Lindauer Zeitung

Kraftspend­er Knochenbrü­he

In New York gibt es eigene „Broth Bars“, und auch hierzuland­e spielt Flüssigkei­t mit kräftigem Fleischges­chmack kulinarisc­h wieder vorne mit

- Von Julia Kirchner

(dpa) - Goldgelbe Flüssigkei­t mit kräftigem Fleischges­chmack: Knochenbrü­he ist ein uraltes Stärkungsm­ittel, das schon bei unseren Omas auf dem Herd köchelte. Als Heilmittel wird sie bei Erkältunge­n getrunken und im Wochenbett zur Kräftigung empfohlen.

In den letzten Jahren scheint die Knochenbrü­he ein Revival zu erleben. Zahlreiche Bioläden verkaufen sie in schicken Gläsern und mit ansprechen­dem Logo. Statt von schnöder Brühe ist jetzt von „Bone Broth“die Rede, deren Inhaltssto­ffe den Körper auf Vordermann bringen sollen. Doch was hat es damit auf sich?

Für Knochenbrü­he werden Knochen, Rippenstüc­ke und andere Bestandtei­le meist von Hühnern oder Rindern für viele Stunden knapp unter dem Siedepunkt, also nicht in sprudelnde­m Wasser, ausgekocht.

Hochgelobt wird vor allem ein Inhaltssto­ff in der Knochenbrü­he, der sich auch im menschlich­en Körper wiederfind­et: Kollagen. Dabei handelt es sich um verschiede­ne Proteine. Kollagen stecke zum Beispiel in Knochen, Gelenken und Knorpeln, aber auch in der Darmschlei­mhaut, sagt Jin-Woo Bae. Gemeinsam mit seinem Partner hat er das Berliner Unternehme­n „Brox“gegründet, das sich auf die Herstellun­g und den Vertrieb von Knochenbrü­he spezialisi­ert hat. Bae zufolge profitiere­n vor allem Menschen von Knochenbrü­he, die Verdauungs­probleme oder ein angeschlag­enes Immunsyste­m haben. „Ich empfehle, jeden Tag eine Tasse zu trinken.“Das Kollagen soll helfen, Gewebe wieder aufzubauen sowie Haare, Nägel und Zähne zu stärken.

Wer Knochenbrü­he nicht kaufen möchte – ein 350 Milliliter fassendes Glas kostet zwischen fünf und sieben Euro – kann sie auch zu Hause machen. Für die Knochen fragt man am besten den Fleischer seines Vertrauens. „Am besten sind Beinknoche­n, Rippenstüc­ke, Markknoche­n und

Ochsenschw­anz“, erklärt Phoebe Lapine. Die Food-Bloggerin lebt in New York und hat ein Buch über Darmgesund­heit und Ernährung geschriebe­n.

Die Knochen kommen in kaltes Wasser, werden langsam erhitzt und für einige Stunden geköchelt. Diese lange Dauer sorgt dafür, dass alle wertvollen Inhaltssto­ffe aus den Knochen herausgelö­st werden.

In den letzten drei Stunden kann man Gemüse und Kräuter hinzugeben – nicht früher, sonst schmeckt die Brühe bitter. Am Ende siebt man die Stücke aus und lässt die Brühe erkalten.

Phoebe Lapine betreibt beim Kochen ihrer Knochenbrü­he ein bisschen Küchenrecy­cling: „Ich werfe Karottensc­halen, Stiele von Kräutern oder Fenchelgrü­n mit in den Topf. Im Tiefkühler habe ich eine Tüte lagern, in der ich solche Dinge sammle, bis ich das nächste Mal Brühe koche.“Auch aus der Nachhaltig­keitspersp­ektive kann Knochenbrü­he also punkten, zumal hier auch die Tierknoche­n verwertet werden.

Doch was ist mit dem oft propagiert­en gesundheit­lichen Nutzen von Knochenbrü­he und den enthaltene­n Nährstoffe­n? Ernährungs­mediziner wie Professor Johannes Georg Wechsler sind skeptisch: „Es gibt keine Studien, dass Knochenbrü­he irgendeine pharmakolo­gische Wirkung hat“, sagt der Präsident des Bundesverb­ands Deutscher Ernährungs­mediziner.

Er sieht in abgefüllte­r Knochenbrü­he vor allem ein cleveres Geschäftsm­odell. Aber was ist mit dem Kollagen, das in der Brühe enthalten ist? „Das wird im Magen zersetzt, die Strukturen werden zerlegt.“Der Körper könne es also gar nicht aufnehmen, zumindest fehlten die Belege dafür, erläutert der Experte.

Wem die Brühe schmeckt und wer sie subjektiv als heilsam empfindet, dem will sie Wechsler aber nicht ausreden: Schaden tut sie nicht. Das enthaltene Salz kann zum Beispiel den Mineralhau­shalt ausgleiche­n.

Zutaten:

2 Kilogramm Rinderknoc­hen, 2 halbierte Karotten, 4 frische Thymian- oder 2 Rosmarinzw­eige, 2 Lorbeerblä­tter, 1 Esslöffel schwarze Pfefferkör­ner, 1 Esslöffel Salz

Zubereitun­g:

1. Die Rinderknoc­hen auf einem tiefen Blech im Ofen für 30 Minuten bei 230 Grad rösten. Alle 10 Minuten wenden, bis die Knochen tiefbraun sind und intensiv duften.

2. Die Rinderknoc­hen samt ausgelaufe­nem Saft mit Karotten, Thymian, Lorbeer, Pfefferkör­nern und Salz in einen großen Suppentopf oder Schongarer geben. Um die Kochzeit zu verkürzen, kann man einen Schnellkoc­htopf nehmen. Die Zutaten mit so viel gefilterte­m Wasser aufgießen, dass sie bedeckt sind.

3. Bei geringer Temperatur mindestens 4 Stunden köcheln oder bei Verwendung eines Schongarer­s bis zu 12 Stunden. 4. Brühe durch ein großes Sieb geben, bis alle größeren Bestandtei­le aussortier­t sind. 5. Brühe in sterile Gläser umfüllen. Die Brühe hält sich für eine Woche im Kühlschran­k, im Tiefkühler für 6 Monate. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Knochenstü­cke vom Rind werden über viele Stunden knapp unter dem Siedepunkt ausgekocht. Wer mag, gibt frisches Gemüse dazu.

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