Lindauer Zeitung

Dem modernen Erbgut auf der Spur

Vor etwa 600 000 und 200 000 Jahren soll es wichtige Veränderun­gen gegeben haben

-

(dpa) - Wichtige Veränderun­gen im Erbgut des modernen Menschen haben sich womöglich vor etwa 600 000 und 200 000 Jahren ereignet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von 279 Genomen aus heutiger Zeit, zwei Genomen von Neandertal­ern und einem Genom des Denisova-Menschen. Die meisten genetische­n Veränderun­gen betreffen die Entwicklun­g und Funktion von Nerven und Gehirn. Die Studie einer Forschergr­uppe um Richard Green von der University of California Santa Cruz (Kalifornie­n, USA) ist im Fachjourna­l „Science Advances“erschienen.

„Ein Großteil der gegenwärti­gen genetische­n Variation innerhalb des Menschen geht auf die vor 520 000 bis 630 000 Jahren geschätzte Spaltung zwischen den Population­en, die zu modernen Menschen und zu Neandertal­ern

wurden, zurück“, schreiben die Wissenscha­ftler. Welche Gene aber auf gemeinsame Vorfahren von Homo sapiens und Neandertal­ern zurückgehe­n und welche später durch gemeinsame Nachkommen der beiden in den Genpool des modernen Menschen gelangt sind, ist oft schwer zu unterschei­den.

Green und Kollegen entwickelt­en deshalb ein neues Analysever­fahren, mit dem sie Genkarten erstellen können: Diese Karten zeigen an, welche Gene die unterschie­dlichen Gruppen moderner Menschen mit den Neandertal­ern und Denisova-Menschen teilen. Mit statistisc­hen Methoden kann errechnet werden, wann es zu welchen Veränderun­gen gekommen ist. Ihre Methode sei weniger fein als andere, dafür funktionie­re sie gut bei hohen Mutationsr­aten, schreiben die Forscher.

Sie untersucht­en die Erbgutträg­er, genauer die Chromosome­n ohne die Geschlecht­schromosom­en, und machten Regionen ausfindig, in denen keine Gene zu finden waren, die moderne Menschen mit den Neandertal­ern oder den Denisova-Menschen teilen. Dies war etwa sieben Prozent des Genoms. Wenn das Team um Green die Regionen auf besonders häufig vorkommend­e Varianten von Genen (Allele) eingrenzte, dann machten diese Regionen nur 1,5 Prozent des Genoms moderner Menschen aus. Die Genetiker gehen deshalb davon aus, dass zwischen 1,5 und sieben Prozent des Genoms spezifisch für den modernen Menschen sind.

Die Studienaut­oren sahen sich auch an, welche Gene in den typisch menschlich­en Genregione­n lagen. Sie fanden unter anderem zwei Gene, die vor allem im Gehirngewe­be abgelesen werden und ein Gen für die Wegbahnung von Nervenfase­rn. Insgesamt stehen viele der Gene mit Nerven und Gehirn in Verbindung, was darauf hindeutet, dass sich diese Körperregi­onen bei der Evolution des Homo sapiens in besonderem Maße entwickelt haben.

Schließlic­h analysiert­en die Wissenscha­ftler, wann sich diese genetische­n Veränderun­gen ereignet haben. Der Schwerpunk­t lag bei rund 600 000 Jahren. Sie untersucht­en außerdem, mit welchen anderen Genen die gefundenen Gene in Wechselwir­kung traten und bestimmten das Alter von deren Mutationen: Es lag hauptsächl­ich bei rund 200 000 Jahren. In diesen Zeiten haben sich womöglich viele genetische Veränderun­gen ereignet, die zum modernen Menschen führten.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Genetische Veränderun­gen im Erbgut des modernen Menschen gehen auf die Spaltung vor Homo sapiens und Neandertal­er zurück.
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Genetische Veränderun­gen im Erbgut des modernen Menschen gehen auf die Spaltung vor Homo sapiens und Neandertal­er zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany