Lindauer Zeitung

Von Grund auf peinlich

- Von Felix Alex f.alex@schwaebisc­he.de

Dass Stefan Kuntz nun als schlechter Verlierer rüberkommt, der am Ende der kurzen Reise auch noch den Gastgeber kritisiert, hinterläss­t in der Wahrnehmun­g ein Geschmäckl­e, das die Fußballer nicht verdient haben. Immerhin war das frühe Ausscheide­n eher der erwartbare Verlauf als die große Überraschu­ng. Dass es nicht für die nächste Wunderstor­y reichen würde, war spätestens bei der Kadernomin­ierung klar, als der Trainer von seiner 100er-Liste erzählte, von denen 18 mühsam zusammgeke­hrte – das soll nicht despektier­lich klingen – Not-Kicker der Nation Ehre bringen sollten. Unabhängig vom Sportliche­n ist es nun an der Zeit, die Ursachen des Debakels anzuprange­rn. Wenn ein Superstar wie Neymar nur mit Mühe davon abgehalten werden kann, in seinen übervollen Terminkale­nder

auch noch Olympia zu stopfen und die Spanier mit EM-Fahrern anreisen, dann ist es verwunderl­ich, dass in der Fußballnat­ion Deutschlan­d einige Kicker aus der zweiten Reihe ihre seltene Chance auf das Adler-Trikot einfach ablehnen und – noch schlimmer – Clubs ihnen dieses Schaufenst­er verbieten. Wenn BVB-Boss Aki Watzke sagt, dass „man nicht erst eine EM spielen kann und dann Olympia – und dann sollen die, die alles bezahlen, nämlich die Clubs, das schwächste Glied in der Nahrungske­tte sein“, dann ist das nicht nur peinlich, sondern ein Armutszeug­nis für die Bundesliga, führt all die Demutsbeku­ndungen der vergangene­n Monate ad absurdum und gehört – wie so manch Auswüchse der Branche – akut scharf angeprange­rt.

Und so fliegen Kuntz und Co. mit gemischten Gefühlen vorzeitig heim. Auch weil der DFB-Tross vom olympische­n Flair in Japan nicht viel mitbekomme­n hat. „Wir waren kaserniert, waren eingesperr­t, durften nicht auf die Straße gehen und erst nach langem Hin und Her überhaupt einen Balkon öffnen. Wir hätten gerne andere Sportler und andere Leute in diesem schönen Land kennengele­rnt“, sagte Kuntz: .„Wir haben die Menschen hier sehr freundlich kennengele­rnt. Ansonsten war von dem olympische­n Gefühl aus meiner Sicht überhaupt nichts vorhanden, außer bei den zwei Besuchen im olympische­n Dorf.“

Ob Kuntz nun DFB-Trainer bleibt, ist offen. Der Frage wich er aus. „Wenn ich sofort nach dem Spiel etwas über meine Zukunft sagen könnte, wäre ich nicht voll bei dem Spiel gewesen. Da mache ich mir in Ruhe Gedanken“, so der 58-Jährige. Kuntz hatte schon nach dem EM-Triumph mit der U21 im Juni angekündig­t, nach Olympia „das Ganze wirken lassen“zu wollen. Zuletzt hatten russische Medien berichtet, er sei einer der Kandidaten für den Job des russischen Nationaltr­ainers. Über all das kann Kuntz sich nun schon am Donnerstag Gedanken machen – auf dem langen Heimflug nach Deutschlan­d.

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