Von Grund auf peinlich
Dass Stefan Kuntz nun als schlechter Verlierer rüberkommt, der am Ende der kurzen Reise auch noch den Gastgeber kritisiert, hinterlässt in der Wahrnehmung ein Geschmäckle, das die Fußballer nicht verdient haben. Immerhin war das frühe Ausscheiden eher der erwartbare Verlauf als die große Überraschung. Dass es nicht für die nächste Wunderstory reichen würde, war spätestens bei der Kadernominierung klar, als der Trainer von seiner 100er-Liste erzählte, von denen 18 mühsam zusammgekehrte – das soll nicht despektierlich klingen – Not-Kicker der Nation Ehre bringen sollten. Unabhängig vom Sportlichen ist es nun an der Zeit, die Ursachen des Debakels anzuprangern. Wenn ein Superstar wie Neymar nur mit Mühe davon abgehalten werden kann, in seinen übervollen Terminkalender
auch noch Olympia zu stopfen und die Spanier mit EM-Fahrern anreisen, dann ist es verwunderlich, dass in der Fußballnation Deutschland einige Kicker aus der zweiten Reihe ihre seltene Chance auf das Adler-Trikot einfach ablehnen und – noch schlimmer – Clubs ihnen dieses Schaufenster verbieten. Wenn BVB-Boss Aki Watzke sagt, dass „man nicht erst eine EM spielen kann und dann Olympia – und dann sollen die, die alles bezahlen, nämlich die Clubs, das schwächste Glied in der Nahrungskette sein“, dann ist das nicht nur peinlich, sondern ein Armutszeugnis für die Bundesliga, führt all die Demutsbekundungen der vergangenen Monate ad absurdum und gehört – wie so manch Auswüchse der Branche – akut scharf angeprangert.
Und so fliegen Kuntz und Co. mit gemischten Gefühlen vorzeitig heim. Auch weil der DFB-Tross vom olympischen Flair in Japan nicht viel mitbekommen hat. „Wir waren kaserniert, waren eingesperrt, durften nicht auf die Straße gehen und erst nach langem Hin und Her überhaupt einen Balkon öffnen. Wir hätten gerne andere Sportler und andere Leute in diesem schönen Land kennengelernt“, sagte Kuntz: .„Wir haben die Menschen hier sehr freundlich kennengelernt. Ansonsten war von dem olympischen Gefühl aus meiner Sicht überhaupt nichts vorhanden, außer bei den zwei Besuchen im olympischen Dorf.“
Ob Kuntz nun DFB-Trainer bleibt, ist offen. Der Frage wich er aus. „Wenn ich sofort nach dem Spiel etwas über meine Zukunft sagen könnte, wäre ich nicht voll bei dem Spiel gewesen. Da mache ich mir in Ruhe Gedanken“, so der 58-Jährige. Kuntz hatte schon nach dem EM-Triumph mit der U21 im Juni angekündigt, nach Olympia „das Ganze wirken lassen“zu wollen. Zuletzt hatten russische Medien berichtet, er sei einer der Kandidaten für den Job des russischen Nationaltrainers. Über all das kann Kuntz sich nun schon am Donnerstag Gedanken machen – auf dem langen Heimflug nach Deutschland.