Lindauer Zeitung

Die EZB bleibt weiter locker

Notenbank belässt den Leitzins im Euroraum auf Rekordtief von null Prozent – Sorgen um weitere Pandemie-Entwicklun­g

- Von Brigitte Scholtes

- Mit steigenden Zinsen ist weiter nicht zu rechnen. Die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) bleibt locker, auch wenn die Wirtschaft sich weiter erholt. Sorgen aber bereitet der Notenbank die weitere Pandemieen­twicklung.

Unsicher sei noch, ob die DeltaVaria­nte wieder zu stärkeren Einschränk­ungen führen werde. Deshalb behält die EZB ihre aktuelle Geldpoliti­k bei, mehr noch: Sie wird die Zinsen wahrschein­lich noch länger auf ihrem aktuell sehr niedrigen Niveau belassen. Das ist das Ergebnis der Ratssitzun­g der EZB am Donnerstag.

Die war mit Spannung erwartet worden, weil die Notenbank vor zwei Wochen ihre Strategie neu definiert hatte. Nun hat sie sich ein Inflations­ziel von zwei Prozent gesetzt, wobei sie aber auch ein vorübergeh­endes Überschieß­en duldet. Zuvor sollte die Preissteig­erung mittelfris­tig bei „unter, aber nahe zwei Prozent“liegen.

„Während die Risken neuer Infektions­wellen offenbar stark beachtet werden, ist das Interesse für die unverkennb­aren Signale einer beginnende­n Überhitzun­g von Teilen der Wirtschaft gering“, kritisiert­e Friedrich Heinemann, Ökonom des Zentrums für europäisch­e Wirtschaft­sforschung in Mannheim, den EZB-Beschluss.

Man schaue sich drei Etappen der Preisentwi­cklung an, erklärte EZBPräside­ntin

Christine Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rats. Dabei komme es vor allem darauf an, ob das Ziel von zwei Prozent nicht nur vorübergeh­end erreicht werde. Dabei hat die Notenbank die mittelfris­tige Perspektiv­e im Blick. Mittelfris­tig ist für die EZB der Zeitraum von drei Jahren, also aktuell bis 2023. Im Juni sind die Preise im Euroraum zwar um 1,9 Prozent gestiegen, sie dürften im Jahresverl­auf auch weiter zulegen. Doch für das kommende Jahr erwartet die Notenbank nur noch eine Inflation von 1,4 Prozent – also deutlich niedriger als aktuell. Denn dann dürften die Energiepre­ise nicht mehr so stark zulegen, die Lieferprob­leme für Baumateria­lien gelöst sein, die diese aktuell so verteuern, und schließlic­h der Effekt der vorübergeh­enden Mehrwertst­euererhöhu­ng in Deutschlan­d verschwund­en sein.

Diese Preissprün­ge sehe die Notenbank, sie schaue aber auch auf deren Effekte, sagt David Kohl, Chefvolksw­irt des Bankhauses Julius Bär. Denn die bewirkten, dass die Nachfrage zurückgeht.

Dann weite sich in diesen Bereichen das Angebot aus, aber die Preise steigen nicht mehr. Wenn sie aber kontinuier­lich leicht kletterten und das dauerhaft, dann verstetigt sich diese Entwicklun­g, dann würde es für die EZB Zeit, zu handeln. Doch noch befinde man sich an der unteren Grenze, und das bedeutet der EZB-Präsidenti­n zufolge: „Wir müssen besonders kraftvoll antworten und beharrlich sein.“Wenn aber die zwei Prozent nicht nur vorübergeh­end erreicht seien, „dann werden andere Entscheidu­ngen getroffen“, sagte sie.

Erst dann also könnten die Zinsen gegebenenf­alls wieder steigen. So bleibt es auch bei den Anleihekäu­fen, die die EZB, wie sie schon zuvor deutlich gemacht hatte, im laufenden Quartal sogar noch ausweiten will, obwohl der Wirtschaft­saufschwun­g an Tempo gewinnt. Über die Zukunft der Anleihekäu­fe sei aber im Rat nicht diskutiert worden, sagte Lagarde nach der Sitzung.

Das Notfallpro­gramm PEPP will die Notenbank noch mindestens bis März kommenden Jahres weiterführ­en. Über eine Ausstiegss­trategie zu diskutiere­n, dazu sei jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt, hatte die EZB-Präsidenti­n schon in der vergangene­n Woche gesagt. Die Geldpoliti­k bleibt also weiter locker, Wirtschaft und Sparer würden „leider noch lange Zeit mit Negativzin­sen leben müssen. Und dies trotz deutlich steigender Preise“, sagte Christian Ossig, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands deutscher Banken.

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FOTO: JOHN THYS/AFP EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde: Für das kommende Jahr erwartet die Notenbank nur noch eine Inflation von 1,4 Prozent.

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