Hitze facht Kampf ums Wasser an
In vielen Ländern des Nahen Ostens eskalieren Konflikte – Iran erlebt neue Unruhen, Ägypten droht mit Krieg
- Eine Hitzewelle im Nahen Osten lässt in einigen Regionen das Wasser knapp werden. Seit Wochen werden in Iran, im Irak und auf der arabischen Halbinsel regelmäßig bis zu 53 Grad gemessen, nachts sinkt das Thermometer nur selten unter 30 Grad. Stromausfälle legen Pumpstationen lahm, und mancherorts ist in den vergangenen Monaten der Regen ausgeblieben, sodass Flüsse und Stauseen weniger Wasser liefern, als zur Versorgung der Bevölkerung nötig wäre. Gluthitze und Wassermangel fachen innen- und außenpolitische Konflikte an. Ein Überblick.
In protestieren seit einer Woche Tausende gegen den Wassermangel und die häufigen Stromausfälle. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden bisher zwei Menschen getötet; manche Regierungsgegner melden vier oder noch mehr Tote. Die Behörden wiesen Berichte zurück, wonach Polizisten bei Demonstrationen in die Menge geschossen haben sollen.
Begonnen hatten die Unruhen in der ölreichen Provinz Khusestan an der Grenze zum Irak. Dort leben viele arabische Iraner, die sich vom schiitischen Mullah-Regime unterdrückt fühlen. Inzwischen haben die Proteste auf andere Landesteile und auch auf die Hauptstadt Teheran übergegriffen, wie Aktivisten berichten. „Nieder mit der Islamischen Republik“, sollen Demonstranten in Teheran gerufen haben. Regimegegner werfen dem Regime vor, das Land mit Korruption und Misswirtschaft zu ruinieren. Dagegen sagen die Behörden, die Wasservorräte seien wegen einer ungewöhnlichen Dürreperiode knapp geworden. Zudem leidet Iran unter amerikanischen Wirtschaftssanktionen.
Auch im benachbarten gingen die Menschen in den vergangenen Wochen auf die Straße. Demonstranten in Basra im Süden des Landes und in der Hauptstadt Bagdad protestierten gegen die langen Stromausfälle, die mitten in der Sommerhitze die Klimaanlagen und die Wasserversorgung
Iran
Irak
lahmlegen. Obwohl der Irak zu den ölreichsten Ländern der Welt gehört, hat der Staat es nach den Zerstörungen durch die US-Invasion von 2003 bis heute nicht geschafft, das Stromnetz und andere wichtige Teile der Infrastruktur zu modernisieren.
Ein drastischer Rückgang der Niederschläge beim nördlichen Nachbarn schafft weitere Probleme: Die biblischen Ströme Euphrat und Tigris, die in der Türkei entspringen und deren Wasser im Irak für die Versorgung von Millionen
Türkei
Menschen genutzt wird, führen weniger Wasser als in früheren Jahren. Irakische Behörden werfen der Türkei zudem vor, Wasser aus den beiden Strömen in Stauseen zurückzuhalten; Ankara weist dies zurück. Verschärft wird die Lage durch einen Streit mit Iran, der den Irak mit Strom und mit Gas zur Stromerzeugung versorgt. Laut Medienberichten schuldet der Irak dem Nachbarn vier Milliarden Dollar für die Energie-Importe – deshalb stellten die Iraner vor einigen Wochen die Lieferungen vorübergehend ein.
Ähnliche Probleme gefährden die Wasserversorgung im Wegen einer schweren Finanzkrise hat der Staat kaum noch Geld, um Energie-Einfuhren zu bezahlen. Deshalb gingen in den vergangenen Wochen zwei Kraftwerke vorübergehend vom Netz. Die Stromausfälle von bis zu 22 Stunden pro Tag und der Geldmangel zwangen Wasserwerke zur Rationierung der Wassermengen für Privathaushalte. Weil die Politiker in Beirut seit Monaten ohne Ergebnis über die Bildung einer neuen Regierung streiten, besteht derzeit keine
Libanon.
Aussicht auf ein Reformprogramm zur Lösung der Krise.
Im Nordosten von gibt es ebenfalls Streit ums Wasser. Die Uno schlug vorige Woche Alarm, weil die Pumpstation Alouk an der Grenze zur Türkei ausgefallen war. Die Station pumpt normalerweise Grundwasser in einen Stausee, der die syrische Stadt Al-Hasakah versorgt. Doch Alouk arbeitet nicht mehr. Bis zu einer Million Menschen seien betroffen, erklärte das UN-Kinderhilfswerk Unicef. Die Bewohner der Gegend werden notdürftig
Syrien
mit Wasser aus Tanklastwagen versorgt.
Die Probleme mit Alouk begannen im Jahr 2019: Damals marschierten türkische Truppen und verbündete Milizen in den Nordosten Syriens ein, um die Kurdenmiliz YPG aus dem Grenzgebiet zu vertreiben. Alouk steht seitdem unter türkischer Kontrolle, doch der Strom für die Pumpstation kommt aus dem nahen YPG-Gebiet. Die Kurden werfen der Türkei vor, Alouk immer wieder abzuschalten und so die Bevölkerung der Gegend zu erpressen. Die Regierung in Ankara macht dagegen die YPG und das Regime in Damaskus für die Unterbrechung der Stromversorgung für Alouk verantwortlich.
und der befürchten, dass das Wasser im Nil knapp wird, weil am Blauen Nil einen riesigen Stausee für ein Wasserkraftwerk füllt. Das Reservoir hinter dem vier Milliarden Dollar teuren „Großen Damm der Äthiopischen Wiedergeburt“soll mit 74 Milliarden Kubikmeter Nilwasser gefüllt werden und Strom für eine wachsende äthiopische Wirtschaft liefern. Doch für Ägypten, ein Land mit 100 Millionen Menschen, ist der Nil die einzige Quelle von Trinkwasser; der Sudan befürchtet vor allem, dass weniger Wasser im Nil die eigenen Wasserkraftwerke lähmen könnte. Beide Länder werfen der Regierung in Addis Abeba vor, ihre Interessen zu ignorieren. Nun hat Äthiopien den Stausee so weit gefüllt, dass zwei der insgesamt 13 Turbinen in den kommenden Monaten mit der Stromerzeugung beginnen können. Doch der See ist noch lange nicht voll.
Verhandlungen zwischen den drei Staaten sind gescheitert. Ägypten hat mehrmals mit Krieg gedroht, falls es keine Lösung in dem Streit geben sollte. Vor einigen Monaten veranstalteten die Militärs von Ägypten und dem Sudan ein gemeinsames Manöver. Beteiligt waren Kampfflugzeuge, Elitetruppen und Fallschirmspringer – eine Warnung an Äthiopien, die vom Namen der Übung unterstrichen wurde: Das Manöver hieß „Wächter des Nils“.
Ägypten
Sudan
Äthiopien