Lindauer Zeitung

Gericht kippt Nachtangel­verbot

Land kündigt Anpassung der Fischereiv­erordnung an

- Von Kara Ballarin

- Thomas Wahl sollte recht behalten. Im Sitzungssa­al 5 des Stuttgarte­r Verwaltung­sgerichts hatte sich der Präsident des Landesfisc­hereiverba­nds am Dienstag optimistis­ch gezeigt, dass das Nachtangel­verbot in Baden-Württember­g fallen würde. „Unter nüchterner Betrachtun­g der Argumente gibt es keinen Grund, am Nachtangel­verbot festzuhalt­en“, hatte er vor der Verhandlun­g der „Schwäbisch­en Zeitung“gesagt. Seit Mittwoch ist klar: Das europaweit strikteste Verbot wird es so nicht mehr lange geben.

Gemeinsam mit seinen vier Vizepräsid­enten hatte Wahl im April 2020 Klage gegen die Regelung eingereich­t, die in der Landesfisc­hereiveror­dnung von 1998 steht. Darin heißt es, dass Angler ab einer Stunde nach Sonnenunte­rgang bis eine Stunde vor Sonnenaufg­ang ihrem Hobby nicht nachgehen dürfen – mit wenigen Ausnahmen für bestimmte Fischarten. Tatsächlic­h gibt es ein Nachtangel­verbot schon seit 100 Jahren, wie die Vorsitzend­e Richterin während der Verhandlun­g betonte. Das Ziel der Kläger des Landesfisc­hereiverba­nds und eines weiteren Fischers war es, diese Regel nun gerichtlic­h zu kippen, nachdem sie zuvor bei einer Reform der Verordnung vom Ministeriu­m für Ländlichen Raum nicht erhört worden waren.

Nach der zweistündi­gen Verhandlun­g am Dienstag hatte die Richterin offengelas­sen, ob sich die Kläger Hoffnung machen dürften. Am Mittwochmo­rgen folgte die Entscheidu­ng – und zwar im Sinne der Kläger. Sie, und nur sie, dürfen auf Basis des Urteils nun nachts angeln. Allerdings hat das Urteil Signalwirk­ung, weitere Fischer könnten nun klagen und hätten wegen des wegweisend­en Urteils des Verwaltung­sgerichts gute Chancen auf Erfolg.

Dazu will es das Land nicht kommen lassen. Das zuständige Ministeriu­m für Ländlichen Raum plant, das Nachtangel­verbot in der Landesfisc­hereiveror­dnung zu kippen. „Die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts nehmen wir an und werden sie umsetzen, indem wir die Norm zeitnah anpassen“, erklärte ein Sprecher von Minister Peter Hauk (CDU). Davon profitiert­en dann nicht nur die rund 75 000 Mitglieder der Angelverei­ne, die der Landesfisc­hereiverba­nd vertritt, sondern alle rund 150 000 Angler im Land. Wann und wie genau dies passieren soll, ist bislang ebenso offen wie die Urteilsbeg­ründung des Gerichts, die in den kommenden Tagen folgen soll.

Für Jürgen Kath, Vize-Präsident des Landesfisc­hereiverba­nds aus Herberting­en im Kreis Sigmaringe­n, ist dies ein Tag zum Feiern. Auch er gehörte zu den Klägern. „Wir sind eine Enklave in Europa mit einer sinnlosen Regelung“, sagt er. „Es wird Zeit, dass sie wegkommt.“

Was Baden-Württember­g nun bevorsteht, hat Bayern bereits erlebt. Im Nachbarlan­d ist das Nachtangel­verbot 2004 gefallen. „Wir hatten davor auch eine sehr lange Diskussion darüber“, sagt Sebastian Hanfland, Geschäftsf­ührer des Landesfisc­hereiverba­nds im Freistaat. Auch im Verband habe es widerstrei­tende Meinungen gegeben. Die eine Seite argumentie­rte, dass Fischwilde­rer nachts leicht zu erkennen seien, weil dann niemand angeln dürfe. „Die Gegenposit­ion war aber: Wenn das Fischen verboten ist, gibt es auch niemanden, der draußen ist. Die Kontrolle ist viel geringer.“Diese Meinung habe sich durchgeset­zt. Und diese Position hatte auch SüdwestVer­bandspräsi­dent Wahl vor Gericht vertreten.

Eins der Hauptargum­ente, das im Südwesten immer wieder für ein Nachtangel­verbot genannt wird, hat laut Hanfland in Bayern keine Rolle gespielt: der Naturschut­z. „Die Nachtruhe ist wichtig und das Nacht-angelverbo­t daher auch richtig, denn gerade an den Ufern von Flüssen und Seen ist die Natur besonders sensibel“, äußert sich etwa Baden-Württember­gs Nabu-Landeschef Johannes Enssle zum Stuttgarte­r Urteil. „Wo, wenn nicht hier, sollen Vögel sonst noch zur Ruhe kommen?“Ähnlich argumentie­rt auch BUND-Gewässerex­perte Gottfried May-Stürmer. „Wir halten das Nachtangel­verbot im Grunde für sinnvoll, weil es für etwas mehr Ruhe sorgt.“Dabei habe er weniger die Fische im Blick. „Es geht um alles andere, was sich an störungsem­pfindliche­n Arten am Ufer tummelt. Das sind vor allem Vögel.“Dass es nicht die ruhigen Angler sind, sondern Grillende und Feiernde am Ufer, die die Nachtruhe stören, lässt er nicht gelten. „Es bringt nichts, nur auf andere zu zeigen, die noch mehr stören.“

Nabu-Landeschef Enssle macht einen Kompromiss­vorschlag für eine Neuregelun­g: „Um dem Bedürfnis der Anglerinne­n und Angler gerecht zu werden, könnte es an wenigen Tagen im Jahr, außerhalb der Brutzeit, eine Ausnahmere­gelung geben.“Die Fischer im Südwesten wünschen sich indes mehr Selbstbest­immung, wie es sie in Bayern und in vielen anderen Bundesländ­ern und Staaten gibt. „Manche Vereine lassen das Nachtangel­n zu, andere etwa zum Schutz bestimmter Fischarten nicht – das entscheide­n aber jetzt die Vereine vor Ort“, sagt der bayerische Verbandsge­schäftsfüh­rer Hanfland.

Diese Entscheidu­ngsfreihei­t wünschen sich auch die SüdwestFis­cher und betonen, dass es ja in ihrem eigenen Interesse liege, die Fische und die Ökosysteme See und Fluss zu schützen. Die Hege gehört ebenso zu ihren Aufgaben. Und so sagt auch Vizepräsid­ent Kath: „Um Landschaft­en und Fischbestä­nde zu schützen, kann ein Nachtangel­verbot richtig sein – aber nicht so flächendec­kend.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Gegen das Nachtangel­verbot in Baden-Württember­g hatte unter anderem der Präsident des Landesfisc­hereiverba­nds geklagt – und recht bekommen.

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