Debatte um Inzidenz nimmt Fahrt auf
Gesundheitsministerium will verstärkt auch auf Klinikeinweisungen achten – Söder warnt
Die Bundesregierung will zur Beurteilung der Corona-Lage künftig neben der Sieben-Tage-Inzidenz auch die Klinikeinweisungen berücksichtigen. „Die Inzidenz war nie einziger Parameter, um das Pandemiegeschehen zu beurteilen. Aber sie ist und bleibt ein wichtiger Parameter“, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Montag. Die Inzidenz gibt die Zahl der Ansteckungen pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen an. Sie ist
Grundlage für viele Corona-Maßnahmen, etwa die Bundesnotbremse, die Ende Juni ausgelaufen ist.
Den Kurs bestätigte auch Minister Jens Spahn (CDU) auf Twitter: Nötig seien jetzt auch detailliertere Informationen über die Lage in den Kliniken. „Da die gefährdeten Risikogruppen geimpft sind, bedeutet eine hohe Inzidenz nicht automatisch eine ebenso hohe Belastung bei den Intensivbetten.“Von einem generellen Kurswechsel sprach er nicht.
Sympathie für die erweiterte Betrachtungsweise zeigte Südwest-Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte derweil in München, er hielte es für verfrüht, von der Sieben-Tage-Inzidenz zur Beurteilung der Corona-Lage abzurücken. Es sei aber „sehr sinnvoll“, etwa die Corona-Krankenhauszahlen dazu in Relation zu setzen und zudem einen Koeffizienten zu finden, der die hohe Zahl der Geimpften berücksichtige.
Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich am Montag nicht festlegen, ob für das Auslösen der Bundesnotbremse künftig ein Inzidenzwert von 100 entscheidend sein soll. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Lucha blickte in diesem Zusammenhang nach Großbritannien. Dort, so Lucha, liege die Inzidenz bei mehr als 300, jedoch liege die Letalitätsrate – also das Verhältnis der Anzahl der Covid-19-Todesfälle zur Anzahl neuer Infektionen – bei lediglich 2,5 Prozent. „Sie ist damit ähnlich niedrig wie in Deutschland, wo die Sieben-Tage-Inzidenz bei nur 6,4 liegt“, sagte Lucha.
Am Montag hatte der britische Premierminister Boris Johnson das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen zum 19. Juli verkündet.