„Wir waren massiv unter Feuer“
Bergbahnen-Vorstand Andreas Gapp über seine Liebe zum Tal und und die Schließung der Bahn im Winter
Sie haben Jura studiert, bei einer Bank gearbeitet. Man könnte denken, Sie kamen zum BergbahnVorstandsposten wie die Jungfrau zum Kinde?
Andreas Gapp: (lacht) Ganz so war es nicht, das ging eher in Etappen. Angefangen hat das Ganze mit der Gründung der Skiliftgesellschaft links der Breitach im Jahr 2016. Damals haben wir uns mit der Familie Haller zusammengetan und konnten nach dem Streit um die Panoramabahn viel Ärger hinter uns lassen. Die gemeinsame Gesellschaft für Ifen, Heuberg und Walmendingerhorn hat jedoch innerbetrieblich viel Arbeit gemacht. Und da war bei den Kapitalvertretern der Wunsch da, dass ich befristet in die Geschäftsführung gehe, um diese Projekte zu lösen.
Daraus wurde ein längeres Engagement. Inzwischen sind Sie seit fünf Jahren Bergbahnchef.
Gapp: Ja, das war nicht wirklich so geplant. Ich empfinde es als wirklich gut, weil Bergbahnen und Tourismus ein wunderschönes Betätigungsfeld sind. Mein Vater war früher unter anderem Tourismusobmann in dem kleinen Ort bei Innsbruck, in dem ich aufgewachsen bin. Ich hatte von klein auf Berührungspunkte mit Gästen. Wenn man Menschen gerne mag, ist der Tourismus wunderbar.
Gab es Zweifler, als der Jurist und Banker bei den Bahnen einstieg?
Gapp: Immer wenn sich in der Chefetage etwas ändert, wird es Menschen geben, die sagen: Was will denn der? Aber das kann auch ein Vorteil sein. Dann kannst Du nur gewinnen. Ich habe ja nicht die Infrastruktur in meiner Verantwortung gehabt, sondern Themen die zu meiner Ausbildung passen. Bei der Holding wie bei den Bahnen kommt es auf Kreativität an. Und darauf, offen zu sein für Neues.
Gleich zu Beginn mussten Sie das Millionenprojekt der Ifen-Modernisierung stemmen. War das ihr Crash-Kurs in Sachen Bergbahnen?
Gapp: Ein Projekt dieser Größenordnung hat natürlich Auswirkungen auf alle Bereiche im Unternehmen. Ja, es war ein Crash-Kurs, aber es war schön, zu lernen. Man musste sich die Dinge gut einteilen, denn der Tag hat nur 24 Stunden und man sollte auch die Mitarbeiter nicht überfordern. Die Leute müssen sehen, dass Du ein Problem nach dem anderen abarbeitest. Der Kuchen wird nicht auf einmal gegessen, sondern in Stücken.
Wenn man Sie an der Bahn beobachtet, hat man das Gefühl, Sie kennen jeden einzelnen Mitarbeiter. Wie wichtig ist Ihnen diese Nähe?
Gapp: Mir ist Augenhöhe wichtig. Und mich interessiert der Mensch und was im Einzelnen vorgeht. Es ist ganz wichtig, nach draußen eines zu vermitteln: Die Bergbahn funktioniert nicht, weil wir Vorstände haben, sondern weil wir gute Mitarbeiter haben. Jeder hat in diesem Getriebe eine wesentliche Funktion. Ob das Zahnrad größer oder kleiner ist, spielt überhaupt keine Rolle.
Kennen Sie sich inzwischen auch mit der Technik aus oder überlassen Sie das anderen?
Gapp: Technik interessiert mich generell. Deshalb bin ich so aufgestellt, dass ich die richtigen Fragen stellen kann – und darum geht es. Dennoch brauche ich natürlich Techniker.
Sie sind seit Oktober auch Obmann der Vorarlberger Seilbahnen und vertreten dort 32 Skigebiete. Wie wichtig ist Ihnen dieses Amt?
Gapp: Ich habe die Aufgabe gerne übernommen, weil die Vorarlberger Bergbahner eine coole Truppe sind. Sie denken für die Region, aber auch für die Umwelt.
Ich habe selten so naturverbundene Menschen kennengelernt wie bei den Seilbahnen.
Zum Beispiel meine Techniker, die kennen am Berg jeden Stein und jedes Tier persönlich. Die haben ein großes Interesse, dass der Berg in seiner Schönheit erhalten bleibt.
Vorarlberg hat während der Pandemie vieles anders gemacht als Bayern.
Gapp: Ja. Und heute muss man sagen: Der Vorarlberger Weg mit seinem intensiven Testkonzept hat sich bewährt, er war aber begünstigt von niedrigen Inzidenzzahlen. Grundsätzlich sind unterschiedliche Regeln nie gut für Menschen in einer Grenzregion.
Es kann nicht gut sein, wenn es zwischen Deutschland und Österreich Unterschiede im Vorgehen gibt. Es macht mich als überzeugten Europäer traurig, dass das nicht besser harmonisiert wird.
Warum haben Sie die Bergbahn in diesem Winter nicht laufen lassen, obwohl es in Vorarlberg möglich gewesen wäre, für Einheimische zu öffnen?
Gapp: Es war eine gemeinsame Entscheidung der Touristiker hier im Tal, dass wir die Bergbahnen nicht öffnen, auch wenn das österreichische Recht das erlaubt hätte. Hotels durften ohnehin nicht aufmachen. Es gab da schon Diskussionen im Tal. Da sind wir auch massiv unter Feuer gekommen – warum wir etwa für einheimische Kinder nicht öffnen. Aber wir können am Lift nicht unterscheiden. Warum sollte ein Oberstdorfer Kind nicht fahren dürfen? Das wäre nicht umsetzbar und nicht mit europäischem Recht vereinbar gewesen. Zudem bestand die Gefahr, dass das Kleinwalsertal den von Deutschland gewährten Sonderstatus verliert.
Wie stark hat der verlorene Winter die Bahnen wirtschaftlich belastet?
Gapp: Wir sind im Bestand nicht gefährdet. Zum einen weil wir sparen und zum anderen, weil es auch Staatshilfen gab. Die Banken haben Geld zur Verfügung gestellt. Wir haben selbst gespart und das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Dennoch rechnen wir insgesamt mit einem Verlust in Millionenhöhe, selbst wenn der Sommer läuft wie geplant.
Wie schätzen Sie die Perspektive für den Winter ein?
Gapp: Ich hoffe, dass es nicht mehr zu Lockdowns kommen wird. Weil es nicht mehr gerechtfertigt ist. Den Großteil des Umsatzes machen wir im Winter. Deswegen kann auch ein guter Sommer den Ausfall eines Winters nicht ausgleichen. Das Problem dabei ist: Die Übernachtung oder das Bergbahnticket ist keine Ware, die ich lagern und einen Tag später verkaufen kann.
Wie sieht die Zukunft der Bahnen im Tal aus? Was muss sich ändern?
Gapp: Die Bahnen sind der zentrale Baustein für das Tal und daher ein Stück weit auch Schrittmacher. Die Zutrittssysteme müssen sich weiterentwickeln. Ich bin sicher, dass das Handy früher oder später der Schlüssel ins Skigebiet sein wird. Ich denke auch, dass es ein Thema wird, wie wir Menschenmengen besser steuern können.
Die Walmendingerhornbahn ist im Bergbahn-Verbund die älteste Anlage. Ist hier eine Modernisierung geplant?
Gapp: Natürlich, ja. Aber wir analysieren gerade noch, was genau wir machen wollen und führen Gespräche mit den Herstellern. Eines ist dabei wichtig: Pendelbahnen sind nach wie vor ein zeitgemäßes Beförderungssystem.
Kann das Unternehmen eine solche Millioneninvestition nach der Corona-Krise überhaupt noch stemmen?
Gapp: Wir müssen jetzt prüfen, was die Möglichkeiten am Walmendingerhorn sind. Was kosten diese Möglichkeiten und wie schaut es nach Corona aus? Und was macht langfristig für den Gast Sinn? Das alles in Einklang zu bringen, ist die große Herausforderung.