Das leise Sterben der Fledermäuse
Die Flattertiere haben es in diesem Jahr besonders schwer – Ehrenamtliche helfen verwaisten und kranken Exemplaren
Rücksicht genommen werden, denn das Kirchenbauwerk des Hochbarocks, das zu den bedeutendsten an der Oberschwäbischen Barockstraße zählt und jedes Jahr von Tausenden von Besuchern besichtigt wird, ist weithin als Fledermausquartier verschiedener, darunter seltener Arten bekannt.
Auch für die Hermann-HesseBahn zwischen Calw und Renningen, deren Trasse und Tunnel wiederbelebt werden und die 2023 wieder fahren soll, wurde in einem zwei Jahre dauernden Moderationsprozess zwischen dem Zweckverband, dem Landratsamt Calw und Naturschutzverbänden ein Kompromiss gefunden: Für die Erhaltung der dortigen Fledermauspopulation, in der bis zu 7000 Tiere aus 16 Arten gezählt wurden und die wie alle anderen Fledermausarten nach dem Naturschutzrecht streng geschützt ist, gibt es eine Kammerlösung. Sprich: Trennwände werden in die Tunnel eingezogen, sodass die Bahn auf der einen Seite der Trennwand fahren kann und die Fledermäuse auf der anderen bleiben können. Außerdem werden weitere Ausweichquartiere bereitgestellt beziehungsweise neu gebaut. Die Wiederinbetriebnahme der Bahn soll rund 49 Millionen Euro kosten – Fledermausschutz inklusive.
Ingo Maier ist über derartige Lösungen froh, denn ihm ist kein einziges Beispiel bekannt, bei dem eine Fledermauskolonie erfolgreich umgesiedelt werden konnte. „Fledermäuse sind sehr konservativ. Sie bleiben in ihren angestammten Quartieren“, sagt er.
Auch wenn bereits vor knapp 30 Jahren „Eurobats“, ein europaweites Abkommen zur Erhaltung der heimischen Fledermauspopulation, unterzeichnet wurde, sich mittlerweile 37 Staaten verpflichtet haben, die 51 in Europa heimischen Arten zu schützen, indem beispielsweise auch die Bedürfnisse der Tiere beim Bau von Windkraftanlagen berücksichtigt werden, müsse man, so die Fledermausfreunde, den Schutz der Tiere ständig vorantreiben. So sollen beispielsweise die Menschen durch die alljährliche „europäische Fledermausnacht“Ende August, die von lokalen Natur- und Artenschutzverbänden wie dem Nabu organisiert wird, für die Bedürfnisse der Säuger sensibilisiert werden.
Die kleine Fledermaus, die Ingo Maier soeben gefüttert hat und die er wie die anderen Fledermäuse in wenigen Wochen in der Nähe einer Kolonie auswildern wird, kuschelt
Ingo Maier bittet Gartenbesitzerinnen und -besitzer, Fledermäusen zu helfen, indem sie sich für Pflanzen entscheiden, die für Insekten nützlich sind. Wer die Möglichkeit habe, solle Fledermausbretter Richtung Süden oder Osten an Gebäuden anbringen. Anleitungen finde man im Internet, die Bretter seien einfach nachzubauen. Auch für Dächer, die saniert werden, gibt es mittlerweile spezielle Ziegel, die den Tieren Unterschlupf gewähren. „Die Leute brauchen nur auf uns zuzukommen. Wir beraten sie gerne“, betont Ingo Maier. Er wisse, dass manche Leute Angst hätten, nicht renovieren zu dürfen, wenn Fledermäuse im Spiel seien. „Das ist so nicht richtig. Wenn wir gemeinsam ein Renovierungskonzept erstellen, geht das.“Und er betont: Angst vor einer Übertragung des Coronavirus durch die heimischen Fledermäuse brauche niemand zu haben. „Covid und unsere heimischen Fledermäuse haben nichts miteinander zu tun. Es gibt keine Infektionsgefahr, auch nicht, wenn man mit Fledermauskot in Kontakt kommt.“Und wie ist es um eine mögliche Übertragung von Tollwut bestellt? Der einzige Übertragungsweg sei, wenn man von einer erkrankten Fledermaus gebissen werde. In 50 Jahren seien ihm nur drei Fälle bekannt. Grundsätzlich gelte sowieso, dass Fledermäuse wie andere Wildtiere auch nicht ungeschützt angefasst werden sollten.
Doch was empfiehlt Ingo Maier, wenn man eine Fledermaus findet? „Am besten schnell Kontakt zu einer sachkundigen Person aufnehmen, zum Beispiel über den Fledermaus-Notruf des Nabu oder die Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz BadenWürttemberg.
Ist das Tier ganz klein und das Quartier bekannt, kann man es unter fachkundiger Anleitung ein- bis zweimal abends oder frühmorgens bei der Kolonie an einem sicheren Platz exponieren und beobachten, ob es von der Mutter geholt wird. Ist dies nicht der Fall, bringt man sie am besten zu einer Pflegestelle. Für verletzte Fledermäuse gilt das sowieso.“(nag)
Neun Fakten zur Fledermaus finden sich auf www.schwäbische.de/ fledermaus