Schwieriger Weg zurück
Heute vor 75 Jahren kehrten die ersten deutschen Soldaten aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heim
(KNA) - Ein Umschlagbahnhof bei Frankfurt an der Oder – in endlos scheinenden Schlangen reiht sich Zugwaggon an Zugwaggon. Sie stehen bereit für Tausende deutsche Soldaten; jedoch nicht, um sie an die Front zu schicken, sondern im Gegenteil, um sie wieder nach Hause zu bringen – aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Es sind die ersten Heimkehrer von der ehemaligen Ostfront, die im Juli 1946 die Auffangstelle Gronenfelde passieren. Viele von ihnen ausgezehrt und in schlechtem Zustand. Doch werden sie sehnlichst erwartet: „Deutschland grüßt Euch!“steht auf einem Transparent über dem Eingang.
Über drei Millionen deutsche Soldaten sollen im Verlauf des Zweiten Weltkriegs in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten sein. Davon kehrten knapp zwei Millionen wieder in die Heimat zurück. Bis 1950 war Gronenfelde der zentrale Knotenpunkt, von dem die Rückkehrer verteilt wurden. In dieser Zeit passierten knapp 1,2 Millionen ehemalige Kriegsgefangene das Lager. Unter den frühen Heimkehrern waren jedoch nicht nur Soldaten. Auch Priester kamen zurück in ihre Heimat. Als Feldgeistliche hatten sie mitten unter den kämpfenden Einheiten gewirkt und waren ebenso wie diese in Kriegsgefangenschaft geraten.
So traf 1946 auch der katholische Pfarrer Guido Aix im Lager Gronenfelde ein. Als Militärseelsorger hatte der aus Düsseldorf stammende Geistliche zuletzt an der Ostfront gewirkt und war mit der Wehrmacht bis nach Stalingrad gekommen. Dort geriet er in Gefangenschaft. Im Gefangenenlager wurde den Soldaten jegliches Hab und Gut abgenommen, das für die Sowjets von Wert war.
Ausnahmen wurden jedoch für Priester gemacht, die im Lager teilweise weiterhin ihren Seelsorgedienst verrichteten konnten – etwa auch im Lager gestorbene Kameraden bestatteten. Die notwendigen Utensilien bewahrte Aix in seinem Messkoffer auf, den er durch die Zeit der Gefangenschaft retten konnte und mit dem er nach der Freilassung in Gronenfelde ankam: zwei Kelche, ein Holzkreuz, ein Hostienteller, ein Altartuch und ein Divisionswimpel. Heute befinden sich die Gegenstände im Archiv des Erzbistums Köln.
Trotz der emotionalen Begrüßung war die Situation der Heimkehrer nicht einfach. Viele hatten keine Vorstellung davon, was sie zu Hause erwartete. Hinzu kamen die Fälle jener, die ursprünglich östlich der Oder gelebt hatten, im nun zu Polen gehörenden Gebiet aber keine Aufnahme mehr fanden.
Auch Pfarrer Aix stand zunächst vor der Frage, wie es nun weitergehen sollte. Vor seiner Zeit als Militärpfarrer war er dem Bistum Berlin unterstellt gewesen. Als Seelsorger in der „Wandernden Kirche“betreute er Katholiken, die – etwa im Zuge des Arbeitsdienstes – in die ostdeutsche Diaspora hatten abwandern müssen. Doch existierten nach der Niederlage des Reichs diese Strukturen nicht mehr. Aix kehrte deswegen in seine Heimat zurück. Über Stationen in Thüringen und Niedersachsen kam er schließlich in Düsseldorf an. Als die britische Militärregierung ihm im Dezember 1946 sein Entlastungszeugnis der Entnazifizierung ausstellte, konnte Aix wieder in den Dienst übernommen werden.
Die Heimkehrer von 1946 hatten für die deutsche Bevölkerung eine große Bedeutung. Doch waren sie nur der erste Schritt in einer emotional geführten gesamtgesellschaftlichen Debatte. Die Rückkehr aller Kriegsgefangenen blieb eines der vordersten außenpolitischen Ziele des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Doch wurden die Verhandlungen mit der Sowjetunion zunehmend zäh. Erst am 7. Oktober 1955 wurden im Zuge der sogenannten Heimkehr der Zehntausend auch die letzten verbliebenen Kriegsgefangenen nach Deutschland entlassen.