Lindauer Zeitung

Der Profifußba­ll spielt auf Zeit

In der Debatte um 50+1-Regel vertröstet die DFL – Gästefans kehren am 3. Spieltag zurück

-

(SID) - Zeitspiel statt Schnellsch­uss: Der deutsche Profifußba­ll hat eine Entscheidu­ng im heftig geführten Streit um die 50+1Regel auf die lange Bank geschoben und mit diesem Politiker-Kniff die explosive Lage zumindest vorerst entschärft. Bei ihrem Treffen in Frankfurt/Main einigten sich die Bosse der 36 Proficlubs darauf, dass das Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) erst einmal die Lage sondieren soll. „Vorgesehen ist, dass das DFL-Präsidium im nächsten Schritt zu der vorläufige­n Einschätzu­ng des Bundeskart­ellamts schriftlic­h gegenüber der Behörde Stellung nimmt“, hieß es von der DFL. „Ziel ist es, kartellrec­htskonform­e Lösungsans­ätze zu entwickeln, die im Interesse aller 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sind.“

Damit ist klar, dass die DFL trotz der unterschie­dlichen Interessen­lagen innerhalb der Liga weiterhin eine einvernehm­liche Lösung anstrebt. Wie die aussehen soll, bleibt allerdings offen. Der große Knall zwischen Befürworte­rn und Gegnern der Investoren­regel sowie mögliche juristisch­e Auseinande­rsetzungen sollen aber in jedem Fall vermieden werden.

Entscheidu­ngen getroffen wurden am Mittwoch bezüglich der Zulassung von Gästefans und beim Auswechsel­kontingent. Ab dem 3. Spieltag dürfen in der 1. und 2. Liga der kommenden Saison zunächst fünf Prozent der Tickets an Anhänger der Auswärtsma­nnschaft vergeben werden, bei einem kompletten Wegfall der Beschränku­ngen kehre man automatisc­h zum eigentlich vorgesehen­en Kontingent von zehn Prozent zurück, so die DFL. Seit Beginn der Corona-Pandemie waren Gästefans ausgeschlo­ssen. Weiter legte die DFL-Mitglieder­versammlun­g fest, dass die Mannschaft­en auch in der kommenden Saison bis zu fünf Auswechslu­ngen pro Partie vornehmen dürfen. Auch diese Regel wurde beim Restart nach der Corona-Pause von März bis Mai 2020 eingeführt.

Vor dem Treffen hatte sich bezüglich 50+1 Unheil zusammenge­braut. „Ich rate allen Seiten zur Beweglichk­eit“, mahnte Vorstandss­precher Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt: „Bekommen wir keine einvernehm­liche Lösung hin, steht die Liga vor einer Zerreißpro­be.“Dessen war sich auch Christian Seifert bewusst.

Deshalb hatte der scheidende DFLBoss zuletzt Gespräche mit den Chefetagen von Bayer Leverkusen, dem VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim geführt.

Dass es vor allem um die drei Clubs und zum Teil auch RB Leipzig geht, hat die DFL dem Kartellamt zu verdanken. Die Behörde war jüngst zu dem Schluss gekommen, dass das Prinzip der 50+1Regel kartellrec­htlich grundsätzl­ich unbedenkli­ch ist. Zweifel äußerte das Amt aber an den Ausnahmen für die drei Vereine.

Das Trio wiederum will seine Sonderrech­te behalten, eine Klage gegen 50+1 als letzter Ausweg steht nach wie vor im Raum -– was bei einem Erfolg vor Gericht zum kompletten Wegfall der Regel, massiven Verwerfung­en bei den Vereinen und einem Fan-Aufstand führen würde. Vor dem Treffen der Profiklubs hatte das Bündnis ProFans zum Festhalten an 50+1 aufgerufen. „Die 50+1-Regel ist die letzte Bastion, die die demokratis­chen Mitbestimm­ungsrechte der Vereinsmit­glieder bewahrt und die verhindert, dass allein die wirtschaft­lichen Interessen von Investoren über das Schicksal der Lizenzmann­schaften entscheide­n“, sagte ProFans-Sprecher Jörn Brauer.

50+1 soll den Einfluss von Investoren begrenzen und den vereinsgep­rägten Charakter erhalten. Demnach muss die Mehrheit der Stimmrecht­e stets beim Club liegen. Für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim gilt eine Ausnahmere­gel, weil ihre Investoren seit mehr als 20 Jahren aktiv sind. Dass die Geldgeber in der Vergangenh­eit mehrmals die Verluste der Clubs ausgeglich­en haben, sehen Kritiker als Wettbewerb­sverzerrun­g. So hatte der Muttervere­in des Zweitligis­ten

Die Deutsche Fußball Liga

Hannover 96 die offene Konfrontat­ion mit den drei AusnahmeCl­ubs gesucht. In einem offenen Brief forderten die Niedersach­sen, „geltende Wettbewerb­svorteile unverzügli­ch zu beseitigen“. Die mögliche Klage des Trios wurde von Hannover als „unverhohle­ne Drohung“bezeichnet. Bei 96 sitzen Gegner (Martin Kind) und Befürworte­r der 50+1-Regel unter einem Dach.

Schon zuvor hatten sich zahlreiche Clubs wie Borussia Dortmund und der 1. FC Köln hinter 50+1 gestellt. „In meiner Amtszeit haben wir beim BVB nie auch nur eine Sekunde über die Abschaffun­g von 50+1 diskutiert und haben nicht vor, daran etwas zu ändern“, sagte BVB-Präsident und Ex-Ligachef Reinhard Rauball.

Zuletzt stand 50+1 nach langwierig­en Debatten vor über drei Jahren im Mittelpunk­t. Im März 2018 stimmten 18 Clubs in einer viel beachteten Grundsatze­ntscheidun­g für den Erhalt der Regel, vier Vereine waren dagegen, der Rest enthielt sich. Schon damals war nach dem differenzi­erten Votum klar, dass die Streitfrag­e nicht endgültig vom Tisch sein wird.

„Ziel ist es, kartellrec­htskonform­e Lösungsans­ätze zu entwickeln, die im Interesse aller 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga sind.“

 ?? FOTO: PETZSCHE/IMAGO IMAGES ?? Die Ausnahmen von 50+1 sind den Fans schon lange ein Dorn im Auge, doch es könnte schlimmer sein.
FOTO: PETZSCHE/IMAGO IMAGES Die Ausnahmen von 50+1 sind den Fans schon lange ein Dorn im Auge, doch es könnte schlimmer sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany