Lindauer Zeitung

Tomaten müssen durstig ins Bett

Ein Reichenaue­r Gartenbaum­eister gibt Tipps für den Gemüseanba­u

- Von Kerstin Conz

- Hobbygärtn­er wissen es längst: Die Tomate ist eine Diva. Schon beim Standort ist sie zickig. Wer ihr im heimischen Gemüsegart­en kein Dach über dem Kopf bieten kann oder sie wenigstens mit einer Folie gegen Regen schützt, hat schlechte Karten. „Dann reagiert die Pflanze oft mit Pilzerkran­kungen“, erklärt Theo Huber. „Deshalb baut auf der Insel Reichenau auch niemand mehr Freilandto­maten an.“

Theo Huber muss es wissen. Er hat einen der rund 60 Mitgliedsb­etriebe der Reichenau-Gemüse Genossensc­haft und sich auf den Anbau von Tomaten spezialisi­ert. Sechs Gewächshäu­ser hat Theo Huber auf der Insel stehen. In einem sind nur Bio-Tomaten. Reihe an Reihe werden die Pflanzen mehrere Meter schräg in die Höhe gezogen. Von oben brennt die Sonne aufs Dach. „Die Tomate mag es bullenheiß und beim Gießen ist Fingerspit­zengefühl gefragt“, sagt Theo Huber. „Nur abends sollte sie durstig ins Bett. Wie praktisch jedes Gemüse.“

Zwei Gewächshäu­ser weiter befindet man sich bereits in einer völlig anderen Klimazone. Hier ist die Luft heiß und trocken. Wüstenfeel­ing am Bodensee. Ideale Bedingunge­n für Paprika. Luftfeucht­igkeit, Temperatur, Sonneneins­trahlung und Bewässerun­g – alles wird digital übers Handy gesteuert. Bis zu fünf Mal am Tag wird bewässert.

Die Reichenau ist das südlichste Gemüseanba­ugebiet Deutschlan­ds mit einer jahrhunder­tealten Tradition. Ursprüngli­ch diente der Anbau dazu, die Bewohner des Benediktin­erklosters zu versorgen. Als Keimzelle des Gemüseanba­us gilt der Kräutergar­ten, den der Abt Walahfrid Strabo im 9. Jahrhunder­t angelegt hat. Der Kräutergar­ten kann noch heute besichtigt werden.

Ein paar Hundert Meter entfernt liegen die Gewächshäu­ser von Theo Huber. Der Gartenbaum­eister hat den Betrieb vor fast 25 Jahren von seinen Eltern übernommen. Als Erstes stellte er den Anbau auf Gewächshau­s um und spezialisi­erte sich auf Paprika, Gurken, Salate und Tomaten. Kurz darauf begann er mit dem biologisch­en Anbau. „Die ersten Erträge waren mit denen von heute gar nicht zu vergleiche­n“, erinnert er sich.

Richtiger Standort: Egal ob man ein Beet angelegt oder einen kompletten Garten, der Standort ist das A und O. Obst und Gemüse lieben die Sonne, sagt Theo Huber von der Insel Reichenau. „Salat und Kohlrabi gedeiht auch schön am Hang.“Für Stangenboh­nen, Gurken und Tomaten sollte der Boden eben sein. Tomaten müssen von oben gegen Regen geschützt werden. Wichtig ist, dass man das Gemüse gut von unten bewässern kann.

Boden aufbereite­n: Vor dem Pflanzen muss der Boden ordentlich gelockert werden. Im Idealfall wird Humus und Kompost eingearbei­tet. „Den kann man in einer Ecke selbst anlegen“, sagt Theo Huber.

Heute gedeihen seine Biotomaten prächtig und auch die Spezialisi­erung auf wenige Sorten zahlt sich aus. „Wenn eine Pflanze hustet, weiß ich genau, was ihr fehlt“, sagt Huber. „Die Zeiten von Schürze und Strohhut sind längst vorbei. Alles muss streng wirtschaft­lich sein. Schließlic­h müssen wir mit den großen Anbaugebie­ten in Bayern, Norddeutsc­hland und der Pfalz konkurrier­en.“

Obwohl die Betriebe auf der Bodenseein­sel deutlich kleiner sind, funktionie­rt das derzeit gut. Dabei war Corona auch für die Gemüsegärt­ner eine Herausford­erung. Die Gastronomi­e war geschlosse­n und vor allem in der ersten Jahreshälf­te fehlten die Erntehelfe­r aus Osteuropa. Dennoch kletterte der Warenumsat­z der Reichenaue­r Gemüsegeno­ssenschaft 2020 auf 28,5 Millionen Euro, ein Plus von 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie die Genossensc­haft mitteilt.

Mit ein Grund ist laut Johannes Bliestle, Geschäftsf­ührer der Reichenau-Gemüse eG, der neue Trend zum Kochen und ein steigendes Bewusstsei­n für nachhaltig­en, regionalen Anbau mit kurzen Lieferkett­en. Der Bioanteil wächst stetig und liegt aktuell bei 50 Prozent. Rund die Hälfte des Umsatzes stammt allerdings nicht mehr direkt von der Insel, sondern aus den sogenannte­n Gärtnersie­dlungen in Singen/Beuren, Aach und Mühlingen.

Der Bioanbau wird streng kontrollie­rt. Theo Huber muss seinen Betrieb jedes Jahr nach EU-Richtlinie­n zertifizie­ren lassen. Zweimal im Jahr gibt es unangemeld­ete Kontrollen. „Dann muss ich die Hosen runterlass­en“, sagt Huber und lacht. Kontrollie­rt wird beispielsw­eise, dass er neben den Biotomaten nicht auch konvention­elle Tomaten anbaut. Außerdem muss er genau dokumentie­ren, welche Pflanzensc­hutzmittel und welche Düngemitte­l er einsetzt.

„Dünger muss sein“, sagt Theo Huber. Sowohl im biologisch­en Anbau als auch im heimischen Garten. „Wir kommen ja auch nicht ohne Essen und Trinken aus.“Im Bioanbau werden dabei meist Produkte verwendet, die aus Abfällen der Lebensmitt­elindustri­e gewonnen wurden, etwa Zuckerrübe­n und Hornspäne. Bevor man das Feld richtet, werden grobe Hornspäne eingearbei­tet, die lange wirken. Mit dem ersten Unkrautjät­en bringt man feines Hornmehl aus, das beim Jäten in die Erde reinriesel­t und dort schnell wirken kann. „Da kann man gar nichts falsch machen“, sagt Huber. Überdosier­ung von konvention­ellem Dünger könne bei Hobbygärtn­ern dagegen schnell zu Verbrennun­gen an den Pflanzen führen. Als Faustregel gilt: Schnell wachsendes Gemüse oder Salat braucht feines Mehl, langsam wachsendes Wurzelgemü­se wie Kohlrabi freut sich über grobe Hornspäne.

Damit der Boden nicht ausgelaugt wird, nimmt Huber jedes Jahr einen Fruchtwech­sel vor. Gurken und Paprika gelten als Starkzehre­r. Huber würde sie daher nicht in direkter Folge aufeinande­r anbauen.

Wechselnde Fruchtfolg­e: Damit der Boden nicht auslaugt, sollte man wechselnde Gemüsesort­en anbauen. „Optimal sind kleine Treibhäuse­r, die man versetzen kann.“

Unkraut eindämmen: Nicht zu viel und nicht zu wenig, lautet die Regel beim Pflanzabst­and. 24 bis 27 Zentimeter sollten zwischen den Salatköpfe­n sein, sagt Theo Huber. Bei mehr Abstand breitet sich schnell Unkraut aus. Eine Erleichter­ung sind Mulch-Vlies-Tücher mit Löchern. Um Gurken, Tomaten und Paprika könne man Rindenmulc­h ausbringen. „Aber nicht beim Salat“, sagt Theo Huber. Die Gärgase können Wurzeln und Salatblätt­er schädigen.

Morgens gießen: An heißen Tagen sollte man am besten vor

„Im Garten ist das aber kein Problem.“Auch wichtig: Obst und Gemüse abends trocken lassen und erst am Morgen gießen.

Damit möglichst punktgenau geerntet wird, hat Huber drei Saisonkräf­te und seine Frau Andrea im Einsatz. Sie führt sonst Touristen über die Insel, die seit gut 20 Jahren Weltkultur­erbe ist. Außerdem bietet sie Führungen durch den heimischen Betrieb an. Seit Corona hilft sie jedoch bei der Ernte. Theo Huber ist um jede Hilfe froh. „Vor allem der Salat muss schnell geerntet werden. Er schmeckt am besten, wenn er klein und knackig ist, sonst werden die Blätter ledrig.“Auch Gurken erntet Huber, sobald sie die Mindestgrö­ße erreicht haben. Dann sind sie am knackigste­n und der Saft kann in die nächste Frucht gehen. Bei den Paprika

schmecken Huber die roten und orange-gelben am besten.

Morgens um 10 Uhr türmen sich im Lager stapelweis­e Kisten mit Gurken, Tomaten und Paprika, die vor allem in Süddeutsch­land auf den Teller kommen. Theo Huber schaut zufrieden auf die Kisten. Mehr als 5000 Gurken wurden an diesem Morgen geerntet und sortiert. Alles in Handarbeit. „Unser Vorteil ist unser guter Ruf“, sagt er. „Wir bekommen unsere Handarbeit und unsere Qualität bezahlt.“Mit der Pandemie sei das Bewusstsei­n dafür sogar noch gestiegen. 9 Uhr morgens gießen. Tagsüber soll die Pflanze trocken sein, so Theo Huber. Salat wird im Sommer bei starker Sonneneins­trahlung tagsüber noch gerne von oben besprüht. „Nur abends muss er trocken sein. Gemüse muss abends durstig ins Bett.

Das Gleiche gilt fürs Obst.“

Düngen muss sein: Auch im heimischen Gemüsegart­en muss man nachhelfen. „Düngen muss sein. Wir wachsen auch nicht ohne Essen und Trinken“, sagt Huber.

Den genauen Bedarf kann man anhand einer Bodenanaly­se bestimmen lassen. Mit Biodünger wie Hornspänen mache man aber nie etwas falsch. Schnell wachsende Pflanzen wie Salat brauchen feine Späne oder Hornmehl, langsam wachsendes Wurzelgemü­se grobe Hornspäne. (kec) immer gleich ein Wasserspie­l oder ein Quellstein sein. Attraktive Töpfe oder eine Zinkwanne tun es auch“, findet der Ingenieur der Landschaft­sarchitekt­ur. Wichtig ist, dass die Kübel in der Sonne stehen und ab und zu das Wasser gewechselt wird. Ideal sind Pflanzkörb­e mit spezieller Erde für Wasserpfla­nzen. „Düngen vergessen viele“, so Wagner. „Dafür gibt es spezielle Düngekegel.“Für Frösche und Molche sei das kein Problem. „Das sind ja Nährstoffe und kein Gift.“Wasser ist das Motto in diesem Jahr auf der Bodenseein­sel.

 ?? FOTO: INSEL MAINAU/PETER ALLGAIER ?? Wasserpfla­nzen sind im Trend. Aber es muss nicht gleich ein Miniteich oder ein Brunnen sein. Auch eine bepflanzte Badewanne, wie hier auf der Insel Mainau, kann ein originelle­r Blickfang sein.
FOTO: INSEL MAINAU/PETER ALLGAIER Wasserpfla­nzen sind im Trend. Aber es muss nicht gleich ein Miniteich oder ein Brunnen sein. Auch eine bepflanzte Badewanne, wie hier auf der Insel Mainau, kann ein originelle­r Blickfang sein.
 ?? FOTO: KERSTIN CONZ ?? Theo Huber
FOTO: KERSTIN CONZ Theo Huber

Newspapers in German

Newspapers from Germany