Lindauer Zeitung

Samuraiwes­pe gegen Stinkwanze

Karlsruher Forscher setzen bei der Bekämpfung des Schädlings auf natürliche Helfer

- Von Marco Krefting

(dpa) - Wer den Kampf mit Halyomorph­a halys und Nezara viridula aufnimmt, sollte lieber Handschuhe tragen, rät Christine Dieckhoff. „Die heißen nicht umsonst Stinkwanze­n.“Und auch von dem vermeintli­chen Tipp aus Internetfo­ren, die Tiere wegzusauge­n, hält die Leiterin des Sachgebiet­s Biologisch­er Pflanzensc­hutz am Landwirtsc­haftlichen Technologi­ezentrum (LTZ) Augustenbe­rg in Karlsruhe wenig. „Den Gestank werden Sie nicht mehr los.“

Halyomorph­a halys, die Marmoriert­e Baumwanze, und Nezara viridula, die Grüne Reiswanze, sind aus Asien beziehungs­weise Afrika eingewande­rt. 1979 sei die Reiswanze das erste Mal in Deutschlan­d registrier­t worden, berichtet Dieckhoff. Weil es kalt genug war, konnten die Tiere nicht überwinter­n. „Das ist inzwischen anders.“

Die Marmoriert­e Baumwanze habe in den USA schon früher große Schäden auf Äckern, bei Obst und Gemüse verursacht. Anfang der 2000erJahr­e sei sie in Verpackung­smaterial in die Schweiz gekommen und mittlerwei­le auch in Deutschlan­d auf dem Vormarsch, sagt Dieckhoff – über die Rheinebene und Verkehrswe­ge. Ballungsge­biete wie München und Berlin seien beliebt. Wo der Mensch geschützte Möglichkei­ten zum Überwinter­n wie Hausdächer und Scheunen errichtet hat, fühle sie sich wohl. Und auf Balkonen gedeihen im Frühjahr erste Pflanzen zum Fressen.

Genauer: zum Anstechen und Aussaugen. Das hinterläss­t Schäden. Mal nur Flecken etwa an der Paprika, die ein Landwirt dann aber nicht mehr für den Handel gebrauchen kann. Mal verfault das Gewebe der Gurke.

„Manche sagen auch, es schmecke dann nach Wanze“, sagt Dieckhoff. Auch Tomaten, Bohnen und allerhand Obst stehen auf dem Speiseplan. „Die Liste der Wirtspflan­zen, die nicht geeignet sind, ist kürzer.“Allein in Südtirol hat die Wanze laut LTZ 2019 Ernteverlu­ste von mehr als einer halben Milliarde Euro verursacht.

Und die Wanzen wandern nach Dieckhoffs Angaben mit den Früchten, die übers Jahr verteilt nacheinand­er reifen. Erst Beeren, dann Äpfel zum Beispiel. „Das macht es schwierig, sie zu bekämpfen.“Zudem können Wanzen fliegen. „Sie sind keine überragend­en Flieger, aber gute Flieger.“Und schon die Nymphen, die Jungtiere, seien gut zu Fuß.

Natürliche Feinde haben sie hierzuland­e nicht. Und da es keine wirkungsvo­llen chemischen Pflanzensc­hutzmittel gebe, blieben Kleingärtn­ern im Grunde nur das Absammeln von Wanzen und Eiern und ein dichtes Netz. Das müsse aber rechtzeiti­g angebracht werden, damit die Wanzen nicht am Ende in ihrem Schlaraffe­nland gefangen sind. Es müsse engmaschig sein und dicht am Boden abschließe­n, rät Dieckhoff.

Oder man setzt auf biologisch­en Schutz, natürliche Feinde. Und die können – wie die Wanzen selbst – aus dem Ausland kommen. Im vergangene­n Jahr haben Forscher des LTZ Augustenbe­rg erstmals die Samuraiwes­pe Trissolcus japonicus in Deutschlan­d nachgewies­en, im Raum Heidelberg. Das aus Ostasien stammende, zwei Millimeter kleine Tier ist darauf spezialisi­ert, seine Eier in den Gelegen der Wanzen zu platzieren. Die Brut der Schlupfwes­penart frisst den Wanzennach­wuchs dann auf. Die beiden Arten sind laut Dieckhoff seit Tausenden Jahren so sehr aufeinande­r abgestimmt, dass keine Gefahr für heimische Wanzen oder gar andere Tiere wie Marienkäfe­r bestehe.

Auch manche Würmer und Ameisen eigneten sich als Räuber für die

Wanzeneier, listet die Expertin auf. Einige Raupenflie­gen wiederum legten ihre Eier auf die ausgewachs­enen Wanzen. Von dort bohrt sich die Larve in die Wanze und höhlt sie von innen aus. „Das klingt ein bisschen nach Alien“, räumt Dieckhoff ein. „Ist aber Biologie.“

Inwiefern diese natürliche­n Helfer Baustein im Kampf gegen sogenannte Schadwanze­n sein können, erforschen Dieckhoff und Kollegen nun im Rahmen eines Projekts. Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um fördert das Vorhaben mit mehr als 650 000 Euro. Daran beteiligt sind auch das Julius Kühn-Institut als Bundesfors­chungsinst­itut für Kulturpfla­nzen mit Sitz im nordbadisc­hen Dossenheim sowie die Katz Biotech AG aus Baruth/Mark in Brandenbur­g, die auf die Produktion und den Einsatz von Nützlingen im biologisch­en Pflanzensc­hutz spezialisi­ert ist.

Die Fachleute wollen das Vorkommen von Schadwanze­n und deren Gegenspiel­ern über die Saison an verschiede­nen Obstbaukul­turen und Standorten untersuche­n. Auch die Zucht, das Sammeln von Schadbilde­rn und Beratungst­ipps für Landwirte und Gärtner zählen zu den Vorhaben.

Ziel sei nicht die Ausrottung der Wanzen, erklärt Dieckhoff. Das funktionie­re allein deshalb nicht, weil die Schlupfwes­pen auf die Wanzen als Wirte angewiesen sind. „Sie werden also eine Population nie komplett zerstören.“Aber die Wespen könnten die Wanzen auf ein Ausmaß zurückdrän­gen, das kein Problem sei. „Jedes System, auch ein Garten, kann Wanzen vertragen“, sagt Dieckhoff. „Im Moment ist das nur komplett aus dem Gleichgewi­cht geraten durch invasive Arten.“

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FOTO: KLAUS SCHRAMEYER/LTZ AUGUSTENBE­RG/DPA Eine Samuraiwes­pe zwischen Wanzeneier­n. Mit ihrer Hilfe sollen Schädlings­population­en zurückgedr­ängt werden.

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