Ungläubiger ESC Langenargen gewinnt Meistertitel
Eisstockschießen: Der Gastgeber setzt sich beim Bundesliga-Wettkampf durch – auch dank eines seltenen Fehlers des größten Konkurrenten
- Bruno Morandell greift sich mit beiden Händen an den Kopf und kann sein Glück kaum fassen. Ist das gerade wirklich passiert?, fragt er sich. Und auch die anderen Eisstockschützen des ESC Langenargen staunen ungläubig, wirken kurz überfordert mit der Situation und versuchen den richtigen Umgang zu finden. Es ist ein kurioser Moment beim Wettkampf der 1. Bundesliga Südwest, als ein Spieler des ESC Stuttgart-Vaihingen mit einem sehr bitteren Fehlschuss im Topspiel gegen Langenargen den schon fast sicheren Meistertitel völlig überraschend herschenkt. Nach dem unverhofften Scheitern des Gegners und dem 11:9-Sieg in dieser wichtigen Begegnung überkommt die Langenargener die Freude – sie beginnen, zu lachen und sich gemeinsam abzuklatschen. Um sich danach mit einem 33:0-Erfolg in ihrer abschließenden Partie gegen den VfL Munderkingen zum Meister zu krönen.
„Da haben wir Dusel gehabt“, sind sich die Eisstockschützen des ESC Langenargen einig. Schließlich wissen sie, dass es nicht alle Tage vorkommt, dass der stärkste Konkurrent einen solch dilettantischen Patzer in seinem Spiel einbaut – zumal der ESC Stuttgart-Vaihingen sich bis dahin auf den Sommerbahnen am Sportzentrum in Langenargen nahezu fehlerfrei präsentierte. Für die Langenargener hätte es aber natürlich keinen besseren Zeitpunkt für einen solchen Lapsus geben können, nachdem das Team um Raffael Tomasi, Christian Späthe, Marcel Porst,
Philipp Fritsch und Morandell die Stuttgarter mit eigenen Ungenauigkeiten in diese hervorragende Position brachten. „Alles in allem sind wir super glücklich“, jubelt der deutsche Nationalspieler Tomasi über den Meistertitel.
Den 31-Jährigen stimmte auch das Auftreten zufrieden. Mit neun Siegen, einem Remis gegen den TV Ebhausen und einer Niederlage gegen den drittplatzierten TSV Neuenstadt hatte Langenargen sein Leistungsvermögen am vergangenen Samstag vollständig abgerufen. So gelang es, die starken Stuttgarter aufgrund der besseren Stockpunkte hinter sich zu lassen. „Für unsere kleine Gemeinde ist dieser Erfolg ein Highlight“, sagt Tomasi. Längst ist eine BundesligaMeisterschaft aber keine große Überraschung mehr, eine Platzierung unter den Top drei und die damit verbundene Qualifikation für die deutsche Meisterschaft ist zum Mindestziel geworden. „Früher haben wir oft geschwitzt, gezittert und Abstiegskämpfe gehabt. Seit fünf Jahren haben wir mittlerweile aber so viel Qualität, dass wir uns nach oben orientieren können“, berichtet der 62jährige Eisstockschütze Morandell, der beim ESC Langenargen auch für die Pressearbeit zuständig ist.
Der Triumph ist dennoch ein ganz besonderer. Denn der Club holt 2021 sein 60-jähriges Jubiläum nach. „Wir haben uns ein ganzes Portfolio an Events überlegt“, sagt Alfons Göppinger, Vorstandsvorsitzender des ESC Langenargen. Dazu gehört auch der Bundesliga-Wettkampf am vergangenen Samstag, um dessen Ausrichtung sich Göppinger sehr stark bemühte. „Für uns ist das Werbung, ein Ansporn für die Jugend. Sie sind stolz auf den Verein, wenn er solche hochkarätige Veranstaltungen anbietet“, so Göppinger. Ein weiterer Höhepunkt in der Liste ist der Montfortcup in Langenargen (21. und 22. August), an dem unter anderem auch Champions-League-Teilnehmer vor Ort sein werden.
Generell achtet der Club sehr auf seinen Nachwuchs, der ihm auch den Meistertitel bescherte. Tomasi, Späthe, Fritsch sind Eigengewächse des ESC Langenargen – der Erfolg fußt also auch auf der ausgezeichneten Jugendarbeit. In diesem Bereich engagiert sich der ESC sehr stark, der Verein stellt aktuell eine U14, U16 und U23 und bietet etwa Spaßwettkämpfe auf dem Schulhof an oder organisiert Jugendcamps. Hervorzuheben ist das Engagement von Jugendleiter Roland Götze, der den Nachwuchs sehr intensiv betreut.
Alles in allem ist Langenargen so zu einem sehr erfolgreichen Eisstockschützen-Standort geworden, neben den Herren spielen auch die Damen des ESC in der Bundesliga. Das ist auch der Verdienst der Familie Göppinger, die seit Jahrzehnten die Verantwortung als Vorsitz im Club trägt. So war es der Großvater von Alfons Göppinger, Franz Göppinger, der sich von einem bayerischen Bäckermeister vom Eisstockschießen begeistern ließ und 1960 den ESC Langenargen gründete. Und wenngleich die zweite Mannschaft des Clubs am Samstag genauso wie auch der ESV Friedrichshafen abgestiegen ist, zählt der Club jetzt, 61 Jahre später, zu den besten in ganz Deutschland.
Das Einzelzielschießen am Sonntag hat der Langenargener Marcel Porst gewonnen. Er landete vor seinen Vereinskollegen Raffael Tomasi und Bruno Morandell. Alle drei qualifizierten sich damit für die deutsche Meisterschaft.