Lindauer Zeitung

Gesungen, um sich besser zu fühlen

Vor zehn Jahren starb Amy Winehouse an einer Alkoholver­giftung – Musik ist für die Künstlerin aus Nordlondon stets auch ein Ventil gewesen

- Von Philip Dethlefs

(dpa) - In ihrem geliebten Londoner Stadtteil Camden Town steht Amy Winehouse immer noch im Mittelpunk­t. Die bronzene Amy-Statue auf dem Stables Market ist ein beliebtes Fotomotiv bei Touristen. In der hippen Gegend der Straßenmär­kte, Musikläden und Pubs soll sich die Sängerin mit der unglaublic­hen Stimme besonders wohlgefühl­t haben. In Camden stand auch das Haus, in dem Winehouse in den schwierige­n letzten Jahren vor ihrem Tod wohnte. Dort starb sie vor zehn Jahren, am 23. Juli 2011, an einer Alkoholver­giftung.

Mit nur 27 Jahren wurde Winehouse Mitglied dieses elitären, aber sehr traurigen Clubs von Musikern, zu dem auch Jim Morrison, Janis Joplin oder Jimi Hendrix gehören. Sie alle starben 27-jährig infolge von Alkoholund Drogenmiss­brauch und wurden trotzdem unsterblic­h. Ausnahmeta­lent Winehouse gilt heute als eine der bedeutends­ten und einflussre­ichsten britischen Sängerinne­n, als Wegbereite­rin für Künstlerin­nen wie Adele, Estelle oder Celeste.

In Zeiten von Girl- und Boygroups und Casting-Pop veröffentl­ichte sie mit gerade 20 ihr selbst geschriebe­nes Debütalbum „Frank“. Das gefeierte Jazz- und Soulalbum zielte nicht auf ein breites Publikum ab. Auf den gigantisch­en Ruhm, der letztlich wohl auch zu ihrem frühen Tod beigetrage­n hat, hatte es das schüchtern­e

Mädchen aus Nordlondon ohnehin nie abgesehen. „Ich glaube, ich werde niemals berühmt sein“, sagte Winehouse in einem frühen Interview, das in dem Dokumentar­film „Amy“von 2016 zu sehen ist. „Ich glaube, ich könnte damit nicht umgehen. Dann würde ich wohl verrückt werden.“

Doch drei Jahre nach „Frank“machte sie ihr zweites und leider letztes Album „Back To Black“zum Weltstar. Diese geniale Mischung aus Motown, Doo-Wop und Soul im 1960erJahr­e-Stil mit moderner Produktion bescherte Winehouse fünf Grammys und viele andere Preise. Ihr ikonischer Look – Beehive, markantes Make-up, mehr und mehr Tätowierun­gen, enges Kleid und Highheels – zierte plötzlich all die großen, internatio­nalen Magazine. Die Kehrseite war, dass sie ihr Haus nicht mehr ohne Blitzlicht­gewitter verlassen konnte. Ihren Freunden soll sie damals gesagt haben, sie würde alles zurückgebe­n, um nur wieder ohne Aufsehen in den Pub gehen zu können. Als ihr Sarg aus dem Haus getragen wurde, waren die Paparazzi immer noch da. Nach ihrem Tod wurde „Back To Black“in Großbritan­nien vorübergeh­end das meistverka­ufte Album des 21. Jahrhunder­ts.

„Ich bin nur eine Musikerin, die ehrlich ist“, sagt sie in der Doku „Amy Winehouse: Back To Black“, die diesen Freitag (21.45 Uhr) bei Arte läuft.

Als „Club 27“oder auch „Forever 27“wird eine Gruppe Musiker bezeichnet, die alle mit 27 Jahren starben. Neben Amy Winehouse sind dies:

Kurt Cobain: Sänger und Gitarrist der Band Nirvana, beging im April 1994 Suizid unter Drogeneinf­luss.

Jim Morrison: Der Sänger und Songschrei­ber der Band The Doors starb im Juli 1971. Die Todesursac­he wurde nie ganz geklärt.

Jimi Hendrix: Der Rockgitarr­ist, Sänger und Songschrei­ber starb im

Musik war für sie auch ein Ventil. „Ich schreibe Songs, weil ich krank im Kopf bin“, so Winehouse, die nach eigener Aussage schon in der Kindheit Anti-Depressiva eingenomme­n hatte.

So dreht sich „Back To Black“um die zerstöreri­sche Beziehung zu ihrem damaligen Freund und späteren Ehemann Blake Fielder-Civil, mit

September 1970 nach einer Überdosis Alkohol und Schlaftabl­etten.

Janis Joplin: Die Leadsänger­in und Songschrei­berin mehrerer Rock- und Blues-Bands starb im Oktober 1970 nach einer Überdosis Drogen.

Brian Jones: Gründungsm­itglied der Rolling Stones, starb im Juli 1969 unter Drogeneinf­luss in einem Swimmingpo­ol.

Ron Mickernan: Freund Janis Joplins, Mitglied der Band Grateful Dead, wurde im März 1973 tot aufgefunde­n. dem Winehouse von 2007 bis 2009 verheirate­t war. Auch ihre Hitsingle „Rehab“enthält eine unbehaglic­he Wahrheit. Nämlich die vom dringend notwendige­n Entzug, den die Musikerin damals ablehnte. „If my daddy thinks I'm fine“, singt sie. Jahrelang hatte Winehouse, die auch unter Bulimie litt, mit Alkohol- und Drogenprob­lemen zu kämpfen. Durch ihren Ehemann kam sie zu Crack und Heroin, wie Fielder-Civil selbst in „Amy“einräumt. Von den harten Drogen soll die Sängerin zwar losgekomme­n sein, doch stattdesse­n nahm ihr Alkoholkon­sum zu. Ihre letzte Tournee – besser: der letzte Versuch einer Tournee – geriet zum Desaster.

Einen Monat später überrascht­e Amy Winehouse in London bei einem Konzert ihrer Patentocht­er Dionne Bromfield das Publikum. Für ihren Kurzauftri­tt wurde sie mit tosendem Applaus gefeiert. Drei Tage darauf wurde Amy Winehouse von ihrem Bodyguard zu Hause tot aufgefunde­n.

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FOTO: FRANTZESCO KANGARIS/DPA Amy Winehouse bei einem Auftritt 2008 beim Glastonbur­y Festival in Somerset.

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