Größer war nur die Chinesische Mauer
Jetzt ist auch der Donaulimes, der westliche Teil des Genzwalls, Weltkulturerbe
(KNA) - Er war die Nahtstelle zwischen einem der größten Weltreiche und den germanischen Barbaren: der Limes. Das militärische Grenzsystem des Römischen Reiches erstreckte sich von Schottland im Norden bis an das Schwarze Meer im Osten. Seit den 1980er-Jahren verfolgt die Weltkulturorganisation Unesco das Ziel, die Überreste der Grenzanlagen als Weltkulturerbe zu erhalten.
Am Freitag entschied das Welterbekomitee bei seiner Onlinetagung in China, auch das westliche Segment des sogenannten Donaulimes in die Welterbeliste einzuschreiben. Es erstreckt sich entlang der Donau über 600 Kilometer von Niederbayern bis in den Süden der Slowakei. Über Jahrhunderte waren hier Soldaten mit ihren Familien stationiert, arbeiteten und lebten am „nassen Limes“. Zahlreiche Bodendenkmäler, aber auch Überreste von Legionslagern, Kastellen und zivilen Siedlungen sind bis heute erhalten.
Ursprünglich hatte sich neben Deutschland, Österreich und der Slowakei auch Ungarn an dem Antrag beteiligt. In einem ungewöhnlichen Schritt zog das Land aber kurzfristig zurück, sodass 400 Kilometer des Donaulimes und 98 von insgesamt 175 römischen Bauten wegfallen.
Am Dienstag hatte das Welterbekomitee bereits den Niedergermanischen Limes, der von Katwijk an der niederländischen Nordseeküste bis nach Bad Breisig südlich von Bonn reicht und dem Verlauf des Rheins folgte, in die Liste aufgenommen. Mit rund 220 Kilometern hat NordrheinWestfalen den größten Anteil. Die Rheinlinie war mit einer Kette von Kastellen gesichert, die zur Keimzelle von Städten wurden. Zwischen Kleve und Bonn sind 19 Kommunen mit archäologischen Spuren aus der Römerzeit beteiligt – darunter etwa der Palast des Statthalters in Köln und die Stadt Colonia Ulpia Traiana bei Xanten.
Bereits 2005 hatte die Unesco den mittleren Abschnitt des Limes zum Welterbe erklärt: Der sogenannte Obergermanisch-Raetische Limes führt vom rechtsrheinischen Bad Hönningen bei Bonn bis nach Niederbayern. Dieses 550 Kilometer lange Bodendenkmal ist geprägt von Grenzwällen, Wachtürmen und Kastellen,
weil es abseits von Flüssen verlief.
Zuvor waren 1987 der römische Hadrianswall nahe der heutigen Grenze zwischen England und Schottland und 2008 der weiter nördlich gelegene Antoninuswall zu Welterbestätten erhoben worden. 2005 stimmte die Unesco dem Vorhaben zu, das gesamte römische Grenzsystem nach und nach in die Liste aufzunehmen – als eine Kontinente verbindende Welterbestätte.
Das Wort „limes“bezeichnet die militärisch kontrollierte Außengrenze des Römischen Reiches. Allerdings: Diese Grenze war – zumindest zeitweise – kein starres Verteidigungssystem, wie der Historiker Mischa Meier in seiner „Geschichte der Völkerwanderung“schreibt. Der Limes war eine Kontaktzone zwischen
Römern und Barbaren: An den Durchgängen wurden Zölle erhoben und Märkte veranstaltet. Auch das Eindringen kleinerer Räuberbanden sollte vereitelt werden. Die auf Sichtoder Hörweite angelegten Wachposten dienten zudem als Warnsystem, das Invasionen frühzeitig erkennen sollte.
Zum Limes-System gehörte deshalb eine Kette von Kastellen und Kleinkastellen, in denen Wacheinheiten stationiert waren. An strategischen Punkten im Hinterland standen kampfbereite Einheiten in Legionslagern bereit. Im Schutz der Militärlager entstanden Siedlungen, die teilweise bis heute existieren – darunter Köln, Bonn, Neuss oder Xanten. Straßen, die die Lager verbanden, sind bis heute wichtige Verkehrsadern.
Teilweise nutzten die Römer die großen Flüsse: Der Niedergermanische und der Donaulimes werden auch als „nasser Limes“bezeichnet, die Flüsse als natürliche Grenze nutzten. Auf Wälle, Palisaden und Mauern konnte dort verzichtet werden.
Das Grenzsystem definiert bis heute auch kulturelle Grenzen zwischen der romanisierten und der germanischen Welt. Dabei war das zweitgrößte Bauwerk der Welt nach der Chinesischen Mauer jahrhundertelang vergessen. Erst die 1892 auf Anregung des Historikers Theodor Mommsen gegründete Reichslimeskommission weckte das Wissen aus dem Dornröschenschlaf. Durch neue archäologische Techniken wie Luftbildarchäologie, Laserscanner und Magnetfeldmessungen hat die Forschung heute neue Wege gefunden.