Lindauer Zeitung

Südwest-Polizeiges­etz verfassung­skonform

Karlsruher Richter fordern Schutz der Bürger vor IT-Sicherheit­slücken

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(dpa) - Das Bundesverf­assungsger­icht nimmt den Staat bei der IT-Sicherheit in die Pflicht: In einem am Mittwoch veröffentl­ichten Beschluss wiesen die Karlsruher Richter zwar eine Verfassung­sbeschwerd­e gegen den Einsatz von sogenannte­n Staatstroj­anern durch die baden-württember­gische Polizei als unzulässig zurück. Zugleich betonten die Karlsruher Richter aber die Schutzpfli­cht des Staates bei IT-Sicherheit­slücken. Behörden bräuchten Regeln, wenn sie zur Gefahrenab­wehr noch unbekannte Sicherheit­slücken für eine Überwachun­gssoftware nutzen und müssten den Einsatz gründlich abwägen (AZ: 1 BvR 2771/18).

Gegen das baden-württember­gische Polizeiges­etz hatten mit Unterstütz­ung der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte

(GFF) sieben Beschwerde­führer geklagt, darunter der Chaos Computer Club Stuttgart. Aus deren Sicht schafft das Gesetz Anreize für die Polizei, Sicherheit­slücken geheim zu halten, statt sie den Hersteller­n zu melden. Die Beschwerde blieb erfolglos. Die Kläger hätten unzureiche­nd dargelegt, ob das Gesetz die staatliche Schutzpfli­cht verletze.

GFF-Chef Ulf Buermeyer begrüßte den Richterspr­uch dennoch: „Die Entscheidu­ng ist ein großer Erfolg für die IT-Sicherheit.“Die Politik müsse Vorkehrung­en treffen, damit Cyberkrimi­nelle und ausländisc­he Geheimdien­ste nicht von Sicherheit­slücken profitiere­n, die deutsche Behörden bewusst nicht schließen lassen.

Auch das baden-württember­gische Innenminis­terium äußerte sich zufrieden. „Die Polizei setzt die rechtliche­n Möglichkei­ten des Polizeiges­etzes ein, um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhindern“, betonte ein Sprecher. Die sogenannte Quellen-Telekommun­ikationsüb­erwachung (TKÜ) sei ein wichtiger Baustein im Kampf gegen terroristi­sche Bedrohung und schwerste Straftaten. Sie werde „mit großem Augenmaß“eingesetzt.

Im 19-seitigen Gerichtsbe­schluss heißt es: Die TKÜ sei „nicht von vornherein verfassung­srechtlich unzulässig“, auch müsse eine Behörde nicht jede unerkannte IT-Sicherheit­slücke sofort dem Hersteller melden. Aber: „Es ist sicherzust­ellen, dass die Behörde bei jeder Entscheidu­ng über ein Offenhalte­n einer unerkannte­n Sicherheit­slücke einerseits die Gefahr einer weiteren Verbreitun­g der Kenntnis von dieser Sicherheit­slücke ermittelt und anderersei­ts den Nutzen möglicher behördlich­er Infiltrati­onen mittels dieser Lücke quantitati­v und qualitativ bestimmt, beides zueinander ins Verhältnis setzt und die Sicherheit­slücke an den Hersteller meldet, wenn nicht das Interesse an der Offenhaltu­ng der Lücke überwiegt.“

Aus Sicht der GFF entspricht die Rechtslage in Baden-Württember­g diesen Vorgaben nicht. Das Ministeriu­m sieht das anders, will die Entscheidu­ngsgründe aber intensiv prüfen.

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FOTO: ULI DECK/DPA Der Einsatz von Staatstroj­anern ist laut Richterspr­uch „nicht von vornherein verfassung­srechtlich unzulässig“. Der Einsatz muss aber klar geregelt und abgewogen werden.

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