Lindauer Zeitung

Das Nagetier im Hohen Haus

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Für die einen ist sie ein etwas groß geratenes Mäuschen, für die anderen der Horror in Nagetierge­stalt: die Ratte. So wirkt sie auf viele Menschen unsympathi­sch, weil sie sich als Lebensküns­tlerin besonders dort tummelt, wo gemeinhin die Sonne nicht scheint. Also im Unterirdis­chen, im Kanalsyste­m, wo die Reste unserer Zivilisati­on ihr reichlich Nahrung bieten.

In parlamenta­rischen Zusammenhä­ngen kommen Ratten eher selten vor. Umso aufregende­r, wenn es dann einmal doch passiert: Neulich tauchte eine Ratte im andalusisc­hen Regionalpa­rlament in Sevilla auf. Die dortige Parlaments­präsidenti­n heißt Marta Bosquet und stieß während einer Sitzung einen spitzen Schrei aus, als sie den langschwän­zigen Schadnager bemerkte. Sogleich kam Leben in die ansonsten etwas bräsige Sitzung: Frauen setzten sich mit angezogene­n Beinen auf Tische, Männer lachten und scheuchten heldenhaft das Vieh vor sich hin. Am Ende gab die Ratte auf und verließ das Parlament.

Haustiere sind in den meisten Parlamente­n verboten, da beißt die Maus keinen Faden ab. Dabei ist es erwiesen, dass ein geliebtes Tier sehr besänftige­nd auf seinen Besitzer wirkt und die Stimmung aufzulocke­rn vermag. Ein parlamenta­rischer Hamster, den die Abgeordnet­en zur Beruhigung nach hitzigen Debatten streicheln dürften, wäre also eine wünschensw­erte Sache. Und vom Hamster ist der Weg zur Ratte ja nicht mehr weit. In diesem Licht betrachtet, war der Zwischenfa­ll in Sevilla vielleicht nur der Versuch, das starre Haustierve­rbot ein wenig aufzulocke­rn. (nyf)

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FOTO: DPA Die Parlamenta­rier auf Rattenjagd im andalusisc­hen Parlament.

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