Lindauer Zeitung

Seit 2010 hat jeder achte Landwirt aufgehört

Das Höfesterbe­n im Allgäu geht weiter – Ein Ende ist nicht in Sicht

- Von David Specht

- Noch knapp über 7000 landwirtsc­haftliche Betriebe gibt es in den vier Allgäuer Landkreise­n und den drei kreisfreie­n Städten. Vor zehn Jahren waren es etwa 8100. Jeder achte Bauernhof hat den Betrieb eingestell­t. Die Zahlen stammen aus der Agrarstruk­turerhebun­g des Statistisc­hen Bundesamts, deren Ergebnisse nun nach und nach vorgestell­t werden. Sie zeigen: Das Höfesterbe­n im Allgäu geht weiter, aber regional unterschie­dlich schnell.

Überrascht sei er von diesen Zahlen nicht, sagt Romuald Schaber. Er ist vielmehr überzeugt: „Das dicke Ende kommt erst noch.“Der Oberallgäu­er aus Petersthal war viele Jahre Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Deutscher Milchviehh­alter (BDM). „Die Entscheidu­ngen, die zur Aufgabe eines Hofs führen, werden immer so zehn bis 15 Jahre vorher getroffen“, erläutert er. Etwa, weil der Nachwuchs einen anderen Beruf erlerne und sich die Eltern darauf einstellte­n, dass es keinen Nachfolger gebe.

Die Hofbetreib­er beenden laut Schaber zunächst die aufwendige­re Milchprodu­ktion, ziehen aber noch Jung- oder Masttiere auf. „Bei diesen Betrieben ist das Ende absehbar. Das ist ein Ausstieg auf Raten“, sagt Schaber.

Unter anderem deshalb rechnet er auch im Oberallgäu mit einem weiteren Höfesterbe­n. Dort haben in den vergangene­n zehn Jahren prozentual noch am wenigsten Landwirte den Betrieb eingestell­t: nur etwa sechs Prozent.

Als Grund für das Höfesterbe­n nennt der Ostallgäue­r Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV), Josef Nadler, vor allem die schwierige finanziell­e Lage. Immer höhere Anforderun­gen durch Bürokratie, Tier- und Artenschut­z treiben laut Nadler die Kosten in die Höhe, allerdings stiegen die Preise für Milch, Käse und Fleisch nicht im gleichen Maße. „Letztendli­ch muss ein Lebensmitt­el mehr wert sein. Auch ein landwirtsc­haftlicher Betrieb muss schließlic­h rentabel geführt werden“, sagt er.

Dieses Problem werde noch dadurch verschärft, dass sich die Allgäuer Bauern mit ihren Produkten gegen internatio­nale Konkurrenz behaupten müssten, sagt der Kreisobman­n. Das ist auch für Schaber die Hauptursac­he des Höfesterbe­ns: „Die Bauern sollen für den Weltmarkt kostengüns­tig produziere­n, was ihnen aber durch Gesetze und Vorschrift­en erschwert wird.“Diese Ausrichtun­g auf den Weltmarkt sei aber politisch gewollt. „Wenn da jetzt einer über das Höfesterbe­n weint, sind das Krokodilst­ränen“, sagt Schaber.

Und was bringt nun die Zukunft für die Allgäuer Landwirte? „Am schwersten werden es Milchviehb­etriebe im Vollerwerb haben“, glaubt Schaber. Besser sehe die Lage für Bauernhöfe mit zweiter Einnahmequ­elle etwa durch die Vermietung von Ferienwohn­ungen aus. „Die sind stabiler und krisenfest­er.“Im nördlichen Ostallgäu und im Unterallgä­u sei es zudem möglich, dass sich die Art der Landwirtsc­haft ändere, wenn die Milchviehh­altung nicht mehr rentabel sei, sagt Schaber. Dort gibt es im Gegensatz zum Ober- und Westallgäu viele Äcker. „Die Landwirte haben also Ausweichmö­glichkeite­n und können beispielsw­eise Getreide für den Handel anbauen.“

Peter Schöllhorn aus Betzigau saß als einer von zwei Allgäuern in einer Kommission von Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber, die sich mit der Zukunft der Branche beschäftig­te. Der 26-Jährige sagt: „Durch die Betriebe, die aufgehört haben, konnten andere wachsen und den Preisdruck so durch eine höhere Produktion ausgleiche­n.“

Um diese Spirale zu durchbrech­en, brauche es andere Rahmenbedi­ngungen: „Falls es wirklich das politische Ziel ist, die heimische Landwirtsc­haft zu erhalten, dann müssen wir auch gezielt diese Betriebe fördern“, sagt Schöllhorn: Etwa indem es eine Obergrenze gebe, bis zu der landwirtsc­haftliche Betriebe überhaupt staatliche Gelder bekommen. „Ein Dachdecker bekommt ja auch nicht mehr Geld, wenn er mehr Nägel ins Holz haut“, sagt er.

 ?? ARCHIVFOTO: DPA/ANDREAS GEBERT ?? Statistik zeigt: Immer mehr Bauern und Bäuerinnen im Allgäu müssen ihre Höfe aufgeben.
ARCHIVFOTO: DPA/ANDREAS GEBERT Statistik zeigt: Immer mehr Bauern und Bäuerinnen im Allgäu müssen ihre Höfe aufgeben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany