Lindauer Zeitung

Studie bezweifelt Wirksamkei­t von Luftfilter­n in Schulen

Stuttgarte­r Pilotproje­kt zeigt Probleme auf – Ministerpr­äsident Söder setzt in Bayern dennoch auf die Geräte

- Von Stefan Fuchs und dpa

- Stoßlüften, Fenster kippen oder doch ein Luftreinig­er? Die Frage, wie Schülerinn­en und Schüler im Unterricht vor CoronaInfe­ktionen geschützt werden können, stellt sich seit Monaten. Eine Untersuchu­ng an zehn Stuttgarte­r Schulen bringt jetzt neue Erkenntnis­se: Zwar sind fast alle Maßnahmen besser als gar keine Lüftung, doch Luftreinig­ungsgeräte sind nicht so effektiv wie regelmäßig­es Öffnen der Fenster. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) drängt derweil auf die Ausrüstung aller Klassen- und Kitaräume mit den Geräten.

Experten des Instituts für Gebäudeene­rgetik und Thermotech­nik der Universitä­t Stuttgart untersucht­en über ein halbes Jahr lang jeweils ein oder zwei Klassenräu­me an zehn exemplaris­ch ausgewählt­en Schulen der Stadt. Sie erforschte­n, wie effektiv unterschie­dliche Lüftungsme­thoden Infektions­risiken verringern können. Das ernüchtern­de Ergebnis: Luftreinig­ungsgeräte sollten nur unterstütz­end eingesetzt werden. Zwar reduzieren sie die Wahrschein­lichkeit von Ansteckung­en, allerdings in geringerem Maße als herkömmlic­hes Stoßlüften.. „Basierend auf den Erkenntnis­sen

aus dem Pilotproje­kt ist der flächendec­kende Einsatz von Luftreinig­ungsgeräte­n nicht indiziert“, resümieren die Forscher.

Auch Schutzmaßn­ahmen wie die Einhaltung der AHA-Regelungen, Tests oder das Tragen einer Maske könnten durch die Geräte nicht ersetzt werden. Für Klassenräu­me mit zu kleinen oder zu wenigen Fenstern empfehlen die Experten dennoch die Verwendung von Luftreinig­ern oder den Einbau stationäre­r Lüftungsan­lagen. Wie die Untersuchu­ngen zeigen, verringern sämtliche Methoden zum

Luftaustau­sch im Klassenzim­mer das Ansteckung­srisiko. Ob gekippte Fenster oder Filtergerä­te: Immer noch besser als ein geschlosse­nes Fenster. Allerdings können die technische­n Lösungen mit der Effektivit­ät von zweieinhal­b Minuten Stoßlüften im Zehnminute­ntakt nicht mithalten. Zwar verbessern die Geräte beim Betrieb laut der Untersuchu­ng in den maximalen Einstellun­gen ihre Leistung, gleichzeit­ig steigt aber die Lärmbelast­ung über die Grenzwerte hinaus.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hatte vergangene Woche angekündig­t, sämtliche Klassen- und Kitaräume bis zum Start des neuen Schuljahrs mit Luftreinig­ungsgeräte­n ausstatten zu wollen. Die Kosten sollen sich Kommunen und Kreise mit dem Freistaat teilen. Die Reaktionen aus Gemeinden und Schulen fielen gemischt aus, neben Unterstütz­ung gab es Kritik an den Zeitplänen, der Finanzieru­ng und dem Nutzen.

Baden-Württember­gs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n kündigte am Montag ein Förderprog­ramm an, das die Kommunen zur Hälfte finanziere­n sollen. Die mobilen Geräte kosten zwischen 3000 und 4000 Euro. Kretschman­n sagte dazu, die Filter seien nur als Ergänzung gedacht und sollten vor allem in schlecht belüftbare­n Räumen eingesetzt werden. Zudem sollen sie vornehmlic­h in den Klassen 1 bis 6 zum Einsatz kommen, weil kleinere Kinder bis auf Weiteres nicht geimpft werden können.

Karin Broszat, Realschull­eiterin in Überlingen und Vorsitzend­e des Realschull­ehrerverba­nds in BadenWürtt­emberg, wünscht sich weiterhin eine flächendec­kende Ausstattun­g mit den Geräten. „Dass Lüften die beste Methode ist, darin sind wir uns alle einig. Trotzdem brauchen wir die Luftreinig­er als Ergänzung, besonders wenn es im Winter wieder kalt wird, was das Stoßlüften erschwert“, sagt sie. Sie wünscht sich auch in Baden-Württember­g ein Machtwort der Landesregi­erung.

Der Ludwigsbur­ger Filterspez­ialist Mann+Hummel widersprac­h der Studie, bei der auch die Wirkung mobiler Geräte der Firma untersucht wurden, und verwies auf Analysen anderer Forschungs­einrichtun­gen, etwa des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik. Dieses hatte in einem Forschungs­projekt im März ermittelt, dass Luftreinig­ungsgeräte nach zweistündi­gem Betrieb je nach Technologi­e die Viruslast um bis zu 99 Prozent verringern können.

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FOTO: DPA Umstritten: Ein Luftfilter im Klassenrau­m einer Grundschul­e.

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