Lindauer Zeitung

Deutschlan­d sucht die Fahnenträg­er

In Tokio nehmen eine Sportlerin und ein Sportler diese Aufgabe erstmals als Duo wahr

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(SID) - Ob Tennisstar Angelique Kerber, Dressurque­en Isabell Werth oder Vorzeigeat­hlet Patrick Hausding: Das gemischte Doppel bei der Olympia-Eröffnungs­feier in Tokio darf sich nicht nur als Anführer des deutschen Teams, sondern auch als Vorkämpfer für Gleichbere­chtigung fühlen – und tief geehrt.

Erstmals in der Geschichte der Spiele wird es bei der Zeremonie am 23. Juli eine Fahnenträg­erin und einen Fahnenträg­er für Deutschlan­d geben. „Das ist eine super Sache und total zeitgemäß. Es ist genau das richtige starke Zeichen für die Gleichbere­chtigung mit großer medialer Präsenz“, sagte Tobias Hauke. Der zweimalige Hockey-Olympiasie­ger steht ebenfalls auf der Liste der jeweils fünf Kandidatin­nen und Kandidaten, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am Montag bekannt gab.

„In Tokio starten erstmals genauso viele Frauen wie Männer. Die Athletinne­n haben sich lange dafür eingesetzt und gekämpft. Das Fahnenträg­erduo ist eine großartige Chance, diesen Erfolg sichtbar zu machen“, sagte DOSB-Vorstandsc­hefin Veronika Rücker.

Bei den Athletinne­n sind neben der dreimalige­n Grand-Slam-Gewinnerin Kerber und der sechsmalig­en Olympiasie­gerin Werth auch Beachvolle­yball-Olympiasie­gerin Laura Ludwig, Turnerin Elisabeth Seitz sowie die in Rio mit Gold dekorierte Ruderin Annekatrin Thiele nominiert. Zur Wahl bei den Männern stehen neben Wasserspri­nger Hausding und Hauke der „Hero de Janeiro“Andreas Toba (Kunstturne­n), Tischtenni­s-Ass Dimitrij Ovtcharov und Ruderer Richard Schmidt, der 2012 in London Gold mit dem Achter gewonnen hatte.

„Bei einer solchen Anfrage darf man nicht mit Nein antworten. Ich fühle mich extrem geehrt“, sagte Toba, der die Wahl annehmen würde, obwohl er bereits am Tag darauf an die Geräte muss. Deshalb holte sich der Vize-Europameis­ter am Reck schon einmal prophylakt­isch die Zustimmung der Teamkolleg­en ein, die bei der Eröffnungs­zeremonie vor dem Bildschirm bleiben werden, um Kräfte zu sparen.

Rekordeuro­pameister Hausding findet die Botschaft wichtig. „Es ist ein gutes Zeichen für Gleichbere­chtigung“, sagte er dem „Münchner

Merkur“/„tz“. Ludwig startete spontan eine Umfrage auf Instagram: „Meint ihr, das kann ich?“Seitz nannte ihre Nominierun­g „Wahnsinn“und „wirklich unglaublic­h“. Und Franzisca Hauke, die in Tokio ebenfalls um eine Hockeymeda­ille spielt, warb für ihren Bruder: „Gebt unbedingt eure Stimme ab!“

Bekannt gegeben wird das zu 50 Prozent von den Athletinne­n und Athleten, zu 50 Prozent von den Fans gewählte Doppel am Tag vor der Eröffnungs­feier in Tokio. Der DOSB folgt – wie viele andere Nationen – der Empfehlung des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), je eine Frau und einen Mann gemeinsam die Fahne tragen zu lassen.

Einfluss auf die Vorauswahl hatten die strengen Corona-Regeln. Außerdem werden bei der Eröffnungs­feier noch nicht alle Sportlerin­nen und Sportler in Tokio sein. Abgestimmt werden kann bis 18. Juli unter teamdeutsc­hland.de oder unter tokio.sportschau.de. 2016 in Rio hatte Tischtenni­sidol Timo Boll die deutsche Fahne ins Stadion getragen. Boll war bereits der zwölfte Mann, der eine gesamtdeut­sche Olympiaman­nschaft bei Sommerspie­len anführte. Dem stehen seit der Premiere 1964 (damals die Wasserspri­ngerin Ingrid Engel-Krämer) ebenfalls in Tokio nur drei Frauen gegenüber, zwei weitere Sportlerin­nen führten Teams der DDR an.

Wasserspri­nger Patrick Hausding zur Idee, eine Frau und einen Mann gemeinsam die Fahne tragen zu

lassen.

Weil dieses eklatante Ungleichge­wicht internatio­nal mehr als ein Jahrhunder­t die Regel war, hatte das IOC die Delegation­en Anfang März 2020 ermutigt, von der erstmals erlaubten Doppelspit­ze Gebrauch zu machen. IOC-Präsident Thomas Bach stellte für die Spiele in Japan zudem ein nahezu ausbalanci­ertes Teilnehmer­feld mit 48,8 Prozent Frauen in Aussicht.

Die deutsche Mannschaft verfehlt dieses Ziel mit 258 Männern und nur 176 Frauen klar. Grund ist allerdings vor allem, dass sich in Fußball, Handball und Basketball nur die Männerteam­s qualifizie­rt haben.

DOSB-Vorstandsc­hefin Rücker betonte, auf die „notwendige Gleichbeha­ndlung“weise man auch mit der Aktion #showusequa­l hin. Damit fordert der DOSB alle deutschen Medien auf, auch im Sport „in gleichem Maße über Männer und Frauen zu berichten“.

„Es ist ein gutes

Zeichen für Gleichbere­chtigung.“

 ?? FOTOS: LAFRENTZ, BREM/JEWEILS IMAGO IMAGES ?? Zwei von zehn: Isabell Werth und Patrick Hausding stehen in der Vorauswahl des DOSB, wenn erstmals Fahnenträg­erin und Fahnenträg­er für die Eröffnungs­zeremonie von Sommerspie­len gekürt werden.
FOTOS: LAFRENTZ, BREM/JEWEILS IMAGO IMAGES Zwei von zehn: Isabell Werth und Patrick Hausding stehen in der Vorauswahl des DOSB, wenn erstmals Fahnenträg­erin und Fahnenträg­er für die Eröffnungs­zeremonie von Sommerspie­len gekürt werden.
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