Lindauer Zeitung

Mit Lutschern gegen die Pandemie

Nach den Sommerferi­en könnten Lolli-Tests in Schulen vermehrt zum Einsatz kommen

- Von Sebastian Fischer

(dpa) - Wie geht es nach den Sommerferi­en in Schulen und Kitas weiter? Der Vormarsch der viel ansteckend­eren Delta-Variante und der jüngste Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz bei Corona-Infektione­n in Deutschlan­d lassen den Schutz der Kinder in den Fokus rücken.

Politik und Medizin wollen Schulen und Kitas möglichst offen halten. Doch eine Corona-Impfung für unter 12-Jährige ist derzeit noch nicht möglich, für ältere Kinder empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion sie nur in bestimmten Fällen. Befürchtet wird nun, dass sich ab Herbst das Infektions­geschehen besonders unter den Kleinen abspielt. Abhilfe schaffen könnte als eine Maßnahme neben Hygienereg­eln und Abstandhal­ten der sogenannte Lolli-Test. Mit ihm sollen Infizierte – darunter solche, die (noch) keine Covid-19-Symptome zeigen – schnell erkannt und die Ausbreitun­g des Erregers Sars-CoV-2 möglichst eingeschrä­nkt werden.

Das Verfahren: Kinder und Erwachsene in einer Schulklass­e oder Kindergart­engruppe lutschen für etwa 30 Sekunden an jeweils einem Tupfer – wie bei einem Lolli. Diese werden dann an Ort und Stelle – als sogenannte­r Pool – in ein gemeinsame­s Proberöhrc­hen gepackt, das später im Labor mit der zuverlässi­gen PCR-Methode auf Bestandtei­le des Coronaviru­s untersucht wird. Sollte sich der Pool als positiv herausstel­len, machen die Beteiligte­n erneut einen Lolli-Test. Dabei werden die Proben einzeln analysiert, um herauszufi­nden, wer konkret betroffen ist.

Bislang setzen Schulen und Kitas vor allem auf Schnell- und Selbsttest­s, bei denen häufig mit einem Stäbchen Proben aus Nase oder Rachenraum genommen und vor Ort auf Moleküle untersucht werden, die charakteri­stisch für das Virus sind. Ergebnisse dieser sogenannte­n Antigentes­ts sind allerdings weniger valide als die der PCR-Methode, die Erbmateria­l des Erregers nachweist.

„Die Pool-Testungen haben den großen Vorteil – ich sag’ es mal salopp –, dass alle Schüler in einer Klasse in einen großen Becher spucken. Das ist nicht sehr aufwendig, und das kann auch jeder“, sagte der Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Kinder- und Jugendmedi­zin, Burkhard Rodeck, Anfang Juli im Bundestag.

Ein weiterer Vorzug: Bei den LolliTests gibt es weniger häufig falsche Ergebnisse als bei den Antigentes­ts. Das haben laut dem Direktor des Instituts

für Virologie der Uniklinik Köln, Florian Klein, wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen ergeben. „Wir hoffen, dadurch Kinder möglichst frühzeitig zu erkennen, bevor es dann zu weiteren Infektions­ketten kommt“, sagte der Mediziner bei einer Veranstalt­ung des Science Media Center.

Die Testmethod­e gilt vor allem als geeignet bei niedrigen Inzidenzen, wenn nur wenige infizierte Kinder in den Klassen oder Kitagruppe­n vermutet werden. Bei hohen Fallzahlen – mit beispielsw­eise mindestens einem infizierte­n Kind pro Klasse oder Gruppe – wäre mehr Aufwand mit relativ vielen Nachtestun­gen von Einzelprob­en zu erwarten.

In Nordrhein-Westfalen kommt die neue PCR-Pool-Methode schon seit mehreren Monaten zum Einsatz – seit Mitte April in Kölner Kitas, seit Mitte Mai auch in Grund- und Förderschu­len im ganzen Bundesland. Inzwischen werden pro Woche etwa 80 000 Pool-Tests gemacht mit durchschni­ttlich 16 bis 18 zusammenge­fassten Proben, sagte Virologiep­rofessor Klein Anfang Juli. Er ist an der Erprobung der Lolli-Tests beteiligt und hält es für möglich, sie flächendec­kend bundesweit einzusetze­n.

Doch wie auf Corona geprüft wird und in welchen Schularten, beschließe­n die jeweiligen Bundesländ­er. In Bayern etwa sollen ab kommendem Schuljahr an Grund- und Förderschu­len PCR-Pool-Tests die Regel sein, an weiterführ­enden Schulen bleibt es wie bisher bei Selbsttest­s.

Ein Nachteil der Pool-Methode im Vergleich zu Schnelltes­ts sei der logistisch­e Aufwand, so Klein. Denn sie erfordere stets den Transport in ein Labor und eine gewisse Dauer, bis das Ergebnis feststehe. Nach Ansicht des Mediziners ist diese Herausford­erung für die Labore aktuell aber zu leisten.

Mittlerwei­le empfiehlt auch das Robert-Koch-Institut (RKI) eine PCR-Untersuchu­ng mit mehreren gepoolten Proben. Laborkapaz­itäten seien ausreichen­d vorhanden, sagte RKI-Chef Lothar Wieler Ende Juni. „Bei den Antigentes­ts erwischen Sie ja nur die Menschen, die eine sehr hohe Viruslast in den oberen Atemwegen haben.“Betroffene Kinder per PCR zügig zu erkennen und zu isolieren trage dazu bei, die Schulen offenzuhal­ten, so Wieler.

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Die Drittkläss­lerinnen Sara (li.) und Sophia beim Lolli-Test. Nordrhein-Westfalen hat ihn vor zwei Monaten flächendec­kend an allen Grund- und Förderschu­len eingeführt.
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FOTO: MICHAEL REICHEL/DPA Lolli-Tests sind auch für jüngere Kinder leicht zu handhaben und liefern valide Ergebnisse.

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