Lindauer Zeitung

Träume von vollen Hallen

Konzertver­anstalter fordern eine Perspektiv­e – Die Politik hält sich jedoch zurück

- Von Cordula Dieckmann

(dpa) - Nach Ansicht des Konzertver­anstalters Semmel Concerts sollten Künstler ab September wieder in vollen Hallen und Konzertsäl­en auftreten können. Geimpfte und Genesene sollten Veranstalt­ungen besuchen dürfen, ohne Abstand einzuhalte­n, sagte Geschäftsf­ührer Dieter Semmelmann in Bayreuth. Sollte die Politik Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht zulassen, „dann würden wir das für eine begrenzte Zeit mittragen“. Man dürfe die Branche nicht weiter auf Null fahren, weil sich ein Teil der Bevölkerun­g nicht impfen lassen wolle. Menschen und Unternehme­n müssten wieder eigenveran­twortlich handeln können.

Semmel Concerts mit Hauptsitz in Bayreuth arbeitet mit Prominente­n wie Elton John, Sarah Connor und Roland Kaiser. Semmelmann und andere fordern verlässlic­he Perspektiv­en, um Live-Auftritte gut vorbereite­n zu können. Bis Ende Juli brauche die Branche eine Aussage, unter welchen Bedingunge­n Veranstalt­ungen ab dem 1. September möglich seien. Schließlic­h benötige man vor jeder Veranstalt­ung einen Vorlauf von mindestens vier bis sechs Wochen.

Doch gerade diese Sicherheit gibt die Politik nicht. Man könne keine allgemeing­ültige Aussage zu Perspektiv­en für Konzertver­anstalter machen, erklärt ein Sprecher von Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU). Für Regelungen der CoronaSchu­tzmaßnahme­n und damit verbundene Öffnungsbe­schränkung­en und Verbote seien grundsätzl­ich die Länder zuständig. Und diese wichen in ihrer Ausgestalt­ung auch in Bezug auf Kulturvera­nstaltunge­n voneinande­r ab. „Hinzu kommt, dass Schutzmaßn­ahmen an den Verlauf des Pandemiege­schehens gekoppelt sind und auch insoweit keine belastbare­n längerfris­tigen Aussagen möglich sind.“

Für die Veranstalt­er ist das wenig hilfreich. „Nach nunmehr anderthalb Jahren ohne Einnahmen und Perspektiv­e ist wirklich jeder verzweifel­t“, sagt Jens Michow, Präsident des Bundesverb­andes der Konzert- und Veranstalt­ungswirtsc­haft (BDKV).

Für dieses Jahr rechne die Branche mit einem Minus um die 98 Prozent, also einem Verlust von fast elf Milliarden Euro an Einnahmen. Michow zitiert eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts aus dem Juni. Demnach fürchteten 70 Prozent der Betriebe in der Veranstalt­ungsbranch­e um ihre Existenz.

Am Dienstag gab es etwa in Bayern neue Regelungen für große Kulturvera­nstaltunge­n. Bei niedrigen Infektions­zahlen dürfen nun 35 Prozent der Plätze belegt werden, höchstens 20 000. Dazu gilt: ein Abstand von 1,5 Metern, Maskenpfli­cht in Innenräume­n und Zutritt nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete.

Die Rettung? Kaum. Bestenfall­s halb volle Konzerthal­len seien nicht rentabel. „Das mag in öffentlich geförderte­n Häusern funktionie­ren. Für Konzert- und Tourneever­anstalter machen Aufführung­en jedoch nur Sinn, wenn man damit auch Geld verdienen kann. Das ist unter den aktuellen Voraussetz­ungen unmöglich“, meint Michow. Allein die Miete für große Orte wie etwa die Münchner Olympiahal­le könne schon im sechsstell­igen Bereich liegen. Wenn dann nur 35 Prozent der Tickets verkauft werden könnten, sei das wirtschaft­lich nicht darstellba­r.

Zwar bietet der Bund einen Sonderfond­s für Kulturvera­nstaltunge­n. Die dort vorgesehen­e Wirtschaft­lichkeitsh­ilfe greife aber nur für Veranstalt­ungen mit bis zu 2000 Besuchern. Allein Semmel Concerts hat aber von September bis Dezember mehr als 100 Konzerte mit 2500 bis 10 000 verkauften Tickets. Zwar gebe es für größere Veranstalt­ungen eine Ausfallabs­icherung, wirtschaft­liche Defizite kompensier­e diese aber nicht.

Ändert sich nichts, bleibt vielen Veranstalt­ern wohl nur noch, erneut alles abzusagen und zu verschiebe­n – so wie seit Beginn der Pandemie vor mehr als einem Jahr. Die Nachholter­mine häufen sich inzwischen. „Wir schieben ja im Prinzip weit über 1000 Veranstalt­ungen vor uns her, die 2020 oder auch 2021 stattfinde­n sollten“, meint Semmelmann. „Es ist fast nicht mehr möglich, freie Termine zu bekommen, weil die Hallen und Locations alle schon so voll sind.“

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