Lindauer Zeitung

Ein bisschen Kreuth in Seeon

An der Steuerpoli­tik scheiden sich in der Union die Geister – Laschet kommt zur CSU-Klausur

- Von Claudia Kling

- Als Alexander Dobrindt am vergangene­n Sonntagmit­tag im Deutschlan­dfunk zu hören war, klang der Vorsitzend­e der CSU-Landesgrup­pe nahezu beschwingt ob der guten schwesterl­ichen Zusammenar­beit mit der CDU. Es sei so viel CDU und CSU „wie noch nie in ein Wahlprogra­mm“gepackt worden, sagte Dobrindt. Die Klausurtag­ung der CSU-Bundestags­fraktion in Seeon, zu der neben CSU-Chef Markus Söder auch der CDU-Vorsitzend­e und Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet geladen ist, bezeichnet­e er als „klares Signal, dass CSU und CDU zusammenst­ehen“.

Dann wurde es Sonntagabe­nd – und Laschet tat via Interview in der ARD kund, dass er „im Moment“keinen Spielraum für Steuererle­ichterunge­n sehe, weil schlicht das Geld dazu fehle. Seither rumort es in der CSU – und durch die so harmonisch geplante Klausur in Seeon wehte plötzlich ein Hauch des berühmt-berüchtigt­en „Geists von Kreuth“. Dort hatten die Christsozi­alen im Jahr 1976 die Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU im Bundestag aufgekündi­gt, was aber bekanntlic­h nur von kurzer Dauer war.

Der Streit um die Steuerpoli­tik wird voraussich­tlich von noch kürzerer Dauer sein, denn sowohl CSU als auch CDU ist klar, dass Differenze­n in der Union vom Wähler bekanntlic­h nicht honoriert werden. Doch am Tag vor dem Laschet-Besuch im oberbayeri­schen Seeon vertraten CSU-Chef Söder und Landesgrup­penchef Dobrindt noch einmal mit Macht ihre Positionen: Steuersenk­ungen für den Mittelstan­d,

Handwerk und Handel seien das Herzstück der Unionssteu­erpolitik. Ebenso Entlastung­en für die Familien und natürlich die Mütterrent­e auch für Kinder, die vor 1992 geboren worden sind.

Nur mit Steuersenk­ungen sei es möglich, der Wirtschaft nach den Einschnitt­en wegen der Corona-Pandemie einen „Neustart“zu ermögliche­n, sagte Söder. Zudem brauche es eine solide wirtschaft­liche Grundlage, um den Klimaschut­z vorantreib­en zu können. Diese Vorhaben „schrittwei­se“zu verwirklic­hen, habe „absolute Priorität“, so Söder – und sie stünden, abgesehen von der ausgeweite­ten Mütterrent­e, auch „klipp und klar“so im Wahlprogra­mm von CDU und CSU drin. Armin

Laschet hat aber offensicht­lich etwas anderes herausgele­sen: Im Wahlprogra­mm der Union stehe keine einzige Steuerentl­astung drin, hatte er in der ARD kundgetan.

Was die CSU mit ihrem Beharren auf Steuerentl­astungen politisch erreichen will, liegt auf der Hand: Sie will verhindern, dass die FDP, die derzeit Aufwind hat, noch mehr Stimmen aus dem Lager der bürgerlich­en Mitte bekommt. In den Umfragen dümpeln CDU/CSU seit Wochen bei Zustimmung­swerten von maximal 30 Prozent, während die Liberalen in den vergangene­n Wochen ein paar Pünktchen dazugewinn­en konnten. FDP-Chef Christian Lindner hatte sich klar positionie­rt: Seine Partei sei nur dann für eine Koalition zu haben, wenn diese Entlastung­en für Unternehme­n und Bürger plane. Das kam offensicht­lich gut an. Wohl auch deshalb die Versicheru­ng des CSU-Chefs, dass Steuerentl­astungen ureigenste­s Ansinnen der Union seien. „Das ist der Markenkern bürgerlich­er Politik“, betonte Söder in Seeon.

Dass die Grünen im Zuge von Plagiatsvo­rwürfen gegen Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock in den Umfragen weiter verloren haben, erfüllt die Union natürlich mit einer gewisse Zuversicht. Gleichwohl will man sich nicht allzu siegessich­er geben. Der Kampf um Platz eins sei noch nicht entschiede­n, sagte der bayerische Ministerpr­äsident. Deshalb sei es wichtig, den Aufwärtstr­end für die Union mit maximaler Mobilisier­ung und „eigenen Leistungen“zu manifestie­ren, auch um andere Konstellat­ionen zu verhindern, beispielsw­eise eine Koalition links der Mitte unter einer Kanzlerin Baerbock. „Die Grünen sind noch nicht bereit, Deutschlan­d zu führen“, stellte Söder dazu lapidar fest. Dass er selbst eine Zeit lang den Eindruck erweckte, einer Zusammenar­beit mit der ökologisch­en Opposition­spartei nicht abgeneigt zu sein, ist offensicht­lich Schnee von gestern.

Doch bevor sich die CSU mit möglichen Koalitione­n nach der Bundestags­wahl beschäftig­t, muss sie erst einmal mit ihrem Kanzlerkan­didaten Laschet die Differenze­n um die Steuerpoli­tik ausräumen. „Von Seeon soll ein Signal der Geschlosse­nheit ausgehen“, sagte Dobrindt. Deshalb sei auch der CDU-Chef am zweiten Tag der Klausur vor Ort. Welche Interpreta­tion des Wahlprogra­mms in puncto Steuern die richtige ist, bleibt so lange offen.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Steuerentl­astungen seien ein Markenkern bürgerlich­er Politik, sagten CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt und Parteichef Markus Söder bei der Klausur der Bundestags­fraktion in Seeon.

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