Sehnsucht nach einer besseren Welt
Friedrich Hechelmanns neuer Märchenroman „Panthea“– Original-Illustrationen sind im Isnyer Schloss zu sehen
- „Omnia vincit amor“steht als Leitspruch über dem ersten Kapitel des neuen Buches „Panthea“von Friedrich Hechelmann. Und das letzte endet mit dem Satz: Die Liebe besiegt alles. Das sagt schon einiges aus über diesen – laut Verlag – „fantastischen Märchenroman“, mit dem der Isnyer Künstler seine 2017 begonnene Trilogie abgeschlossen hat. Hirnlose Fantasy-Dutzendware, wie andauernd auf den Markt geschwemmt, muss man nicht befürchten. Stattdessen beweist der seit Jahrzehnten hochgeschätzte Protagonist des Phantastischen Realismus, dass die von seinen Bildern her gewohnte enorme Imaginationskraft, gekoppelt mit seiner zutiefst humanen Weltsicht, auch beim Erzählen zum Tragen kommt.
Mit „Manolito“legte er seinen ersten Roman vor, dann folgte „Livia“, und nun schließt „Panthea“die Reihe ab. Zum Schreiben kam Hechelmann
durch widrige Umstände. Zunächst musste er den Tod seines Lebensgefährten verkraften, dann kam eine bedrohliche Krankheit hinzu, und unter diesem Leidensdruck begriff er das Verfassen von Texten als eine hilfreiche Herausforderung. Es habe ihm neue Tore geöffnet, bekennt der heute 73-Jährige, und der Erzählstrom sei dann wie selbstverständlich geflossen.
Der Aufbruch in ein gelobtes Land ist nun wahrlich kein neuer Topos in der Literatur. Aber die kleine Truppe, die sich auf den Weg ins Land Panthea macht, sprengt dann doch den herkömmlichen Rahmen. Als da sind die weise Elfe Livia, die rundliche Amme Alma, der langnasige Zwerg Roderich, das Pferd Flavio mit seinem Silberschweif, die Ziege Zita und der Spatz Kuno. Was sie eint, ist das Vertriebenenschicksal. Das ehedem lebenswerte Reich von Samarna ist – so die Vorgeschichte aus „Livia“– in die Hände von niederträchtigen Fabelwesen wie der Gräfin Sinklau und dem Zwergenkönig Ingrimm gefallen, und der Elfe mit ihren Gefährten bleibt nur die Flucht.
Wie sie sich dann, verfolgt von den beiden Scheusalen, über einen Parcours der Widrigkeiten auf wundersame Weise bis zu ihrem verheißungsvollen Traumziel Panthea durchschlagen, ist primär Märchenstoff für junge Leser, und so wird er auch recht breit ausgemalt. Aber von der Essenz können sich eigentlich alle angesprochen fühlen.
Am geistigen Überbau fehlt es nicht. Schon der Name „Panthea“als Sehnsuchtsort ist Programm. Hechelmann hat nun mal ein Faible für die griechisch-römische Götterwelt, und Mythen, Religionen, Sagen, Märchen pantheistisch-synkretistisch zusammenzudenken, war ihm schon immer eine leichte Übung. So finden die Flüchtlinge die Arche Noah, sie fürchten um den von bösen Zwergen bedrohten Lebensbaum, sie fahren auf dem Fluss Acheron durch die Unterwelt, und sie sehnen sich nach den arkadischen Gefilden der Hyberboreer, die einst in Panthea lebten – nichts ist unmöglich, bis hin zur philosophisch akzentuierten Begegnung mit der Allegorie der Zeit.
Bei alledem kommt Hechelmanns politischer Ansporn nicht zu kurz.
Als friedfertiger Ökologe hat er in seinen Bildern schon immer auf die Gefährdung der Natur hingewiesen. In seinem Roman klagt nun der Geist der Steppe über das Abholzen der
Wälder und die exzessive Ausbeutung der Bodenschätze. Immer wieder geht es um den Wahnwitz waffenstarrender Heerscharen, um die Verblendung des Menschen durch Geldgier und Hass, seine mangelnde Ehrfurcht vor der Schöpfung – und die Missachtung der Tierwelt. Kein Wunder, dass die Elfe Livia, die Wölfe zähmt und über Bienen gebietet, einmal bekennt: „Ich mache keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Vor der Schöpfung sind wir alle gleich.“
Es ist eine farbintensive Welt, die Hechelmann beschwört. Er schildert plastisch Berge, Gletscher, Wälder, Wiesen, Wüsten, lässt das Eis glitzern, die Gischt spritzen, den Nebel wallen und Juwelen mit Blumen und Faltern um die Wette schillern – wie in seinen Bildern. Dass diesem begnadeten Illustrator und schon immer ungemein produktiven Künstler im Nachgang die Bebilderung von „Panthea“leicht von der Hand ging, verwundert also nicht. Sie ziert das fein gestaltete, reizvoll mit Vignetten ausgeschmückte Buch.
Und zu erleben ist das Panorama der Illustrationen nun in Hechelmanns Kunsthalle im Isnyer Schloss. In einem langen Gang nimmt man die Parade der geschmackvoll weiß gerahmten Originale ab: Mal dominiert blau-grüne kosmische Weite, mal geheimnisvoll meditative Sogkraft, mal überschäumende Erzählfreude, mal skurriler Witz – typisch Hechelmann allemal.
Friedrich Hechelmann: Panthea, Knesebeck Verlag, 224 Seiten mit 40 farbigen Abbildungen, 30 Euro.
Bis auf Weiteres: Ausstellung „Panthea“in der Kunsthalle im Schloss Isny, Öffnungszeiten: Mi.-Fr. 14-18 Uhr, Sa., So. und Fei. 11-18 Uhr.