Lindauer Zeitung

Wohnraum soll dem Wohnen dienen

Bauausschu­ss sagt Zweckentfr­emdung als Ferienwohn­ung oder durch Leerstand den Kampf an

- Von Jens Lindenmüll­er

- Auf der einen Seite: Menschen, die monate- oder gar jahrelang vergeblich nach einer bezahlbare­n Mietwohnun­g suchen. Auf der anderen Seite: Wohnungen, die leer stehen oder nur kurzzeitig an Urlauber vermietet werden. Im Kampf gegen den Wohnraumma­ngel wird Friedrichs­hafen künftig wohl auch auf das Mittel eines Zweckentfr­emdungsver­bots setzen. Nach einem entspreche­nden Antrag der Grünen-Fraktion hat der Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt in einem ersten Schritt die Verwaltung damit beauftragt, eine entspreche­nde Satzung zu entwerfen.

Ende Mai waren beim Häfler Amt für Vermessung und Liegenscha­ften offiziell rund 400 Wohnungssu­chende registrier­t. Wie hoch die Zahl derer, die sich aktuell in Friedrichs­hafen nach einer Wohnung umschauen, insgesamt ist, weiß aber niemand so genau. Fakt ist, dass Friedrichs­hafen zu jenen 89 Kommunen mit nachgewies­enem Wohnraumma­ngel in Baden-Württember­g zählt, in denen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfr­emdung von Wohnraum angewendet

TRAUERANZE­IGEN werden kann. Es gibt ihnen die rechtliche Grundlage dafür, bestimmte Nutzungen von Wohnungen einer Genehmigun­gspflicht zu unterwerfe­n und Verstöße mit Bußgeldern zu sanktionie­ren. Im Fokus stehen dabei insbesonde­re Wohnungen, die ungenutzt leer stehen oder in Ferienwohn­ungen umgewandel­t werden.

Zum Stichtag 31. Dezember 2019 gab es in Friedrichs­hafen insgesamt 31 226 Wohnungen, wovon allerdings nur 29 286 beim Landratsam­t als Abfallhaus­halte angemeldet waren. Daraus ergibt sich rein rechnerisc­h ein Bestand von sage und schreibe 1940 leer stehenden Wohnungen. Die Zahl der offiziell erfassten Ferienwohn­ungen hingegen ist mit 160 recht überschaub­ar – dürfte aber von der tatsächlic­hen Zahl auch recht deutlich übertroffe­n werden. Eine genaue Erhebung der Daten war bislang problemati­sch, nicht zuletzt aufgrund der Vorgaben der Datenschut­zgrundvero­rdnung.

Im Februar dieses Jahres ist das Gesetz über das Verbot der Zweckentfr­emdung von Wohnraum allerdings verschärft worden – insbesonde­re dahingehen­d, dass eine Auskunftsp­flicht

für Betreiber von Internetpo­rtalen für die Vermittlun­g von Ferienwohn­ungen eingeführt wurde. Zudem haben Kommunen nun die Möglichkei­t, eine Registrier­ungspflich­t für das Anbieten von Ferienwohn­ungen einzuführe­n. Ferienwohn­ungen in einer Tourismusr­egion komplett zu verbieten, ist allerdings auch keine Option. Letztlich wäre das Ziel ein ausgewogen­es Verhältnis zwischen Bedarf an Wohnraum und Bedarf an touristisc­hem Beherbergu­ngsangebot.

Doch lohnt sich der mit Datenerheb­ung und Kontrolle verbundene Aufwand - für den im Häfler Amt für Vermessung und Liegenscha­ften laut dessen stellvertr­etendem Leiter Jürgen Dietz aktuell gar kein Personal vorhanden ist – wirklich? Zumal auch Bebauungsp­läne eine Steuerungs­möglichkei­t bieten? Die Meinungen im Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt gingen auseinande­r, letztendli­ch stimmten acht Räte dafür, eine Zweckentfr­emdungssat­zung zu entwerfen. Vier stimmten dagegen, drei enthielten sich.

„Wir wollen nicht den Tourismus schlechtma­chen, sollten aber eine gewisse Regelungsm­öglichkeit haben“, sagte Ulrich Heliosch von den Grünen – und warnte davor, die Bemühungen der Stadt, neuen Wohnraum zu schaffen, durch Umnutzung von bestehende­m Wohnraum für Beherbergu­ngszwecke zu konterkari­eren. Netzwerk-Rat Philipp Fuhrmann führte als weiteres Argument für eine Zweckentfr­emdungssat­zung die „ungenutzte graue Energie“von leer stehenden Wohnungen an. Vorhandene­s besser zu nutzen, sei auch eine Verpflicht­ung gegenüber künftigen Generation­en, so Fuhrmann. SPD-Rat Heinz Tautkus berichtete zudem von guten Erfahrunge­n der Stadt Konstanz mit einer solchen Satzung. In Friedrichs­hafen waren Tautkus und seine Genossen vor einigen Jahren mit einem Antrag auf Zweckentfr­emdungssat­zung gescheiter­t.

In den Fraktionen der CDU, der Freien Wähler und der FDP hält man eine solche nach wie vor für einen nicht vertretbar­en Eingriff ins Persönlich­keitsrecht der Eigentümer. So berichtete CDU-Rat Eduard Hager zum Beispiel von Menschen, die aufgrund schlechter Erfahrunge­n und fortgeschr­ittenen Alters keine Wohnungen mehr vermieten wollen.

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