Jugendliche dürfen viel Geld selbst ausgeben
X-tra wieder offen und renoviert – Was die neue Offene Jugendarbeit der Stadt alles vor hat
- Das Jugendzentrum auf der Insel ist wieder offen – mit renovierten und ganz neuen Räumen. Mit dem X-tra startet auch das Konzept der neuen Offenen Jugendarbeit, unter anderem dürfen junge Lindauerinnen und Lindauer einen ungewöhnlich großen Teil des 200 000-Euro-Budgets für die Jugendarbeit selbst verwalten.
„Ich freue mich besonders, weil ich heute zum ersten Mal in meiner Amtszeit ein Band durchschneiden darf “, sagte Oberbürgermeisterin, Claudia Alfons, bevor sie am Freitag das Jugendzentrum X-tra wiedereröffnete. Drei Jahre waren die Räume am Sina-Kinkelin-Platz geschlossen, sie hätten gefehlt, sagte Alfons und bedankte sich bei allen Vereinen und Einrichtungen, die die Offene Jugendarbeit der Stadt unterstützen. „Lindau ist jünger als man denkt, und die Jungen brauchen Platz in der Stadt.“
Während einige Räume renoviert wurden, sind andere ganz neu entstanden. Im Hauptraum, dem Jugendcafé, gibt es ab nächster Woche billige Getränke und Speisen, Jugendliche können Billard spielen oder auf den neuen Sofas abhängen. Die Skate-Rampe ist immer noch da und wurde nur ein wenig ausgebessert. Ganz neu sind der Kreativraum und der Medienraum. Im Kreativraum stehen SiebdruckSets, Leinwände und Farbe bereit, außerdem soll es regelmäßig Workshops geben. Im Medienraum können die Jugendlichen auf einem öffentlichen PC Bewerbungen schreiben oder Formulare drucken – dazu gibt es eine Spielekonsole, eine Leinwand und einen Tanzspiegel.
Neben dem X-tra, hat das Jugendhaus Fresh in Zech schon mehrere Wochen geöffnet. Die Mitarbeiter der Offenen Jugendarbeit werden die Zentren immer abwechselnd betreuen. Dienstags und donnerstags ist das Fresh offen, mittwochs und freitags das X-tra. Doch nicht nur die Jugendzentren starten nach der Corona-Pause wieder durch, mit der Öffnung des X-tra beginnt auch das neue Konzept der Lindauer Jugendarbeit – das über Jahre erarbeitet wurde.
Zur Vorgeschichte: 2019 hat die Stadt die Zusammenarbeit mit der Synergie Jugendhilfe GmbH nach 15 Jahren einvernehmlich beendet. Ein langer Prozess begann, in dem die jungen Lindauerinnen und Lindauer in der Jugendwerft ihre eigenen Vorstellungen erarbeiteten. Unter anderem durch die Ergebnisse der Jugendwerft, entschied sich der Stadtrat, die Jugendarbeit wieder in den Händen der Verwaltung zu legen. Im Sommer des vergangenen Jahres wurde dafür ein Budget von 200 000 Euro pro Jahr bestimmt, außerdem ein neues Team aus drei Mitarbeitern eingestellt: Theresa Berschl, Anna Krüger und Benjamin Taylor sind seit Oktober im Einsatz.
Neben der X-tra-Eröffnung haben die drei Pädagogen ihr 24-seitiges Konzept der Offenen Jugendarbeit fertiggestellt. Die Pandemie habe ihnen im Winter natürlich viele Möglichkeiten genommen, sagt Theresa Berschl, die das Konzept am Dienstag dem Hauptausschuss des Stadtrates vorstellte. Dafür habe man umso detaillierter am Zukunftsplan arbeiten können.
Das Konzept sei nach den Vorgaben der Jugendwerft und des Stadtrates entstanden, erklärt Theresa Berschl. „Es ist aber nicht in Stein gemeißelt, sondern dynamisch. Es kann jederzeit verändert werden, es muss sogar verbessert werden“, stellt Berschl klar. Denn die Umwelt der Jugendlichen verändere sich immer schneller. Grundsätzlich wollen die drei Jugendarbeiter eine niederschwellige Anlaufstelle für alle zwischen zwölf und 27 Jahren sein. „Der wichtigste Begriff unserer Arbeit ist wohl die Selbstwirksamkeit“, erklärt Berschl. „Dass die Jugendlichen sich selbst einbringen, Verantwortung übernehmen, aber auch mal scheitern und lernen, damit umzugehen.“
Während der Winter-Lockdowns haben die drei Kreativpakete zum Abholen angeboten. „In einer Woche konnten sich die Jugendlichen ein Paket abholen, um Armbänder zu machen, in der Woche darauf war es dann etwas anderes – immer kostenlos“, sagt Berschl. Sie hätten es auch mit Online-Treffen versucht, Jugendarbeit sei jedoch auf Vertrauen gebaut, und keiner habe die drei gekannt. Gerade jetzt im Sommer soll die Offene Jugendarbeit also zum wichtigen Ansprechpartner der Jugendlichen werden.
„Durch die Vereinsamung sind psychische Probleme unter Jugendlichen gestiegen, bei dem ein oder anderen ist auch eine Mediensucht entstanden.“Diese Probleme will die Offene Jugendarbeit aufspüren und dann gegebenenfalls an Kooperationspartner weitervermitteln.
Die Vernetzung mit dem Arbeitskreis Sucht, Arbeitskreis Familie, Schulen, Vereinen und Hilfsprojekten habe in den vergangenen Monaten viel Zeit in Anspruch genommen, sagt Berschl. „Wenn Themen
wie beispielsweise psychische Probleme auftauchen, vermitteln wir die Jugendlichen weiter.“
Der komplizierteste Teil der Vorbereitung sei jedoch ein ganz anderer gewesen: das Jugendbudget. 20 000 Euro stehen der Offenen Jugendarbeit allein für Projekte zur Verfügung, die die Jugendlichen selbst erarbeiten und verwirklichen. Während das komplette Jahresbudget von 200 000 Euro durchschnittlich für eine Stadt dieser Größe sei, ist das Jugendbudget auffällig hoch, sagt Berschl. „Andere Städte arbeiten da mit 1000 bis 5000 Euro.“
Es sei eine Herausforderung gewesen, einen Prozess zu erarbeiten, der den Jugendlichen nicht nur das Geld in die Hände wirft. „Es geht ja darum, dass sie sich das Geld verdienen und gefordert werden“, erklärt Berschl. Herausgekommen ist ein dreimonatiger Prozess, bei dem sich die Jugendlichen mit ihren Projekten um das Geld bewerben und die Ideen in einem sogenannten Makerspace und in Workshops immer wieder verfeinern. Mögliche Projekte sind laut Bersch beispielsweise Skateboards zum Leihen oder bewegliche Graffiti-Wände.
Die Motivation ihres Teams, der Kooperationspartner, Stadträte und der Verwaltung sei erstaunlich, sagt Berschl. Mit dem Budget ist sie zufrieden: „Weniger als die 200 000 Euro sollten es nicht sein, da sind ja auch das Jugendbudget und unsere 2,8 Stellen mit drin“, sagt Berschl, „es darf in Zukunft aber natürlich gerne mehr werden.“Das Team der Offenen Jugendarbeit will sich nicht zu sehr auf die Insel fokussieren, sondern alle Stadtteile miteinbeziehen. Wenn möglich, auch mit eigenen Jugendzentren.
Kurze Videos aus den Räume finden Sie unter
www.schwaebische.de/xtra