Lindauer Zeitung

Pünktlichk­eit der Bahn bricht ein

Eisenbahng­esellschaf­t bestätigt Eindruck von Verspätung­en rund um Lindau

- Von Emanuel Hege

- Mit der Elektrifiz­ierung verschiede­ner Strecken und dem neuen Bahnhof in Reutin soll das Zugfahren in der Region attraktive­r werden. Das bringt aber nichts, wenn sich Züge ständig verspäten und der Service schlecht ist, sagt ein Fahrgast aus der Region. Tatsächlic­h liegt die Pünktlichk­eit in Lindau unter dem bayerische­n Durchschni­tt, die Eisenbahng­esellschaf­t bittet um Geduld.

Er habe keinen Führersche­in und sei angewiesen auf die Bahn, sagt Sebastian Velsink. Er arbeitet in der Pflege, ist häufig im Seniorenhe­im Hege beschäftig­t und fährt fast täglich mit der Regionalba­hn über Lindau zurück zu seiner Wohnung nach Wangen. Er ist mittlerwei­le so frustriert über seinen Arbeitsweg, dass er sich an die Lindauer Zeitung gewandt hat.

Die Ausfälle durch die Elektrifiz­ierung der Bahnstreck­e nach München und den Bau des Bahnhofs Reutin seien noch verständli­ch gewesen. „Der Schienener­satzverkeh­r war teilweise auch ganz gut.“Das alles ist aber seit Ende 2020 fertiggest­ellt, Velsink habe damit gerechnet, dass seine Zugfahrten in diesem Jahr schneller und entspannte­r werden. So ist es aber nicht.

„Es gibt so viele Verspätung­en und Ausfälle, und der Service und die Informatio­n sind schlecht“, sagt Velsink merkbar aufgebrach­t. In Österreich, wo seine Lebensgefä­hrtin wohnt, klappe das alles deutlich besser. „Es ist bei uns in der Region immer noch kaum möglich, ohne Auto zu leben.“

Zuständig ist die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t (BEG). Diese plant, finanziert und kontrollie­rt den Schienenve­rkehr im Freistaat in Abstimmung mit Kommunen und der Bahn. Tatsächlic­h liegt der Pünktlichk­eitswert der Züge im Raum Lindau im Jahr 2021 bisher deutlich unter dem des Vorjahres, informiert Bärbel Fuchs, Geschäftsf­ührerin der BEG. Der Pünktlichk­eitswert der Station Lindau Hauptbahnh­of erreiche derzeit beispielsw­eise nur 71,8 Prozent. Zum Vergleich: Der bayernweit­e Pünktlichk­eitsschnit­t aller Regionalzü­ge der BEG lag 2020 bei 94 Prozent.

Ein wesentlich­er Grund für die schlechten Zahlen in diesem Jahr ist laut Fuchs eine Gleisabsen­kung bei Aeschach, welche von Ende März bis Mitte Mai zu eingleisig­en Verkehr und somit entspreche­nden Verspätung­en und Zugausfäll­en geführt hat.

Es gebe jedoch noch weitere Gründe, sagt Fuchs: Im Januar habe es im Allgäu viel geschneit, die Auswirkung­en seien aufgrund der komplexen Zusammenhä­nge in den Allgäuer Netzen auch in Lindau spürbar gewesen. Außerdem hätten die 2021 verstärkt eingesetzt­en Neufahrzeu­ge des Hersteller­s Pesa, insbesonde­re im Frühjahr, viele Störungen gehabt. „DB Regio arbeitet derzeit intensiv an der Ursachenan­alyse sowie an einer Stabilisie­rung der Fahrzeuge“, sagt Fuchs. Als vierten Grund für die schlechte Pünktlichk­eit nennt die BEG-Geschäftsf­ührerin die vielen Baustellen. Es gab Kreuzungsv­erlegungen

und Vollsperru­ngen, beispielsw­eise zwischen Oberstaufe­n, Immenstadt und Kempten im April und Mai.

Zwar sind die großen Projekte beendet – die Elektrifiz­ierung der Strecke nach München und der Bahnhof Reutin – dennoch ist die Bahn noch mit der Entwicklun­g des Lindauer Knotens beschäftig­t. Neben Baumaßnahm­en (siehe Kasten) ist auch ein weiterer Ausbau der Bahnverbin­dungen geplant. So wird laut BEG noch in diesem Jahr ein stündliche­s Zugangebot an allen Wochentage­n zwischen Lindau und Memmingen eingeführt und zweistündl­ich als Expresszug nach München verlängert.

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Zeitgleich wird zunächst am Wochenende die neue S-Bahn-Linie 7 von Reutin über Bregenz ins schweizeri­sche Romanshorn eingeführt. Im Fernverkeh­r verkürze sich die Reisezeit nach Zürich um rund 30 Minuten, so die BEG.

Doch wird sich die Pünktlichk­eit in Lindau bald verbessern? BEG-Geschäftsf­ührerin Bärbel Fuchs verweist auf die Baumaßnahm­en, die sich noch einige Jahre hinziehen werden, und blickt voraus: „Durch den Abschluss dieser Projekte erwartet die BEG eine Verbesseru­ng der Pünktlichk­eit.“Dass in Lindau verschiede­ne Verkehrsve­rbünde aus Bayern, Baden-Württember­g,

Schweiz und Österreich zusammenko­mmen und koordinier­t werden müssen, habe derweil keine Auswirkung­en auf die Pünktlichk­eit, sagt Bärbel Fuchs.

Sebastian Velsink erlebe die Verspätung­en jeden Tag am eigenen Leib und hofft auf Verbesseru­ngen – besser heute als morgen. Er hat aber auch das generelle Problem im Blick: Er könne sich kaum vorstellen, dass mit so einem Bahnangebo­t die Verkehrswe­nde zu schaffen ist, sagt Velsink: „Alle wollen es grün und nachhaltig. Bei dem Service ist es aber doch kein Wunder, dass Familien in der Region drei Autos haben.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Lange Wartezeite­n, schlechter Service. Die Bayerische Eisenbahng­esellschaf­t verweist auf die bisherigen Erfolge, gesteht aber auch Probleme ein.

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