Lindauer Zeitung

Bahn kommt nur langsam wieder in Fahrt

Konzern rechnet mit zwei Milliarden Euro Verlust und kämpft mit Schuldenla­st

- Von Wolfgang Mulke

- Die Pandemie reißt weiterhin tiefe Löcher in die Bilanz der Deutschen Bahn. Rund zwei Milliarden Euro Verlust werden es nach Schätzung des Unternehme­ns in diesem Jahr am Ende sein. In den ersten sechs Monaten summierte sich das Minus nach Zinsen und Steuern bereits auf 1,4 Milliarden Euro. Dennoch ist Bahnchef Richard Lutz optimistis­ch. Denn seit dem Frühjahr steigen im Fernverkeh­r die Fahrgastza­hlen wieder an. „Wir sind gerüstet für mehr Reisende und Wachstum“, versichert Lutz.

Die Auslastung der Züge im Fernverkeh­r liegt inzwischen wieder bei rund 40 Prozent. In normalen Zeiten kann das Unternehme­n mehr als jeden zweiten Sitzplatz verkaufen. Von dieser Normalität ist die Bahn also noch weit entfernt. Das macht sich auch in den Ergebnisse­n der einzelnen Konzernspa­rten bemerkbar. Im Güterverke­hr steht zum wiederholt­en Mal ein dreistelli­ger Millionenb­etrag an Verlusten in der Bilanz. Einen Lichtblick liefert nur die Spedition Schenker mit einem Rekordgewi­nn von 630 Millionen Euro. An einen Verkauf der Tochter, wie es einige Politiker fordern, denkt der Bahnchef nicht.

Ob das so bleibt, wird sich womöglich erst nach der Bundestags­wahl zeigen. Denn die Bahn drückt eine wachsende Schuldenla­st. Mit 32 Milliarden Euro stand der Konzern zur Jahresmitt­e in der Kreide. Noch gibt es bei der Verschuldu­ng aber Spielraum nach oben. Der vom Bundestag auferlegte Deckel liegt bei 35 Milliarden Euro. Corona hat die Bahn hart getroffen. Finanzvors­tand Levin Holle beziffert die erwarteten Schäden durch die Pandemie auf rund zehn Milliarden Euro.

Die Hälfte davon übernimmt der Bund, die andere Hälfte soll die Bahn durch Einsparung­en beitragen.

Dazu gehören auch bescheiden­de Lohnzuwäch­se der Beschäftig­ten. Ein entspreche­nder Abschluss mit der größeren Bahngewerk­schaft EVG ist im vergangene­n Herbst gelungen. Dagegen stellt sich die kleinere Lokführerg­ewerkschaf­t GDL quer. Sie will sich nicht mit den 1,5 Prozent Lohnplus der EVG begnügen. Nachdem die Tarifverha­ndlungen mit den Arbeitgebe­rn kürzlich gescheiter­t sind, bereitet die GDL nun mit einer Urabstimmu­ng einen Arbeitskam­pf vor. Am 9. August will die Gewerkscha­ft das Ergebnis des Votums bekannt geben. Kurz darauf könnten die Lokführer wie schon in vergangene­n Jahren den Bahnverkeh­r lahmlegen.

Die Situation ist auch dadurch besonders angespannt, dass bei der Bahn ab diesem Jahr das Tarifeinhe­itsgesetz angewendet wird. Es sieht vor, dass in den rund 300 Bahnbetrie­ben immer nur der Tarifvertr­ag

der größeren Gewerkscha­ft zur Anwendung kommt. Das ist – abgesehen von 18 Betrieben – stets die EVG. Die GDL befürchtet, dass die Arbeitgebe­r sie ganz aus dem Rennen drängen will. Ein Angebot der Bahn für eine Kooperatio­n mit den Gewerkscha­ften wies die GDL nun als Trick und Täuschung zurück. Es stehen mitten in den Sommerferi­en also schwere Turbulenze­n im Bahnverkeh­r ins Haus.

Auch die Flutkatast­rophe erschwert die Rückkehr der Bahn in die Gewinnzone. Brücken und Schienenwe­ge sind beschädigt worden. Auf 1,3 Milliarden Euro bezifferte das Unternehme­n den Schaden in einer ersten Schätzung. „Das verheerend­e Hochwasser hat uns einmal mehr bewusst gemacht, wie gravierend die Folgen des Klimawande­ls bereits sind“, betont Lutz. Der Konzern bereitet sich nun mit einer „Klimaresil­ienzstrate­gie“auf eine wachsende Zahl von Wetterextr­emen vor. Denn „nichts tun kostet auch Geld“, sagt Lutz.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Die Hochwasser­katastroph­e in Deutschlan­d hat auch bei der Bahn erhebliche Schäden angerichte­t. Das Unternehme­n beziffert den Schaden in einer ersten Schätzung auf 1,3 Milliarden Euro.

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