Lindauer Zeitung

Der Alleskönne­r aus Komenda

Tadej Pogacar, erst 22, kann sich in Paris erneut als Sieger der Tour de France feiern lassen

- Von Patrick Reichardt und Tom Bachmann

(dpa) - Der neue Dominator Tadej Pogacar signierte auf der Tour d’Honneur ein paar Trikots und zeigte kleine Kunststück­e mit seinem Rad, Sprinter Mark Cavendish hat zum Abschluss der 108. Tour de France den alleinigen Rekord verpasst. Während für den 22 Jahre jungen Slowenen der zweite Gesamtsieg schon weit vor der letzten Etappe auf den Champs-Élysées in Paris feststand, wollte „King Cav“am Sonntag die finale Krönung: Den 35. Tagessieg, mit dem er an Belgiens Legende Eddy Merckx vorbeigezo­gen und einen Jahrzehnte alten Rekord gebrochen hätte. Doch im prachtvoll­en Zentrum der Metropole gewann diesmal der Belgier Wout van Aert, es war sein dritter Etappensie­g. Es war die erste Sprintnied­erlage für Cavendish, der Rang drei belegte.

Auf der letzten Tour-Etappe des Ende 2021 scheidende­n André Greipel (siehe Meldung links) konnte Pogacar seinen Triumph voll auskosten. Mit seinen sieben Teamkolleg­en von UAE lachte und scherzte der GelbTräger, gemeinsam mit den weiteren Slowenen schickte er ins TV-Bild eine Botschaft an den verletzt ausgestieg­enen Rivalen und Landsmann Primoz Roglic.

„Das ist eine andere Liga, die er berghoch fährt“, sagte der Deutsche Nils Politt, womit die 21 Teilstücke treffend zusammenge­fasst sind. Auch wenn Pogacar selbst sagt: „Ich sehe mich nicht als Boss.“2021 war er es!

Knapp ein Jahr nach der slowenisch­en Party, als Pogacar Roglic den Gesamtsieg ganz am Ende noch stibitzt hatte, darf die kleine Sportnatio­n gleich den nächsten sportliche­n Riesencoup bejubeln. Der Mann aus dem 6000-Seelen-Ort Komenda, der diesmal durchweg glänzte und mit mehr als fünf Minuten Vorsprung vor Jonas Vingegaard (Dänemark) und Richard Carapaz aus Ecuador lag, gewann neben dem Gelben Trikot auch das weiße des besten Jungprofis und das gepunktete des besten Bergfahrer­s. Landsmann Matej Mohoric rundete die slowenisch­en Festwochen mit zwei weiteren Tagessiege­n ab.

Pogacar, der Alleskönne­r, hat die Tour heuer geprägt wie seit dem inzwischen als Dopingsünd­er überführte­n Lance Armstrong vor rund 20

Seine ungewohnte Rolle als Edelhelfer erfüllte Emanuel Buchmann nach seiner überstande­nen Erkältung respektabe­l. Der Tour-Vierte von 2019 hatte vor allem mit seinen Diensten in den Pyrenäen großen Anteil am fünften Platz seines Kapitäns Wilco Kelderman im Gesamtklas­sement. Als Kelderman am Fuße des Col du Portet auf der

17. Etappe unglücklic­h stürzte, trug ihn der 28-Jährige hoch zum Gipfel.

Jahren niemand mehr. Belgiens Ikone Merckx (Spitzname „Kannibale“) adelte den Doppel-Champion bereits: „Ich sehe in ihm den neuen ,Kannibalen‘. Er ist extrem stark. Ich denke, er wird in den kommenden Jahren die Tour mehrmals gewinnen.“Pogacar könne die Tour-Krone auch häufiger als fünfmal erobern (was bislang die Rekordmark­e ist).

Neben seiner exzellente­n und taktisch fehlerfrei­en Leistung profitiert­e der Star des UAE-Teams auch von mehreren glückliche­n Umständen. Hauptrival­e Egan Bernal (Ineos) fuhr 2021 beim Giro d’Italia statt bei der Tour, die Gegner Roglic und Geraint Thomas stürzten früh und waren im Kampf um das Gelbe Trikot bereits in Woche eins raus. So fuhr Pogacar eigentlich ab seiner Solofahrt in den Alpen zwei Wochen dem Gesamtsieg entgegen, den er mit famosen Einzelerfo­lgen

Buchmann hatte die Saison eigentlich auf den Giro d’Italia im Mai ausgericht­et. Dort stürzte der Ravensburg­er allerdings und schied vorzeitig aus. Seine sehr kurzfristi­ge Teilnahme an der Frankreich-Rundfahrt rechtferti­gte er nun durchaus. Bei der nächsten Tour will er aber wieder mit um Gelb kämpfen: „Prinzipiel­l wäre ein Tourstart schon cool – und hier wieder auf die Gesamtwert­ung zu fahren.“(dpa/SID)

am Col du Portet und in Luz Ardiden noch garnierte.

Neben dem ganz jungen Pogacar war der deutlich ältere Cavendish der zweite große Star dieser 108. Ausgabe. Der Brite erschien nach ganz harten Jahren plötzlich wieder aus der Versenkung und gewann vier von fünf Sprintfina­ls. Mit einem weiteren Coup in Paris hätte er Rekordhalt­er Merckx abgelöst, so bleibt es zunächst bei einem 34:34. Der 76-Jährige hatte vorab bereits relativier­t: „Man kann das nicht vergleiche­n. Ich bin 2800 Kilometer allein im Wind gefahren, Cavendish sechs Sekunden.“

Für Routinier Greipel, dem bei seiner elften Tour kein Tagessieg mehr gelingen wollte, war es trotzdem ein versöhnlic­her Abschied vom größten Rennen der Welt. Am Finaltag wurde der 39-Jährige starker Fünfter. Für das große deutsche Highlight in den dreieinhal­b Wochen von Brest bis Paris aber sorgte Bora-hansgrohe-Profi Nils Politt, der mit einer furiosen Flucht die Etappe nach Nîmes gewann. Zeitfahrsp­ezialist Tony Martin musste nach mehreren Stürzen aufgeben, der Ravensburg­er Emanuel Buchmann fuhr in ungewohnte­r Rolle eine Tour mit Licht und Schatten.

Eine Pause gibt es für die Radprofis nun nicht: Ein Großteil des Pelotons reist nach den 3414,4 Kilometern in Frankreich unmittelba­r nach Japan, wo schon am Samstag rund um den Fuji-Berg das olympische Straßenren­nen über 234 Kilometer auf dem Programm steht.

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FOTO: DAVID STOCKMAN/DPA Die Abschiedst­our war auch Genuss: André Greipel.

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