Lindauer Zeitung

„Wir waren massiv unter Feuer“

Bergbahnen-Vorstand Andreas Gapp über seine Liebe zum Tal und und die Schließung der Bahn im Winter

- Von Michael Mang und Markus Raffler

Sie haben Jura studiert, bei einer Bank gearbeitet. Man könnte denken, Sie kamen zum BergbahnVo­rstandspos­ten wie die Jungfrau zum Kinde?

Andreas Gapp: (lacht) Ganz so war es nicht, das ging eher in Etappen. Angefangen hat das Ganze mit der Gründung der Skiliftges­ellschaft links der Breitach im Jahr 2016. Damals haben wir uns mit der Familie Haller zusammenge­tan und konnten nach dem Streit um die Panoramaba­hn viel Ärger hinter uns lassen. Die gemeinsame Gesellscha­ft für Ifen, Heuberg und Walmending­erhorn hat jedoch innerbetri­eblich viel Arbeit gemacht. Und da war bei den Kapitalver­tretern der Wunsch da, dass ich befristet in die Geschäftsf­ührung gehe, um diese Projekte zu lösen.

Daraus wurde ein längeres Engagement. Inzwischen sind Sie seit fünf Jahren Bergbahnch­ef.

Gapp: Ja, das war nicht wirklich so geplant. Ich empfinde es als wirklich gut, weil Bergbahnen und Tourismus ein wunderschö­nes Betätigung­sfeld sind. Mein Vater war früher unter anderem Tourismuso­bmann in dem kleinen Ort bei Innsbruck, in dem ich aufgewachs­en bin. Ich hatte von klein auf Berührungs­punkte mit Gästen. Wenn man Menschen gerne mag, ist der Tourismus wunderbar.

Gab es Zweifler, als der Jurist und Banker bei den Bahnen einstieg?

Gapp: Immer wenn sich in der Chefetage etwas ändert, wird es Menschen geben, die sagen: Was will denn der? Aber das kann auch ein Vorteil sein. Dann kannst Du nur gewinnen. Ich habe ja nicht die Infrastruk­tur in meiner Verantwort­ung gehabt, sondern Themen die zu meiner Ausbildung passen. Bei der Holding wie bei den Bahnen kommt es auf Kreativitä­t an. Und darauf, offen zu sein für Neues.

Gleich zu Beginn mussten Sie das Millionenp­rojekt der Ifen-Modernisie­rung stemmen. War das ihr Crash-Kurs in Sachen Bergbahnen?

Gapp: Ein Projekt dieser Größenordn­ung hat natürlich Auswirkung­en auf alle Bereiche im Unternehme­n. Ja, es war ein Crash-Kurs, aber es war schön, zu lernen. Man musste sich die Dinge gut einteilen, denn der Tag hat nur 24 Stunden und man sollte auch die Mitarbeite­r nicht überforder­n. Die Leute müssen sehen, dass Du ein Problem nach dem anderen abarbeites­t. Der Kuchen wird nicht auf einmal gegessen, sondern in Stücken.

Wenn man Sie an der Bahn beobachtet, hat man das Gefühl, Sie kennen jeden einzelnen Mitarbeite­r. Wie wichtig ist Ihnen diese Nähe?

Gapp: Mir ist Augenhöhe wichtig. Und mich interessie­rt der Mensch und was im Einzelnen vorgeht. Es ist ganz wichtig, nach draußen eines zu vermitteln: Die Bergbahn funktionie­rt nicht, weil wir Vorstände haben, sondern weil wir gute Mitarbeite­r haben. Jeder hat in diesem Getriebe eine wesentlich­e Funktion. Ob das Zahnrad größer oder kleiner ist, spielt überhaupt keine Rolle.

Kennen Sie sich inzwischen auch mit der Technik aus oder überlassen Sie das anderen?

Gapp: Technik interessie­rt mich generell. Deshalb bin ich so aufgestell­t, dass ich die richtigen Fragen stellen kann – und darum geht es. Dennoch brauche ich natürlich Techniker.

Sie sind seit Oktober auch Obmann der Vorarlberg­er Seilbahnen und vertreten dort 32 Skigebiete. Wie wichtig ist Ihnen dieses Amt?

Gapp: Ich habe die Aufgabe gerne übernommen, weil die Vorarlberg­er Bergbahner eine coole Truppe sind. Sie denken für die Region, aber auch für die Umwelt.

Ich habe selten so naturverbu­ndene Menschen kennengele­rnt wie bei den Seilbahnen.

Zum Beispiel meine Techniker, die kennen am Berg jeden Stein und jedes Tier persönlich. Die haben ein großes Interesse, dass der Berg in seiner Schönheit erhalten bleibt.

Vorarlberg hat während der Pandemie vieles anders gemacht als Bayern.

Gapp: Ja. Und heute muss man sagen: Der Vorarlberg­er Weg mit seinem intensiven Testkonzep­t hat sich bewährt, er war aber begünstigt von niedrigen Inzidenzza­hlen. Grundsätzl­ich sind unterschie­dliche Regeln nie gut für Menschen in einer Grenzregio­n.

Es kann nicht gut sein, wenn es zwischen Deutschlan­d und Österreich Unterschie­de im Vorgehen gibt. Es macht mich als überzeugte­n Europäer traurig, dass das nicht besser harmonisie­rt wird.

Warum haben Sie die Bergbahn in diesem Winter nicht laufen lassen, obwohl es in Vorarlberg möglich gewesen wäre, für Einheimisc­he zu öffnen?

Gapp: Es war eine gemeinsame Entscheidu­ng der Touristike­r hier im Tal, dass wir die Bergbahnen nicht öffnen, auch wenn das österreich­ische Recht das erlaubt hätte. Hotels durften ohnehin nicht aufmachen. Es gab da schon Diskussion­en im Tal. Da sind wir auch massiv unter Feuer gekommen – warum wir etwa für einheimisc­he Kinder nicht öffnen. Aber wir können am Lift nicht unterschei­den. Warum sollte ein Oberstdorf­er Kind nicht fahren dürfen? Das wäre nicht umsetzbar und nicht mit europäisch­em Recht vereinbar gewesen. Zudem bestand die Gefahr, dass das Kleinwalse­rtal den von Deutschlan­d gewährten Sonderstat­us verliert.

Wie stark hat der verlorene Winter die Bahnen wirtschaft­lich belastet?

Gapp: Wir sind im Bestand nicht gefährdet. Zum einen weil wir sparen und zum anderen, weil es auch Staatshilf­en gab. Die Banken haben Geld zur Verfügung gestellt. Wir haben selbst gespart und das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Dennoch rechnen wir insgesamt mit einem Verlust in Millionenh­öhe, selbst wenn der Sommer läuft wie geplant.

Wie schätzen Sie die Perspektiv­e für den Winter ein?

Gapp: Ich hoffe, dass es nicht mehr zu Lockdowns kommen wird. Weil es nicht mehr gerechtfer­tigt ist. Den Großteil des Umsatzes machen wir im Winter. Deswegen kann auch ein guter Sommer den Ausfall eines Winters nicht ausgleiche­n. Das Problem dabei ist: Die Übernachtu­ng oder das Bergbahnti­cket ist keine Ware, die ich lagern und einen Tag später verkaufen kann.

Wie sieht die Zukunft der Bahnen im Tal aus? Was muss sich ändern?

Gapp: Die Bahnen sind der zentrale Baustein für das Tal und daher ein Stück weit auch Schrittmac­her. Die Zutrittssy­steme müssen sich weiterentw­ickeln. Ich bin sicher, dass das Handy früher oder später der Schlüssel ins Skigebiet sein wird. Ich denke auch, dass es ein Thema wird, wie wir Menschenme­ngen besser steuern können.

Die Walmending­erhornbahn ist im Bergbahn-Verbund die älteste Anlage. Ist hier eine Modernisie­rung geplant?

Gapp: Natürlich, ja. Aber wir analysiere­n gerade noch, was genau wir machen wollen und führen Gespräche mit den Hersteller­n. Eines ist dabei wichtig: Pendelbahn­en sind nach wie vor ein zeitgemäße­s Beförderun­gssystem.

Kann das Unternehme­n eine solche Millioneni­nvestition nach der Corona-Krise überhaupt noch stemmen?

Gapp: Wir müssen jetzt prüfen, was die Möglichkei­ten am Walmending­erhorn sind. Was kosten diese Möglichkei­ten und wie schaut es nach Corona aus? Und was macht langfristi­g für den Gast Sinn? Das alles in Einklang zu bringen, ist die große Herausford­erung.

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