Lindauer Zeitung

Überweisun­g in Sekundenbr­uchteilen

Die Pläne für einen digitalen Euro werden immer konkreter – Doch was bringt er den Verbrauche­rn eigentlich?

- Von Hannes Koch

- Neben dem normalen Euro könnte es bald eine digitale Variante geben. Von „revolution­ären“Veränderun­gen im Geldwesen sprach Guido Zimmermann, Analyst bei der Landesbank BadenWürtt­emberg, am Montag. Trotzdem werde der digitale Euro für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r „im Alltag anfänglich nichts ändern“– ein Paradox. Ein Überblick zum Digital-Euro.

Was passiert gerade?

Vermutlich an diesem Mittwoch wird die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) erklären, dass sie „den Startschus­s für eine digitale Erweiterun­g ihrer Gemeinscha­ftswährung gibt“. Davon geht die teilweise öffentlich­e Landesbank Baden-Württember­g (LBBW) aus. Damit begänne die mehrjährig­e „Design-Phase“, in der sich die EZB überlegt, wie der digitale Euro grundsätzl­ich funktionie­ren soll. Später folgten eine Test-Phase und die Einführung.

Was ist der digitale Euro?

Eine digitale Ergänzung der heutigen Währung Euro, herausgege­ben von der staatliche­n EZB. Alle Bürgerinne­n und Bürger sollen ihn benutzen können. Er wird so relativ wertstabil und sicher sein wie Banknoten und Münzen. Der digitale Euro kommt direkt von der Zentralban­k, er ist nicht das Produkt von Geldschöpf­ung privater Banken wie etwa ein Kredit. Die EZB garantiert den digitalen Euro. Entspreche­nde Guthaben sind nicht betroffen, wenn Privatbank­en pleitegehe­n.

Warum macht die EZB das?

Nachdem 2008 die private InternetWä­hrung Bitcoin gestartet war, gab es viele Nachahmer. Mittlerwei­le arbeitet auch der US-Konzern Facebook an privatem Geld, das er Diem nennt. Die chinesisch­e Regierung lässt eine digitale Version des Yuan entwickeln. Die Bahamas haben ihren digitalen Sand Dollar bereits in Umlauf gebracht. Zahlreiche weitere Zentralban­ken weltweit verfolgen ähnliche Projekte. Damit Europa später nicht auf ausländisc­he Internet-Währungen angewiesen ist, muss die EZB eine eigene Version vorbereite­n. Es geht um ökonomisch­e und politische Selbstbest­immung.

Was ändert sich für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r?

Die EZB könnte den Digital-Euro zur

Verfügung stellen, indem alle Kundinnen und Kunden neben ihrem normalen Konto bei einer Geschäftsb­ank ein zusätzlich­es Digital-EuroKonto bekommen. Auf dieses lässt sich dann wahrschein­lich eine begrenzte Summe vom Girokonto überweisen und so in digitale Euro umwandeln. Diese dienen zum Bezahlen im Netz, das schneller als heute, idealtypis­ch in Echtzeit, passiert. Für Überweisun­gen zwischen Digitalkon­ten bräuchte man eigentlich auch keine Dienstleis­ter mehr wie heute etwa Paypal oder Kreditkart­enfirmen. Die entspreche­nden Gebühren könnten wegfallen. Anfangs

allerdings dürfte es zwischen Bezahlen mit Digital-Euro und heutigem elektronis­chen Zahlungsve­rkehr kaum spürbare Unterschie­de geben, da es für Privatkund­en meist egal ist, ob die Zahlung nach Sekunden oder schon Sekundenbr­uchteilen beim Empfänger ankommt. Eine alternativ­e Bereitstel­lungsform neben einem Konto wäre eine digitale Brieftasch­e auf dem Smartphone.

Was ändert sich für Firmen?

Die Landesbank Baden-Württember­g geht davon aus, dass die EZB einen wichtigen Wunsch der Wirtschaft erst mal nicht erfüllt. Der digitale Euro wird wohl nicht programmie­rbar sein. Unternehme­n hätten das gerne, weil Geld dann nicht nur zum schnellen Bezahlen diente, sondern auch weitere Informatio­nen transporti­eren könnte, etwa Zweck, Zeitpunkt und Bedingunge­n von Transfers. Die Möglichkei­t, solche sogenannte­n „smart contracts“(intelligen­ten Verträge) in den digitalen Euro einzubauen, erscheint der EZB aber anscheinen­d zu komplizier­t.

LBBW-Experte Zimmermann rechnet deshalb damit, dass Banken und Technologi­ekonzerne in den kommenden Jahren weitere, eigene Digital-Zahlungsmi­ttel einführen werden, die den Wünschen der Unternehme­n entgegenko­mmen. Diese könnten sich auch zu einer Konkurrenz für das digitale Zentralban­kgeld entwickeln.

Wird das Bargeld abgeschaff­t?

Die EZB will Banknoten und Münzen nicht abschaffen, wie sie erklärt. Die Entwicklun­g hängt allerdings auch davon ab, wie viele Bürgerinne­n und Bürger das traditione­lle Bargeld weiter nutzen wollen. Eine Rolle dürfte spielen, dass digitales Bargeld weniger anonym ist als Bargeld, das man anfassen kann. Bezahlen im Netz hinterläss­t mehr Spuren als die Übergabe eines Geldschein­s. Damit steht auch die Frage des Datenschut­zes im Raum.

Die Informatio­nen darüber, wer wann was mit digitaler Währung bezahlt, dürften bei der EZB besser aufgehoben sein, als bei irgendwelc­hen privaten Geld-Erfindern oder der chinesisch­en Zentralban­k. Die Voraussetz­ung für diese Aussage ist allerdings, dass man Vertrauen in den demokratis­chen Staat hat. Wer das abwegig findet, mag sich wohler fühlen mit Zahlungen in Bitcoin oder anderen privaten Kryptowähr­ungen, die ihre Daten der Obrigkeit gerade vorenthalt­en wollen.

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FOTO: CHRISTIAN OHDE/IMAGO IMAGES Damit Europa später nicht auf ausländisc­he Internet-Währungen angewiesen ist, muss die EZB eine eigene Version vorbereite­n.

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