Aufschwung mit Hindernissen
Deutschlands Wirtschaft ist zurück auf Wachstumskurs – Allerdings bremst der Materialmangel die Erholung
- Nach dem Konjunktureinbruch zu Jahresbeginn ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 1,5 Prozent gewachsen. Das hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag im Rahmen einer ersten Schätzung bekannt gegeben. Damit bleibt das Wachstum im zweiten Quartal des Jahres allerdings hinter den Erwartungen der meisten Ökonomen zurück. „Das ist ein Aufatmen, aber noch lange keine Partystimmung, da muss man ganz ehrlich sein“, sagte der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzeski.
Dass die neuesten Konjunkturdaten nicht zum Feiern einladen, liegt auch daran, dass die Statistiker in Wiesbaden auch den Einbruch für die ersten drei Monate des Jahres noch einmal nach unten korrigiert haben. Demnach ist die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um deutliche 2,1 Prozent zurückgegangen, in ihrer ersten Schätzung war man von einem Rückgang von 1,8 Prozent ausgegangen.
„Man sieht bei dem Wachstum im zweiten Quartal, dass die Wirtschaft nach dem Lockdown wiedereröffnet wurde. Aber gleichzeitig machen sich die Lieferkettenprobleme doch deutlich bemerkbar“, sagt Brzeski. Materialmangel in vielen Branchen hatte in dieser Woche auch den ifoGeschäftsklimaindex überraschend sinken lassen. Denn trotz prall gefüllter Auftragsbücher verhindern die Nachschubprobleme aufgrund von Störungen in den Lieferketten bei vielen Firmen ein Ausweiten ihrer Produktion. So können die Unternehmen die bestehenden Aufträge auch nur bedingt abarbeiten.
Im Gegensatz zur Industrie profitierten insbesondere Dienstleister und Handel von den erfolgten wirtschaftlichen Öffnungen. So sehen die
Statistiker, dass staatliche Ausgaben und steigende Konsumausgaben von Verbrauchern stützend wirken. Denn Konsumenten hatten während des Lockdowns nur eingeschränkt die Möglichkeit, Geld auszugeben. Entsprechend hoch ist die Sparquote und so ist viel Geld vorhanden, das nun allmählich wieder ausgegeben wird. „Nachfrage ist ausreichend vorhanden, sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Firmen. Es sind weiterhin die covidbedingten Angebotsprobleme, die den deutschen Unternehmen zu schaffen machen. Diese werden nicht so schnell vorbei sein“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank.
Bremsend wirken andererseits nicht nur stockende Lieferketten in der Industrie. Hinzu kommen aktuell auch noch Sorgen in der Wirtschaft vor wieder steigenden Infektionszahlen
und damit drohenden neuerlichen Corona-Einschränkungen im Herbst. Und schließlich hat auch die Inflation nach jüngsten Daten einen starken Sprung nach oben gemacht – auf 3,8 Prozent. „Das wird auch noch über vier Prozent steigen. Und eine höhere Inflation wird dafür sorgen, dass die Verbraucher dann doch nicht so viel Geld werden ausgeben können.“
Immerhin ist Carsten Brzeski optimistisch, dass die Wirtschaft bis Jahresende wieder Vorkrisenniveau erreichen wird – wenn keine größeren Pandemieeinschränkungen, also Lockdowns, das vereiteln. Rückenwind schließlich könnte es für die hiesige Wirtschaft aus dem europäischen Ausland geben. Denn das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone hat mit zwei Prozent überraschend stark zugelegt.