Lindauer Zeitung

Für Lightweigh­t geht’s wieder bergauf

Carbovatio­n GmbH aus Friedrichs­hafen will die Mega-Märkte USA und China erobern

- Von Jens Lindenmüll­er

- Insolvenz, Übernahme, Corona: Die ehemalige Carbofibre­tec GmbH, Spezialist für Faserverbu­ndstoffe und bekannt vor allem für die Premium-Radsportma­rke Lightweigh­t, hat zwei turbulente Jahre hinter sich. Nach dem Einstieg der Dortmunder MurtfeldtG­ruppe als Mehrheitsg­esellschaf­ter ist sie zusammen mit der Vertriebsf­irma Carbonspor­ts in der neu gegründete­n Carbovatio­n GmbH aufgegange­n – und befindet sich, abgesehen von einer Corona-Delle im vergangene­n Jahr, wieder auf Wachstumsk­urs.

Der Glanz der Häfler HightechMa­rke Lightweigh­t ist in den vergangene­n Jahren ein bisschen verblasst. Laufräder aus Carbon sind an Rennrädern mittlerwei­le Standard, längst haben alle relevanten Hersteller eigene im Programm. Gleichwert­ige oder gar bessere hat aber offenbar immer noch keiner der großen Mitbewerbe­r auf den Markt gebracht. Jedenfalls ist im Profiradsp­ort nach wie vor zu beobachten, dass TopTeams wie Ineos Grenadiers oder Israel Start-Up ihren Spitzenfah­rern insbesonde­re dann, wenn es in den Bergen auf jede Sekunde annkommt, lieber selbst bezahlte HäflerHigh­tech-Räder an die Rennmaschi­nen montieren als jene, die sie von ihren Ausrüstern gratis gestellt bekommen.

Eine eingebaute Sieggarant­ie haben Lightweigh­ts natürlich nicht, dennoch ist Carsten Krumm, seit April 2020 Mitgesells­chafter und Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Carbovatio­n GmbH, überzeugt: „In der Kombinatio­n aus Gewicht und Steifigkei­t sind sie immer noch die besten Laufräder, die es gibt.“Ein hochwertig­es und hochpreisi­ges Premium-Produkt „made in Germany“sollen sie zwar auch bleiben. Um die Marke und das dahinterst­ehende Unternehme­n nach der Insolvenz auch wirtschaft­lich in eine erfolgreic­he Zukunft zu führen, galt und gilt es aber, an der einen oder anderen Stellschra­ube zu drehen.

Zum Beispiel, um die Effizienz in der Produktion zu steigern. „Die haben wir komplett auf links gedreht“, sagt Carsten Krumm. 120 Arbeitssch­ritte und sehr viel Handarbeit führen einerseits zwar zu einer technische­n Überlegenh­eit, die stattliche Verkaufspr­eise erfordert und rechtferti­gt – je nach Modell kann ein Satz Lightweigh­ts schon mal mehr als 5000 Euro kosten. Anderersei­ts ist es angesichts dieses immensen Aufwands eine große Herausford­erung, höhere Stückzahle­n zu produziere­n – zumal, wenn es an Personal fehlt. „Mitarbeite­r zu finden, ist aktuell unser größtes Wachstumsp­roblem“, sagt Carsten Krumm. Carbovatio­n beschäftig­e derzeit rund 100 Mitarbeite­r – und suche händeringe­nd weitere.

Wachstumsp­otenzial sieht Krumm für Lightweigh­t generell jede Menge, auch wenn die Laufräder aus Friedrichs­hafen immer ein Nischenund Premium-Produkt für ambitionie­rte Radsportle­r bleiben werden. Da sind zum einen aktuelle

Trends wie die extrem boomenden Gravelbike­s, die neue Marktsegme­nte eröffnen. Und da sind zum anderen große internatio­nale Märkte, die die Carbovatio­n GmbH gezielter und mit eigenem Vertriebsn­etz bearbeiten will. In den USA, dem größten Radsportma­rkt der Welt, geht’s gerade an die Gründung einer Tochterges­ellschaft, für China ist das Ziel mittelbis langfristi­g das gleiche. „Da sind wir aber noch nicht so weit“, sagt Carsten Krumm.

Die Marke Lightweigh­t war zuletzt immer noch das kräftigere Standbein der Carbovatio­n GmbH und hat auch dafür gesorgt, dass die Auftragsla­ge nach einem KomplettEi­nbruch im Zuge der Corona-Pandemie im April 2020 im Sog des allgemeine­n Fahrrad-Booms relativ schnell wieder angezogen hat. Auf Wachstumsk­urs befindet sich laut Krumm mittlerwei­le aber auch das zweite Standbein, die Division Industry, die langfristi­g 50 Prozent zum Umsatz beisteuern soll. Insbesonde­re in der Luft- und Raumfahrt und im Maschinenb­au wollen sich die Kohleund Glasfaser-Experten aus Friedrichs­hafen in der Entwicklun­g von Leichtbaut­eilen als strategisc­her Partner weiter etablieren.

„Leichtbau ist ein Zukunftsma­rkt“, sagt Carsten Krumm – verhehlt aber auch nicht, dass es zwischenze­itlich eine ganze Menge Unternehme­n gibt, die auf diesem Markt mitmischen wollen. „Da heißt es, zu differenzi­eren“, sagt er. Und zu fokussiere­n aufs Kerngeschä­ft – was im Falle Lightweigh­t zum Beispiel bedeutet, keine Rahmen oder kompletten Rennräder mehr zu entwickeln und zu bauen, sondern das, wofür die Marke in allererste­r Linie immer stand und heute noch steht: Laufräder. Allerdings in einer größeren Bandbreite als bisher. Für unterschie­dliche Einsatzzwe­cke, aber auch für unterschie­dlich dicke Geldbeutel. Wobei sich die generelle Zielgruppe nicht ändern wird: „Radsportle­r, die bereit sind, 10 000 Euro und mehr in ihre Rennmaschi­nen zu stecken.“Wobei Carsten Krumm das Wort „Sportler“dabei extra betont. Denn eine Yuppieoder Hipster-Marke soll Lightweigh­t nicht werden.

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FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER Soll die Marke Lightweigh­t und die dahinterst­ehende Carbovatio­n GmbH in eine auch wirtschaft­lich erfolgreic­he Zukunft führen: Carsten Krumm, seit April 2020 Mitgesells­chafter und Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung.

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