Pünktlichkeit der Bahn bricht ein
Eisenbahngesellschaft bestätigt Eindruck von Verspätungen rund um Lindau
- Mit der Elektrifizierung verschiedener Strecken und dem neuen Bahnhof in Reutin soll das Zugfahren in der Region attraktiver werden. Das bringt aber nichts, wenn sich Züge ständig verspäten und der Service schlecht ist, sagt ein Fahrgast aus der Region. Tatsächlich liegt die Pünktlichkeit in Lindau unter dem bayerischen Durchschnitt, die Eisenbahngesellschaft bittet um Geduld.
Er habe keinen Führerschein und sei angewiesen auf die Bahn, sagt Sebastian Velsink. Er arbeitet in der Pflege, ist häufig im Seniorenheim Hege beschäftigt und fährt fast täglich mit der Regionalbahn über Lindau zurück zu seiner Wohnung nach Wangen. Er ist mittlerweile so frustriert über seinen Arbeitsweg, dass er sich an die Lindauer Zeitung gewandt hat.
Die Ausfälle durch die Elektrifizierung der Bahnstrecke nach München und den Bau des Bahnhofs Reutin seien noch verständlich gewesen. „Der Schienenersatzverkehr war teilweise auch ganz gut.“Das alles ist aber seit Ende 2020 fertiggestellt, Velsink habe damit gerechnet, dass seine Zugfahrten in diesem Jahr schneller und entspannter werden. So ist es aber nicht.
„Es gibt so viele Verspätungen und Ausfälle, und der Service und die Information sind schlecht“, sagt Velsink merkbar aufgebracht. In Österreich, wo seine Lebensgefährtin wohnt, klappe das alles deutlich besser. „Es ist bei uns in der Region immer noch kaum möglich, ohne Auto zu leben.“
Zuständig ist die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG). Diese plant, finanziert und kontrolliert den Schienenverkehr im Freistaat in Abstimmung mit Kommunen und der Bahn. Tatsächlich liegt der Pünktlichkeitswert der Züge im Raum Lindau im Jahr 2021 bisher deutlich unter dem des Vorjahres, informiert Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der BEG. Der Pünktlichkeitswert der Station Lindau Hauptbahnhof erreiche derzeit beispielsweise nur 71,8 Prozent. Zum Vergleich: Der bayernweite Pünktlichkeitsschnitt aller Regionalzüge der BEG lag 2020 bei 94 Prozent.
Ein wesentlicher Grund für die schlechten Zahlen in diesem Jahr ist laut Fuchs eine Gleisabsenkung bei Aeschach, welche von Ende März bis Mitte Mai zu eingleisigen Verkehr und somit entsprechenden Verspätungen und Zugausfällen geführt hat.
Es gebe jedoch noch weitere Gründe, sagt Fuchs: Im Januar habe es im Allgäu viel geschneit, die Auswirkungen seien aufgrund der komplexen Zusammenhänge in den Allgäuer Netzen auch in Lindau spürbar gewesen. Außerdem hätten die 2021 verstärkt eingesetzten Neufahrzeuge des Herstellers Pesa, insbesondere im Frühjahr, viele Störungen gehabt. „DB Regio arbeitet derzeit intensiv an der Ursachenanalyse sowie an einer Stabilisierung der Fahrzeuge“, sagt Fuchs. Als vierten Grund für die schlechte Pünktlichkeit nennt die BEG-Geschäftsführerin die vielen Baustellen. Es gab Kreuzungsverlegungen
und Vollsperrungen, beispielsweise zwischen Oberstaufen, Immenstadt und Kempten im April und Mai.
Zwar sind die großen Projekte beendet – die Elektrifizierung der Strecke nach München und der Bahnhof Reutin – dennoch ist die Bahn noch mit der Entwicklung des Lindauer Knotens beschäftigt. Neben Baumaßnahmen (siehe Kasten) ist auch ein weiterer Ausbau der Bahnverbindungen geplant. So wird laut BEG noch in diesem Jahr ein stündliches Zugangebot an allen Wochentagen zwischen Lindau und Memmingen eingeführt und zweistündlich als Expresszug nach München verlängert.
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Zeitgleich wird zunächst am Wochenende die neue S-Bahn-Linie 7 von Reutin über Bregenz ins schweizerische Romanshorn eingeführt. Im Fernverkehr verkürze sich die Reisezeit nach Zürich um rund 30 Minuten, so die BEG.
Doch wird sich die Pünktlichkeit in Lindau bald verbessern? BEG-Geschäftsführerin Bärbel Fuchs verweist auf die Baumaßnahmen, die sich noch einige Jahre hinziehen werden, und blickt voraus: „Durch den Abschluss dieser Projekte erwartet die BEG eine Verbesserung der Pünktlichkeit.“Dass in Lindau verschiedene Verkehrsverbünde aus Bayern, Baden-Württemberg,
Schweiz und Österreich zusammenkommen und koordiniert werden müssen, habe derweil keine Auswirkungen auf die Pünktlichkeit, sagt Bärbel Fuchs.
Sebastian Velsink erlebe die Verspätungen jeden Tag am eigenen Leib und hofft auf Verbesserungen – besser heute als morgen. Er hat aber auch das generelle Problem im Blick: Er könne sich kaum vorstellen, dass mit so einem Bahnangebot die Verkehrswende zu schaffen ist, sagt Velsink: „Alle wollen es grün und nachhaltig. Bei dem Service ist es aber doch kein Wunder, dass Familien in der Region drei Autos haben.“