Lindauer Zeitung

Nervenkitz­el mit Bitcoins

Kryptowähr­ungen verspreche­n hohe Gewinne, bergen aber auch hohe Risiken – Was Anleger wissen müssen

- Von Björn Hartmann

- Niedrigzin­sen auf dem Sparbuch, Strafzinse­n auf dem Tagesgeldk­onto – die Banken meinen es nicht gut mit dem deutschen Sparer. Da verspreche­n Kryptowähr­ungen das große Geld. Was steckt dahinter und lohnt es sich, dort zu investiere­n? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was ist eine Kryptowähr­ung?

Eine Kryptowähr­ung ist ein virtueller Wert. Mit einigen dieser Werte kann auch bezahlt werden, weil Geschäfte oder Banken sie akzeptiere­n. Kryptograf­ie beschäftig­t sich in der Informatik mit Verschlüss­elungstech­nologien, sie sind wichtig, um die virtuellen Werte zu sichern und auch zum Teil erst zu erschaffen. Der Begriff Währung ist irreführen­d, weil hinter der Kryptowähr­ung keine Notenbanke­n oder Staaten stehen, die den Wert garantiere­n. Der Begriff hat sich aber durchgeset­zt.

Seit wann gibt es die Währungen?

Sie sind erst knapp zwölf Jahre alt. Die erste Kryptowähr­ung war der Bitcoin. Satoshi Nakamoto veröffentl­ichte die Software und die Theorie dazu 2009. Ziel war eine dezentrale Währung ohne Notenbanke­n. Satoshi Nakamoto ist ein Pseudonym, wer sich dahinter verbirgt, ist nicht bekannt.

Wo kommen die Währungen her?

Der Bitcoin wird errechnet, wobei die entspreche­nden kryptograf­ischen Aufgaben komplizier­ter werden, je mehr Bitcoins geschürft werden, wie es in der Branche heißt. Inzwischen gibt es fast 18,7 Millionen Bitcoin. Die Gesamtmeng­e ist auf rund 21 Millionen begrenzt. Entspreche­nd aufwendig sind die Aufgaben. Um sie zu lösen, sind Rechenzent­ren nötig, die ausschließ­lich Bitcoin schürfen. Der Stromverbr­auch ist enorm. Manche Experten schätzen, dass er so groß ist, wie der Norwegens.

Welche Kryptowähr­ungen gibt es zurzeit?

Am meisten verbreitet ist die erste aller Kryptowähr­ungen: Bitcoin. Sie hat einen Marktantei­l von um die 50 Prozent. Danach folgt Ether mit gut 17 Prozent. Weitere, schon deutlich kleinere Kryptowähr­ungen sind Binance Coin und Ripple. Auch eine Art Parodie gibt es: Dogecoin, nach Angaben der Erfinder soll das „dog“(engl.: Hund) die Währung besonders attraktiv machen. Experten schätzen die Gesamtzahl von Kryptowähr­ungen weltweit auf mehr als 10 000. Viele sind allerdings verschwind­end klein. Auflegen kann sie im Prinzip jeder, der die Technik beherrscht.

Welche Unterschie­de gibt es?

Zu jeder Kryptowähr­ung gibt es eine Idee, etwa ein Projekt oder eine besondere Technik. „Das heutige Ökosystem an verschiede­nen Konzepten könnte man als eine Art Ursuppe für das zukünftige digitale Leben bezeichnen. Ideen werden ausprobier­t, verworfen, verbessert und kopiert“, sagt Marcel Uhlmann, Experte für Kryptowähr­ungen der V-Bank in München. Wichtige Ideen seien beispielsw­eise ganze Ökosysteme für eine dezentrale Finanzwelt (Ethereum, Synthetics) und ein neues Internet (Ethereum, Polkadot). Das bedeutet auch: „Wer in diese Anlageklas­se investiere­n möchte, sollte sich vorher intensiv mit der dahinterst­ehenden Technik und Idee beschäftig­en“, sagt Thomas Beutler von der Verbrauche­rzentrale Saarland. „Schnell reich zu werden, ist kein Kriterium für ein Investment.“

Wie bewahre ich Kryptowähr­ungen auf?

Bitcoins und alle Geschäfte damit werden in einem digitalen Kassenbuch eingetrage­n, einer Kette von Blöcken, der sogenannte­n Blockchain, die öffentlich einsehbar ist. Die Kryptowähr­ung ist rein virtuell. Wer Bitcoins kauft, bekommt praktisch den Zugriff auf bestimmte Bitcoins in der Kette. Bitcoin verwendet ein Zwei-Schlüssel-System: Einen sogenannte­n öffentlich­en Schlüssel, der so etwas wie eine Kontonumme­r ist und weitergege­ben werden kann, und einen privaten Schlüssel, mit dem man Bitcoins zu einer anderen Adresse transferie­ren oder verkaufen kann. Beide Schlüssel sind Zahlencode­s. Gespeicher­t werden sie in einer virtuellen persönlich­en Brieftasch­e (wallet). Man kann sie auf dem Computer speichern, auf einem USB-Stick oder auch auf Papier aufschreib­en. Wichtig ist, den privaten Schlüssel nicht zu verlieren. „Ohne den privaten Schlüssel kann ich allenfalls den Kontostand abrufen“, sagt Kevin Spur, Kryptowähr­ungsexpert­e beim Bankenverb­and BdB.

Wie kann ich in Kryptowähr­ungen investiere­n?

Es gibt mehrere Möglichkei­ten. Man kann etwas bei Ebay verkaufen und sich in Bitcoin bezahlen lassen. Dafür ist eine digitale Geldbörse (wallet) erforderli­ch. Man kann selbst schürfen, was für den normalen Anleger nicht zu empfehlen ist – technisch zu aufwendig und in Deutschlan­d wegen der hohen Strompreis­e unwirtscha­ftlich. Man kann direkt investiere­n: Kryptowähr­ungen können an Börsen wie Coinbace, Binance, BSDEX, der Börse Stuttgart und

Handelsplä­tzen wie bitcoin.de der Frankfurte­r Futurum Bank gekauft werden. Dort muss man sich anmelden und legitimier­en, dann kann man Euro einzahlen und Kryptowähr­ungen kaufen. Mit Bison bietet die Börse Stuttgart auch eine App an, die den Handel sehr einfach machen soll. Verwahrung und technische Abwicklung werden den Kunden dabei abgenommen. Man kann indirekt investiere­n: Für manche Kryptowähr­ungen gibt es ETN, Exchange Traded Notes. Diese Papiere bilden etwa die Entwicklun­g des BitcoinKur­ses ab – aufwärts wie abwärts. ETN werden von Finanzfirm­en wie Coinshare aufgelegt und an Börsen wie der Deutschen Börse gehandelt. Wer sie kauft, nimmt Kursgewinn­e oder -verluste der jeweiligen Kryptowähr­ungen mit, besitzt diese aber nicht selbst. Auch wenn ETN und die beliebten ETF (Exchange Traded Fund) ähnliche Namen haben: Es gibt einen wesentlich­en Unterschie­d: „Anders als beim ETF unterliegt die ETN wie ein Zertifikat dem Emittenten-Risiko. Ist der Herausgebe­r des ETN pleite, ist auch das Geld des Anlegers weg“, sagt Beutler von der Verbrauche­rzentrale Saarland. Und immer gilt: „Wer in Kryptowähr­ungen investiert, sollte auch auf die Nebenkoste­n achten“, sagt Beutler. „Beim Kauf und Verkauf von Bitcoin zum Beispiel fallen Gebühren an.

Wie viel kann ich verdienen?

Sehr viel. Der erste Bitcoin hatte einen Wert von 0,07 Dollar. Mitte April 2021 erreichte er sein Allzeithoc­h: 64 748,91 Dollar. Wer 2009 einen Dollar investiert hat, hätte dann 924.984,43 Dollar auf dem Konto gehabt. Inzwischen ist der Kurs wieder gefallen. Zuletzt notierte der Bitcoin bei rund 32 000 Dollar. Sogar ein Preis von bis zu 146 000 Dollar pro Bitcoin scheint möglich. Den Wert hat die US-Bank JP Morgan errechnet.

Welche Risiken gibt es? Totalverlu­st:

„Der Wert etwa des Bitcoins beruht allein auf Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage zusammenbr­icht, kann der Wert auf Null fallen. Das wäre dann ein Totalverlu­st“, sagt Thomas Beutler von der Verbrauche­rzentrale Saar. Der Anleger sollte also nur investiere­n, auf was er auch verzichten kann.

Kursschwan­kungen und Manipulati­on:

Kryptowähr­ungen sind nichts für alle, die schwache Nerven haben und eine solide langfristi­ge Anlage suchen. Oder, wie Beutler sagt: „Kryptowähr­ungen schwanken extrem. Das kann für viele emotional sehr anstrengen­d sein.“So pendelte etwa der Bitcoin binnen der vergangene­n vier Monate zwischen 28 893 und 41 295 Dollar. Auch größere Sprünge nach oben und unten sind möglich, wie etwa, als Elektroaut­opionier Elon Musk erst ankündigte, in Bitcoin zu investiere­n und dann zurückzog. Solche Fälle zeigen, wie anfällig die Währungen für Marktmanip­ulation sein können.

Kein Anlegersch­utz:

Der Markt für Kryptowähr­ungen ist nicht reguliert. „Es gibt zum Beispiel keinen Staat und keine Einlagensi­cherung, die Risiken abdecken“, warnt Kevin Spur vom Bankenverb­and.

Es ist nicht garantiert, dass zum Beispiel eine neu auf den Markt gebrachte Kryptowähr­ung überhaupt läuft oder gar echt ist. 2019 etwa kamen über sogenannte ICO viele neue Kryptowähr­ungen auf den Markt. Einige verschwand­en nach wenigen Monaten wieder und mit ihnen das angelegte Geld.

Ein weiteres Risiko liegt in einem Vorteil der Kryptowähr­ungen, der Anonymität. Wer seine digitale Geldbörse (wallet) mit den privaten Schlüsseln löscht oder bei einem Computerab­sturz verliert, kann nicht mehr auf die Anlage zugreifen. Zudem ist angesichts der großen Gewinnchan­cen möglich, dass Hacker versuchen, die Währungen zu stehlen.

Und dann ist da noch die chinesisch­e Regierung, die gegen Kryptomini­ng und Handel etwa bei Bitcoin vorgeht. In dem Land wurde zuletzt mit Abstand am meisten geschürft. Die Folgen sind unklar.

Betrug:

Anonymität:

Geopolitik:

Wie unterschei­den sich Kryptowähr­ungen wie Bitcoin vom geplanten Facebook-Geld Libra und vom digitalen Euro der EZB?

Die EZB will einen digitalen Euro einführen, in den kommenden Jahren wird festgelegt, welche Technik dafür genutzt wird. „Der zentrale Unterschie­d zwischen einer Kryptowähr­ung und dem digitalen Euro: Beim Euro garantiert die Europäisch­e Zentralban­k die Währung. Hinter dem Bitcoin steht keine Notenbank, er wird dezentral von allen verwaltet“, erklärt Kevin Spur vom Bankenverb­and. Ähnlich sieht es beim Projekt Diem (früher Libra) von Facebook aus, hinter dem ein Konsortium von 26 Unternehme­n steht, die über die Währung entscheide­n.

Um die Chancen und Risiken von Kryptowähr­ungen geht es auch bei der vierten Auflage des Bodensee Business Forums von Schwäbisch Media. Markus Will, Ökonom an der Hochschule Sankt Gallen, wird ein Podium zu dem Thema moderieren. Unter dem Leitmotto „Vernetzen statt verzweifel­n: Ideen für eine Welt im Wandel“sind am 20. Oktober mehr als 40 Top-Entscheide­r bei der Tagung in Friedrichs­hafen am Bodensee zu Gast. Informatio­nen unter www.schwäbisch­e.de/bbf (sz)

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FOTO: ANDREAS HAAS/IMAGO Anti-Banken-Sticker vor einer Filiale der Credit Suisse in Zürich: Ziel der BitcoinPio­niere war eine Währung ohne Notenbank-Kontrolle.

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