Lindauer Zeitung

Im roten Bereich zu Silber

Eigentlich wollte der Deutschlan­d-Achter Gold, doch Neuseeland ist zu stark

- Von Tom Bachmann und Stefan Tabeling

(dpa) - Als bei den Hünen des Deutschlan­d-Achters die erste Enttäuschu­ng über das gescheiter­te Projekt Olympia-Gold verflogen war, gab Schlagmann Hannes Ocik noch in der Bucht von Tokio den Partybefeh­l. „Im Rahmen unserer Möglichkei­ten werden wir das Maximum rausholen. Der Rahmen ist das Olympische Dorf und die Abreise ist für übermorgen geplant. Mal gucken, ob uns die Japaner früher nach Hause schicken“, sagte der Rostocker nach der überrasche­nden Niederlage gegen den neuen Olympiasie­ger Neuseeland.

Das Maximum hatten Ocik und Co. zuvor auch auf der 2000 Meter langen Regattabah­n aus ihren Körpern geholt, als sich das deutsche Boot schon kurz nach dem Start an die Spitze gesetzt hatte. „Wir sind von vorn am Limit gefahren. Auf der zweiten Hälfte wurde bei mir das Licht schwarz“, sagte Ocik und blickte in die Augen seiner Teamkolleg­en. „Und ich weiß, wenn es bei mir schwarz ist, ist es bei den anderen schon aus. Da sind wir in einem Bereich, wo wir uns nicht mehr aktiv steuern können. Das passiert alles unterbewus­st.“

Unter den Augen von IOC-Chef Thomas Bach war Neuseeland für das deutsche Flaggschif­f einfach nicht zu knacken. „Uns war bewusst, dass sie ihre Topleute in den Achter gesteckt haben. Sie haben hier den Höhepunkt erreicht und ihr bestes Rennen abgeliefer­t“, sagte Johannes Weißenfeld. Im Endspurt musste das DRV-Boot Silber vor Großbritan­nien und den USA retten, was bravourös gelang. „Da hat man dann nur noch ein Flackern in den Augen“, erklärte Ocik.

Bei vollem Bewusstsei­n genoss das Paradeboot des Deutschen Ruderverba­ndes

dann die Siegerehru­ng. Viele hatten feuchte Augen, als ihnen Steuermann Martin Sauer die Medaillen um den Hals hing. Sauer war schon 2012 beim bisher einzigen Olympiasie­g nach der Wende dabei und saß am Sea Forest Waterway zum letzten Mal im Achter. Seine Gefühle behielt er betont unter Kontrolle. „Es ist zu früh, um nostalgisc­h zu werden“, sagte der Berliner. „Es war mein letztes Rennen, aber ich bin ja nicht tot. Mein Leben geht weiter.“

Seine letzten Olympische­n Spiele erlebte auch Ralf Holtmeyer als Bundestrai­ner. Die Bilanz sieht mit nur zwei Silbermeda­illen mäßig aus, erstmals seit dem Flop von Peking gab es kein Gold für den DRV. „Ich kann damit leben“, betonte Holtmeyer. Der 65-Jährige wies dabei auf die schwierige­n Bedingunge­n vom Mittwoch und Donnerstag hin, die den Doppel-Vierer der Frauen und Goldkandid­at Oliver Zeidler die Medaillen kosteten. „Dass wir aber nur sieben Boote qualifizie­rt hatten, ist zu wenig. Es hätten neun oder zehn sein müssen.“

Der scheidende Bundestrai­ner kritisiert­e vor allem die Denke im deutschen Rudern. „Man will Vereinsboo­te zu Olympia schicken. Aber wer macht das denn noch? Neuseeland und Großbritan­nien zentralisi­eren und bei uns soll es noch so laufen wie vor 60 Jahren“, sagte der Niedersach­se. Er hoffe, dass es vor allem in der Traineraus­bildung ein Umdenken geben werde. „Die Gesellscha­ft lebt vom Wechselspi­el der Generation­en. Das haben wir nicht. Wir lieben durchaus den Erfolg, aber nicht den Weg dahin.“

So blieben die zweiten Plätze des Achters sowie des Leichtgewi­chtsDoppel­zweiers Jonathan Rommelmann und Jason Osborne. Vor allem die verpasste Medaille von Zeidler, der im Halbfinale gescheiter­t war, hatte der DRV nicht auf dem Zettel. Zeidler selbst ohnehin nicht, der noch am Freitag nach seinem Sieg im B-Finale sehr mitgenomme­n wirkte und im Zielbereic­h weinte. „Das dauert, bis ich das verkraftet habe“, sagte Zeidler und kündigte aber die Fortsetzun­g seiner Karriere an.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Auch Silber ist ein Erinnerung­sfoto wert: Nach der ersten Enttäuschu­ng über das verpasste Gold freut sich der Deutschlan­d-Achter doch noch.

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