Er wettert über „Impffaschismus“und „Genozid“
Rainer Rothfuß macht die Coronapolitik zu seinem Hauptthema – Auf eine Position im Flügelkampf will er sich nicht festlegen
- Das Youtube-Video zeigt Rainer Rothfuß bei seiner selbsternannten „Osterwutpredigt“. Dabei umkreist der Bundestagskandidat aus Lindau minutenlang eine Kirche. Kurz zuvor ist er wegen einer schlecht sitzenden Maske aus dem Gottesdienst geflogen. Rothfuß nutzt das zu einer Generalabrechnung mit der Coronapolitik. Dabei spricht er vom „Impffaschismus“.
Rothfuß hat eine Vergangenheit bei der Union. 2006 kandidierte der Geograph erfolglos für die CDU als Oberbürgermeister in Esslingen. Fünf Jahre später holte ihn die CSU für die OB-Wahl nach Lindau. Im Streit um die Zukunft des Bahnhofes überwarf sich Rothfuß mit dem Ortsverband und unterstützte später den Bewerber der Piratenpartei. Damalige Weggefährten beschreiben ihn als „kompromisslos“.
2018 wechselte er schließlich zur AfD, für die er inzwischen im Stadtrat und Kreistag in Lindau sitzt. In beiden Gremien spielt Rothfuß keine Rolle. Die wenigen Äußerungen von ihm dort sind vor allem allgemeinpolitischer Natur. Ohnehin ist dem 50-Jährigen die lokale Bühne zu klein. Nach eigenem Bekunden strebt er eine „leitende Position“in der AfD an. Beim Parteitag im März hat er für den Bundesvorstand kandidiert – vergeblich. Schon seine Kandidatur für das Europa-Parlament war vergeblich, weil die Mitglieder ihn bei der Aufstellung der Liste nach hinten durchreichten.
Zumindest die Machtbasis in der Region hat er inzwischen gestärkt. Im Juni haben ihn die Mitglieder als Nachfolger von Peter Felser zum Vorsitzenden des Kreisverbands Oberallgäu-Lindau-Kempten gewählt. Zudem verdrängte Rothfuß Felser als Direktkandidat im Wahlkreis Oberallgäu-Lindau. Einen sicheren Listenplatz für die Bundestagswahl hat Rothfuß aber erneut verpasst. Da kam Felser besser weg. In den Bundestag wird es Rothfuß nur schaffen, wenn die AfD am Wahltag besser abschneidet, als das die Umfragen derzeit erwarten lassen.
Im bürgerlichen Lager punkten, es sich mit den Radikalen aber nicht verderben – so lässt sich das Verhalten des 50-Jährigen deuten. Bei Auftritten gibt sich Rothfuß meist moderat. Mit dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, der dem gemäßigten Lager zugeordnet wird, hat er 2019 das Buch „Europa – Zukunft sichern“herausgegeben. Gleichzeitig distanziert er sich nicht von den Extremisten in seiner Partei. „Ich schätze auch die Arbeit von Bernd Höcke, die er in Thüringen leistet“, sagt er über den radikalen Rechtsaußen der AfD. Und sein Kommentar zu den Flügelkämpfen: „Um die Ziele unserer Partei müssen wir immer wieder ringen. Das ist Demokratie.“
Seit Monaten macht Rothfuß, der als Berater tätig ist, die Kritik an der Coronapolitik zu seinem Hauptthema. Dabei sucht er auch den Kontakt zu Querdenkern. In seiner „Osterwutpredigt“bezeichnet er das Impfen in den Seniorenheimen als „Genozid“, also geplanten Völkermord – eine bekannte These von Verschwörungsideologen. In seinen Auftritten auf Facebook schreibt er zudem immer wieder vom „Great Reset“– dem großen Umbruch. Eine Finanzelite habe demnach die Corona-Pandemie erfunden, um eine neue Weltordnung herbeizuführen.
Derartige Nähe zu Verschwörungsideologen haben Kritiker Rothfuß bereits früher vorgeworfen. Bis 2015 hat Rothfuß sechs Jahre lang als Juniorprofessor für politische Geographie in Tübingen gelehrt. Am Ende war er dort ziemlich umstritten und verlor den Lehrstuhl. Kritiker bescheinigten ihm eine Vorliebe für „rechtsesoterische Themen“.