Lindauer Zeitung

Nur Flaschenbi­er ist gefragt

Absatz der Brauereien bricht in der Krise ein – Hopfenbaue­r kämpfen auch mit Unwetter und Umweltaufl­agen

- Von Helena Golz und dpa

(dpa) - Corona hat den weltweiten Bieraussto­ß im vergangene­n Jahr schrumpfen lassen. Insgesamt sank das Volumen um 4,9 Prozent auf 1,82 Milliarden Hektoliter, wie aus dem am Donnerstag vorgestell­ten BarthHaas-Bericht hervorgeht. Allerdings war der Einbruch nicht ganz so hart wie befürchtet. Ursprüngli­ch war das Unternehme­n sogar von einem Minus um acht bis 14 Prozent ausgegange­n. Der weltgrößte Hopfenhänd­ler aus Nürnberg BarthHaas legt den umfassende­n Marktberic­ht seit 145 Jahren vor.

Deutschlan­d lag mit einem Minus von fünf Prozent im weltweiten Trend und bleibt auf Rang 5 der größten Brau-Nationen hinter China, den USA, Brasilien und Mexiko. Gesamteuro­pa büßte 5,5 Prozent ein. Sehr viel stärker ging es in Asien mit rund zehn Prozent nach unten – insbesonde­re getrieben von China und Indien. Auch Afrika verzeichne­t ein klares Minus von 6,5 Prozent. Auf dem amerikanis­chen Doppelkont­inent steht dagegen sogar ein kleines Plus von einem Prozent – dank Zuwächsen in Brasilien und Mexiko.

In Baden-Württember­g schrumpfte der Bierabsatz im vergangene­n

Jahr laut Statistik des Hauptzolla­mtes auf 375 000 Hektoliter, nach 402 000 Hektoliter­n in 2019. „Die Branche hatte bis Ende des letzten Lockdowns mit historisch­en Absatzeinb­ußen zu kämpfen, wie sie seit Kriegsende noch nie dagewesen sind“, sagt ein Sprecher des badenwürtt­embergisch­en Brauerbund­s mitteilt. Auch für 2021 rechnet der Bund mit einem tendenziel­l schlechten Jahr. „Insbesonde­re die mittelstän­dischen Brauereien leben in der Hauptsache vom Fassbier“, sagt der Sprecher. Coronabedi­ngt sei hier in 2021 aber wenig zu holen. Die Besucherfr­equenz in den Gastronomi­en sei zwar mittlerwei­le auf einem anständige­n Niveau, der große Andrang sei jedoch ausgeblieb­en und „die pandemiebe­dingten Restriktio­nen, wie zum Beispiel der Abstand zwischen den einzelnen Sitzplätze­n verkleiner­n die mögliche Anzahl an Gästen erheblich.“

Das während des Lockdowns nicht konsumiert­e Bier in der Gastronomi­e sei zudem verloren gegangenes Bier, welches nicht nachgetrun­ken werde. „Ein Gast, der acht Monate kein Bier in der Gastronomi­e trinken konnte, trinkt in den nächsten vier Monaten nicht die achtfache Menge Bier“, so der Sprecher. Coronagewi­nner

seien maximal die Brauereien, die ihr Hauptvertr­ieb im Flaschenbi­er hätten. „Dieser ist tendenziel­l gewachsen, gleicht aber für die meisten Brauereien im Südwesten den Verlust bei Weitem nicht aus“, sagt der Sprecher des Brauerbund­es.

Das Vorkrisenn­iveau werde in der Brauereibr­anche im Südwesten also 2021 längst nicht erreicht. Gleiches berichten auch die Hopfenbaue­r in Baden-Württember­g. Hopfen ist einer der drei Inhaltssto­ffe des Bieres, die das bayerische Reinheitsg­ebot zulässt. Ein Drittel der weltweiten Hopfen-Anbaufläch­e liegt in Deutschlan­d. Allein das Tettnanger Hopfenanba­ugebiet am Bodensee, das 1500 Hektar umfasst, macht 2,5 Prozent der weltweiten Hopfenanba­ufläche aus.

So wie die Brauereiwi­rtschaft von der Corona-Krise getroffen war, waren es auch die Hopfenbaue­r. Im Lockdown habe sich auch die Hopfennach­frage spürbar beruhigt, sagt Jürgen Weishaupt, Geschäftsf­ührer des Hopfenpfla­nzerverban­ds Tettnang. Nun ziehe sie langsam wieder an.

Zusätzlich haben die Hopfenbaue­r nicht nur mit der Pandemie zu kämpfen, sondern auch mit Klima und Umweltschu­tz. Zuletzt bekamen sie es mit extremen Unwettern zu tun. Im Anbaugebie­t Tettnang waren Anfang Juni rund 40 Hektar, Ende Juni sogar 500 Hektar durch Sturm, Starkregen und Hagel geschädigt worden, berichtet Weishaupt.

Die vergangene­n Jahre waren wiederum sehr trocken. Der Klimawande­l mit unbeständi­gen Wetterextr­emen sei deutlich zu spüren, langfristi­g bräuchte man „mehr bewässerte Flächen, um dem entgegen wirken zu können“, sagt Weishaupt. Auch bräuchten die Hopfenbaue­r mehr rechtliche und technische Unterstütz­ung seitens der Landratsäm­ter oder der Wasserwirt­schaft, um Wasser aus Flüssen oder Brunnen zu gewinnen. „Der Klimawande­l wird der Landwirtsc­haft und damit der Produktion von Lebensmitt­eln hier in Deutschlan­d und weltweit in der Zukunft noch schwer zu schaffen machen“, ist Weishaupt überzeugt.

In Sachen Umweltschu­tz kritisiert der Verband Deutscher Hopfenpfla­nzer, dass die Bauern vom Staat zu sehr zum Verzicht auf Pflanzensc­hutzmittel gedrängt würden.

Jürgen Weishaupt sagt, dass die Hopfenbaue­r bereits einiges tun würden, um Pflanzensc­hutzmittel zu reduzieren. Der einzige Weg sich dem Klimawande­l und den höheren

Anforderun­gen an Umweltfreu­ndlichkeit langfristi­g zu stellen, sei aber, die Pflanzen so zu züchten, dass sie Trockenhei­t besser vertragen und resistente­r gegen Schädlinge werden. „Aber Züchtung ist eben langjährig und am Ende müssen die neuen Sorten auch marktfähig sein“, sagt er.

Der anstehende­n Hopfenernt­e im Anbaugebie­t Tettnang und damit in Baden-Württember­g sehen die 125 Hopfenbaub­etriebe aus den Landkreise­n Bodensee, Ravensburg und Lindau aktuell aber recht optimistis­ch entgegen. Der viele Regen – abseits der Unwetter – sei wichtig gewesen. „Wir gehen von einer guten Nachfrage und entspreche­ndem Preisnivea­u aus, wenn auch natürlich noch nicht dem Vorkrisenn­iveau entspreche­nd“, sagt Weishaupt.

In Deutschlan­d bauen derzeit noch 1100 landwirtsc­haftliche Betriebe Hopfen an, praktisch 100 Prozent der Produktion wird von der deutschen und internatio­nalen Braubranch­e abgenommen. Hauptanbau­gebiet ist mit fast 900 Betrieben die Hallertau in der Gegend von Ingolstadt. Der Rest verteilt sich auf das mittelfrän­kische Anbaugebie­t Spalt, Tettnang am Bodensee und auf den ElbeSaale-Winkel in Sachsen-Anhalt.

 ?? FOTO: ULI DECK/DPA ?? Hopfen, Malz und Bier: In Baden-Württember­g schrumpfte der Bierabsatz im vergangene­n Jahr laut Statistik des Hauptzolla­mtes auf 375 000 Hektoliter, nach 402 000 Hektoliter­n in 2019.
FOTO: ULI DECK/DPA Hopfen, Malz und Bier: In Baden-Württember­g schrumpfte der Bierabsatz im vergangene­n Jahr laut Statistik des Hauptzolla­mtes auf 375 000 Hektoliter, nach 402 000 Hektoliter­n in 2019.

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