht ja darum, dass sie sich das Geld verdienen und gefordert werden“, erklärt Berschl. Herausgeko­mmen ist ein dreimonati­ger Prozess, bei dem sich die Jugendlich­en mit ihren Projekten um das Geld bewerben und die Ideen in einem sogenannte­n Makerspace und in Workshops immer wieder verfeinern. Mögliche Projekte sind laut Bersch beispielsw­eise Skateboard­s zum Leihen oder bewegliche Graffiti-Wände.

Die Motivation ihres Teams, der Kooperatio­nspartner, Stadträte und der Verwaltung sei erstaunlic­h, sagt Berschl. Mit dem Budget ist sie zufrieden: „Weniger als die 200 000 Euro sollten es nicht sein, da sind ja auch das Jugendbudg­et und unsere 2,8 Stellen mit drin“, sagt Berschl, „es darf in Zukunft aber natürlich gerne mehr werden.“Das Team der Offenen Jugendarbe­it will sich nicht zu sehr auf die Insel fokussiere­n, sondern alle Stadtteile miteinbezi­ehen. Wenn möglich, auch mit eigenen Jugendzent­ren.

Kurze Videos aus den Räume finden Sie unter

www.schwaebisc­he.de/xtra

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FOTOS: EMANUEL HEGE Im Jugendcafé des X-tra hängen Gemälde eines jungen Lindauer Künstlers, es gibt eine neue Infrarot-Heizungen und neue Sofas.
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Oberbürger­meisterin Claudia Alfons eröffnet mit dem Team der Jugendarbe­it das Jugendzent­rum X-tra. Drei Jahre waren die Räume auf der Insel geschlosse­n.

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