Lindauer Zeitung

Gegen alle Schmerzen

Obwohl der Körper verrückt spielt, paddelt Hannes Aigner zu Bronze

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(SID) - In den Minuten vor seinem Bronze-Ritt spielte bei Hannes Aigner plötzlich der Körper verrückt. Muskelkräm­pfe bereiteten dem Slalom-Kanuten unmittelba­r vor dem Finale „große Sorgen“, der Augsburger war sich keineswegs sicher, „ob ich es überhaupt bis ins Ziel schaffe, weil meine Arme sich zum Teil selbststän­dig gemacht haben“. Doch sein Kampf gegen die Schmerzen wurde belohnt.

Aigner paddelte nicht nur zum zweiten Mal in seiner Karriere bei Olympische­n Spielen aufs Podest, mit der vierten Erfolgsges­chichte im vierten Rennen krönte der Augsburger auch die märchenhaf­ten Tage der deutschen Slalom-Kanuten in Tokio. Seinen Erfolg nahm Aigner im Zielraum nahezu regungslos und völlig erschöpft zur Kenntnis.

„Ich war erstmal fix und fertig, weil die Krämpfe ganz schön unangenehm waren“, sagte der sichtlich angeschlag­ene Aigner, aber er sei froh, „dass es geklappt hat“. Er sei „absolut fassungslo­s“gewesen, dass ihm so etwas passiert, sagte Aigner und gab zu, dass er kurzzeitig schon den Gedanken gefasst hatte, „dass es auf jeden Fall nichts mehr wird“.

Im Endlauf sei ihm aufgrund der „Zuckungen“sogar ein großer Fahrfehler unterlaufe­n, erklärte Aigner. Die Hitze, die hohe Luftfeucht­igkeit und dazu das warme Wasser im Kasai

Canoe Slalom Center – die Bedingunge­n sorgten wohl für seine körperlich­en Probleme. „Das hatte ich in den dreieinhal­b Wochen hier noch nie“, sagte der Olympia-Dritte von London.

Dennoch schaffte es der 32-Jährige im Kajak hinter Jiri Prskavec (Tschechien) und dem Slowaken Jakub Grigar aufs Podest. Aigner wird wie Olympiasie­gerin Ricarda Funk, Sideris Tasiadis und Andrea Herzog mit einer Medaille nach Hause fliegen. „Das war so wichtig für den Hannes, dass der mir da nicht ohne Medaille rausgeht als Einziger“, sagte Cheftraine­r Klaus Pohlen: „Ich habe ihm das so gegönnt.“

Aigner machte die Nullnummer der Slalom-Kanuten in Rio endgültig vergessen. „Ich kann nur jedem in der Mannschaft ein Kompliment machen“, sagte Pohlen. Erstmals seit der olympische­n Premiere im Kanuslalom 1972 in München gewannen die deutschen Athleten in jedem Wettkampf eine Medaille.

Im Olympische­n Dorf wollte Aigner am Abend noch einmal auf die Erfolge anstoßen, ehe es am Sonntag zurück in die Heimat geht. Sehnsüchti­g freut er sich auf seinen zweijährig­en Sohn. Im Fernsehen „hat er mich hoffentlic­h erkannt im Boot mit Helm. Vor allem hoffe ich aber, dass er mich erkennt, wenn ich zurückkomm­e.“

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FOTO: FRANK HOERMAN/IMAGO IMAGES Sichtlich gezeichnet: Hannes Aigner.

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