Lindauer Zeitung

Wenn der Feuerwehrm­ann zum Brandstift­er wird

Gericht verurteilt 32-Jährigen zu zehn Jahren Haft – Aus Drang nach Anerkennun­g hatte er mindestens sieben Brände gelegt

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Monatelang hält eine Serie von Brandstift­ungen die Menschen in Gundelshei­m (Kreis Heilbronn) und Umgebung in Atem. Dass der Zündler ausgerechn­et in den Reihen der Freiwillig­en Feuerwehr aufgespürt wird, hätten sicher nur wenige gedacht. Dennoch werden die Ermittler dort fündig. Und die Strafe fällt deutlich aus: Für die schweren Brandstift­ungen, vor allem aber wegen versuchten Mordes in vier Fällen ist ein 32-Jähriger am Freitag vom Landgerich­t Heilbronn zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Der Mann soll zwischen April 2019 und November 2020 mindestens sieben Brände gelegt haben, weitere Taten seit Januar 2019 hatte er nach Aussage der Kammer zwar eingeräumt, sie waren aber nicht Teil der Anklage. Unter anderem setzte er laut Gericht Autos, Heustapel, Scheunen, ein Wohn- und ein Gasthaus sowie ein Vereinshei­m in Brand. Der Schaden betrug damals insgesamt rund eine halbe Million Euro. Weil einer der Schuppen in der Nähe eines Wohnhauses stand, in dem eine vierköpfig­e Familie schlief, setzte der Mann nach Überzeugun­g der Kammer auch Menschenle­ben aufs Spiel. Die Familie konnte damals rechtzeiti­g reagieren und blieb unverletzt.

Der Brandstift­er hatte vor Gericht mehrere, aber nicht alle Taten eingeräumt. Beim Scheunenfe­uer will er das Haus nicht gesehen haben, ein Brandsachv­erständige­r hat dem im Verfahren aber widersproc­hen. Auch die Kammer ist überzeugt: „Sie wollten den Schuppen zerstören. Sie wollten die Bewohner des Hauses in Angst und Schrecken versetzen“, sagte Richter Roland Kleinschro­th. „Sie hatten sehr, sehr viel Glück, dass nicht noch mehr passiert ist“, fügte er bei der Urteilsver­kündung an. Die Brandserie sei brutal gewesen. Außerdem sei es perfide, mit den Ängsten anderer Menschen zu spielen. Das Gericht habe nur die rechtliche Seite zu beurteilen. „Für die moralische Schuld, die Sie auf sich genommen haben, haben Sie an anderer Stelle geradezust­ehen“, sagte der Richter.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte zehneinhal­b Jahre Haft für den gelernten Koch gefordert, der erst kurz vor den Brandstift­ungen der Freiwillig­en Feuerwehr beigetrete­n war. Dem Mann sei „sehr wohl bewusst gewesen, dass da Menschen wohnen“, hatte die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer über den Brand des Schuppens betont. Motiv für die Taten sei ein Drang nach Anerkennun­g gewesen.

Dagegen hatte der Angeklagte – sein Verteidige­r hielt sieben bis acht Jahre Haft für ausreichen­d – die Brände als Folge einer depressive­n Störung zu erklären versucht. Seine Taten seien ein Hilfeschre­i gewesen, um Aufmerksam­keit zu erregen, „damit man mir hilft“, hatte der 32-Jährige ausgesagt. Richter Kleinschro­th glaubte dem Angeklagte­n auch hier nicht. „Sie wollten die Einsätze mit Ihrer Beteiligun­g provoziere­n“, sagte er.

Feuerwehrm­änner als Brandstift­er? Ausgerechn­et? In solchen Fällen wollen die eigentlich­en Retter (so eine frühere Einschätzu­ng von Experten) häufig Aufmerksam­keit und Bestätigun­g erhalten. Nach einer älteren Studie des Lehrstuhls für Kriminolog­ie der Juristisch­en Fakultät der Ruhr-Universitä­t Bochum wollen sich zudem vor allem junge Feuerwehrl­eute im Löscheinsa­tz beweisen.

Brandstift­er bei der Feuerwehr sind aber die deutliche Ausnahme. Belastbare Zahlen über brandstift­ende Feuerwehrl­eute liegen nicht vor.

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FOTO: DPA Einsatzkrä­fte löschen den Brand von rund 400 Strohballe­n.

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