Neustart nach Trump
Angela Merkel auf Abschiedsbesuch in den USA
(dpa) - Viel Wehmut wird sich Angela Merkel (CDU) kaum anmerken lassen, wenn sie am Donnerstag vom neuen USPräsidenten Joe Biden empfangen wird. Es dürfte zwar ihr Abschiedsbesuch als Kanzlerin in Washington sein, denn bei der Bundestagswahl Ende September tritt Merkel nicht mehr an. Doch auf der Tagesordnung stehen zu viele wichtige Themen, als dass sich die für ihre Nüchternheit bekannte Kanzlerin gegen Ende ihrer Amtszeit doch noch so etwas wie Gefühlsduselei erlauben dürfte.
Der Blick von Merkel und Biden dürfte nach vorne gerichtet und optimistisch sein, wenn die Kanzlerin erstmals seit drei Jahren wieder im Weißen Haus empfangen wird. Nach den schwierigen Jahren mit BidenVorgänger Donald Trump soll der Besuch einen deutsch-amerikanischen Neuanfang markieren, selbst wenn der Umgang mit manch schwierigem Thema nicht wirklich leichter geworden ist: etwa der Umgang mit China, der Streit um Zölle oder die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO.
Es ist auch ein Treffen zwischen alten Bekannten: Merkel und Biden kennen sich gut aus der Zeit des Amerikaners als Vizepräsident von Trump-Vorgänger Barack Obama. Der erst seit Januar amtierende Präsident und die langjährige Kanzlerin wirkten schon vor der Reise fest entschlossen, vor allem die neuen alten transatlantischen Gemeinsamkeiten herausstreichen zu wollen. Der Neustart hat längst begonnen. Im vergangenen Monat trafen sich Merkel und
Biden beim G7-Gipfel im englischen Cornwall erstmals seit Bidens Amtsantritt persönlich – vorher gab es nur Telefonate und Videoschalten. Es seien „sehr gute, konstruktive und auch sehr lebendige Diskussionen“gewesen, sagte Merkel im Anschluss. Auch wenn sie Trump nicht namentlich nannte, durfte das als Seitenhieb auf den Ex-Präsidenten und dessen nicht gerade als konstruktiv bekannten Politikstil verstanden werden. Biden schrieb nach dem Treffen begeistert auf Twitter: „Die Verbindungen zwischen unseren beiden Nationen sind stärker als je zuvor.“
Der große Bahnhof, den Biden Merkel nun bereitet, zeigt, wie sehr er die Kanzlerin schätzt – und wie wichtig ihm gute Beziehungen zu Deutschland sind. Nach den üblichen Gesprächen – zuerst im ganz kleinen Kreis, dann gemeinsam mit den Delegationen – und einer Pressekonferenz richten der Präsident und First Lady Jill Biden im Weißen Haus ein Abendessen zu Ehren der Kanzlerin aus, auch Merkels Ehemann Joachim Sauer wird teilnehmen. Ein Treffen Merkels mit Vizepräsidentin Kamala Harris soll ebenfalls geplant sein.
Schon bald nach seiner Amtseinführung sandte Biden Signale der Versöhnung nach Berlin. So legte er den von Trump angeordneten Abzug von US-Truppen aus Deutschland auf Eis. Er verzichtete auch auf weitgehende Sanktionen gegen die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2. Solche Strafmaßnahmen hätten „die US-Beziehungen mit Deutschland, der EU und anderen europäischen Verbündeten und Partnern“negativ beeinflusst, hieß es zur Begründung.