Lindauer Zeitung

Das E-Auto wird auch bei Daimler alternativ­los

Konzern will von 2025 an keine Verbrenner mehr entwickeln – Bau von acht Giga-Batteriefa­briken geplant

- Von Michael Brehme und Marco Engemann

(dpa) - Im Ringen der führenden Autobauer um die Vorherrsch­aft bei der Elektromob­ilität zieht Daimler nach. Der Stuttgarte­r Konzern setzt sich deutlich ambitionie­rtere Ziele für den Durchbruch der eigenen E-Flotte. Zudem kündigte er bei einem Investoren­tag am Donnerstag für seine Pkw-Stammmarke Mercedes-Benz im Kern auch den baldigen Abschied vom Verbrennun­gsmotor an. Und das, obwohl das Unternehme­n mit dieser Technologi­e heute noch den Großteil seines Geldes erwirtscha­ftet.

Man werde unter dem Leitbegrif­f „Electric only“künftig das ganze Mercedes-Geschäft auf elektrisch­es Fahren ausrichten, hieß es. Schon im Jahr 2025 wollen die Schwaben rund 50 Prozent ihrer Neuverkäuf­e mit vollelektr­ischen oder Plug-in-Autos erzielen – das sind doppelt so viel wie bisher geplant. Man bereite sich zudem vor, bis zum Ende des Jahrzehnts „vollelektr­isch zu werden“– unter anderem auch durch den Aufbau einer eigenen Zellproduk­tion im großen Stil. Hier will Daimler mit Partnern weltweit acht Gigafabrik­en mit einer Gesamtkapa­zität von mehr als 200 Gigawattst­unden errichten.

Das alles sind forschere Töne und Pläne als bislang bekannt, auch wenn die bisherige Mercedes-Langfrists­trategie unter dem Titel „Electric first“bereits einen klar batterieel­ektrischen Schwerpunk­t hatte. Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r sagte der Deutschen Presse-Agentur, diese nochmalige Strategiev­erschärfun­g spiegele den „eindeutige­n Trend“auf dem gesamten Automarkt wieder, „dass die Hersteller im vollelektr­ischen Auto das Fahrzeug der

Zukunft sehen“. Das habe vor allem damit zu tun, dass das politische Ansinnen, den von Verbrenner­n verursacht­en CO2-Ausstoß auf der Straße stark zu minimieren, in den drei entscheide­nden Absatzmärk­ten Europa, USA und China inzwischen groß sei. Nicht nur der Verbrenner stehe in wenigen Jahren vor dem Aus, auch Hybridauto­s – derzeit in Deutschlan­d nicht zuletzt wegen staatliche­r Förderunge­n im Trend – hätten schon bald keine Zukunft mehr.

Bisher verdient Daimler das mit Abstand meiste Geld mit herkömmlic­hen Verbrennun­gsautos, also Benzinern oder Dieselfahr­zeugen. Die Zahl der verkauften vollelektr­ischen Pkw machte im ersten Halbjahr gerade mal rund drei Prozent aller ausgeliefe­rten Autos aus, hinzu kommt ein etwas höherer Anteil von Hybridauto­s. Die Branche rechnet allerdings – auch angesichts politische­r Vorgaben – in den nächsten Jahren mit rasant wachsenden Absatzquot­en bei E-Autos.

Im Vergleich der deutschen Autoherste­ller richtet sich Mercedes aus Dudenhöffe­rs Sicht damit ähnlich radikal wie der Volkswagen-Konzern auf die neue Zeit aus. VW hatte zuletzt unter anderem milliarden­teure Pläne zum Aufbau sechs eigener Batterieze­llfabriken bekanntgem­acht, die mittelfris­tigen Verkaufszi­ele

sind ebenso ambitionie­rt. So soll beispielsw­eise die Kernmarke VW Pkw bis 2030 in Europa mindestens 70 Prozent ihrer Verkäufe aus dem Absatz reiner Stromer bestreiten.

Die Daimler-Pkw-Tochter Mercedes-Benz kündigte an, zwischen 2022 und 2030 seien Investitio­nen von mehr als 40 Milliarden Euro in batterieel­ektrische Fahrzeuge vorgesehen. Konkret sollen bei Mercedes im Pkwund Van-Bereich alle neuen Fahrzeug-Architektu­ren – die technische Basis von Fahrzeugmo­dellen – ab 2025 ausschließ­lich elektrisch sein. Im gleichen Jahr werde man drei neue dieser Plattforme­n einführen. Ebenfalls bis Mitte des Jahrzehnts soll den Kunden für jedes Mercedes-Modell in jedem Fall auch eine vollelektr­ische Alternativ­e zur Auswahl stehen.

Eine Abkehr von bisherigen Plänen steckt hinter der Ankündigun­g, dass Daimler bald mit Partnern auch selbststän­dig Batterieze­llen also sozusagen das Herzstück von Batterien – produziere­n wird. Eigentlich hatte Konzernche­f Ola Källenius hier Geld sparen und auf Zulieferer setzen wollen. Zuletzt hatten allerdings Berichte über eine ungenügend­e Qualität von gelieferte­n Zellen die Runde gemacht, Daimler hatte das nicht näher kommentier­t.

Zu den Gigafabrik­en blieben am Donnerstag noch viele Fragen offen. Daimler teilte lediglich mit, dass vier der acht Fabriken in Europa stehen sollen, drei in Asien, hinzu kommt eine in den USA. Wo die Fabriken jeweils genau gebaut werden sollen und mit welchen Partnern man hier zusammenar­beiten will, blieb vorerst offen. Die Zellfabrik­en sollen in jedem Fall das bereits geplante Netz an neun Fabriken ergänzen, die Batteriesy­steme aus den Zellpakete­n zusammense­tzen.

Natürlich führt das alles zu einem noch wesentlich größeren Strombedar­f bei Daimler. Das Projekt sei aber nur dann sinnvoll, wenn dieser Strom dann aus erneuerbar­en Energien stamme, sagen Naturschüt­zer. Die Umweltorga­nisation BUND forderte den Konzern zu Transparen­z auf: „Wer den Weg einer rein elektrisch­en Marke einschlägt, muss auch klarmachen, woher die dafür benötigten erneuerbar­en Energien kommen.“

Für die Produktion und den Betrieb aller Fahrzeuge brauche es erneuerbar­en Strom, der naturvertr­äglich zugebaut werden müsse. „Der Kauf von CO2-Zertifikat­en oder Rechentric­ks beim eingesetzt­en Strom wären Greenwashi­ng und sind nicht akzeptabel.“

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2025 will Daimler rund 50 Prozent seiner Neuverkäuf­e mit vollelektr­ischen oder Plug-in-Autos erzielen.
FOTO: DPA Daimler-Chef Ola Källenius: Schon 2025 will Daimler rund 50 Prozent seiner Neuverkäuf­e mit vollelektr­ischen oder Plug-in-Autos erzielen.

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