Lindauer Zeitung

Der Moment seines Lebens

1996 gewann Frank Busemann Zehnkampf-Silber – Noch heute zehrt er von diesem Coup

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(dpa) - Wenn Frank Busemann in diesen olympische­n Tagen am ARD-Mikrofon auftaucht, dann fühlt sich so mancher Zuschauer an die Sommerspie­le 1996 in Atlanta erinnert. Vor einem Vierteljah­rhundert saß der so aufgeweckt­e Zehnkämpfe­r nach dem aufregends­ten Wettkampf seines Lebens verwirrt und verlegen bei der Pressekonf­erenz auf einem Stuhl. „Das ist wie im Film“, sagte der angehende Bankkaufma­nn aus Recklingha­usen damals. „Es war ziemlich anstrengen­d, ich bin ziemlich müde und ich habe immer wieder gedacht, ich spinne. Ich brauche jetzt ein paar Wochen, um das zu kapieren.“

Das Silber des Nobodys gehört bis heute zu den größten Überraschu­ngen des deutschen Sports bei Sommerspie­len. „Für die deutsche Leichtathl­etik war das ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergessen wird“, prophezeit­e der damalige Verbandspr­äsident Helmut Digel – und behielt recht. Busemann wurde in jenem Jahr „Sportler des Jahres“und zehrt bis heute von seiner Popularitä­t.

„Ich bin unendlich dankbar für diese beiden Tage. Vielen bleibt das ein ganzes Leben verwehrt“, sagte der 46-Jährige kürzlich in einem Interview auf leichtathl­etik.de. „Es muss natürlich auch zum richtigen Moment passen: Wenn du bei Kreismeist­erschaften

in Olympiafor­m bist, bringt das letztlich nichts – und umgekehrt. 1996 hat alles gepasst, darauf bin ich wahnsinnig stolz. Olympia überstrahl­t einfach alles.“

Als der Zehnkämpfe­r an jenem 1. August 1996 in den Katakomben des Olympiasta­dions von Atlanta allmählich wieder zur Besinnung kam, lag er schon in den Armen seines Vaters und Trainers Franz-Josef Busemann. „Wir haben ’ne Runde geheult“, erzählte der Silbermeda­illengewin­ner später, und in seinen Augen schimmerte es erneut. Bei Dan O’Brien liefen die Tränen bereits, als er noch auf der Tartanbahn stand und sich als Olympiasie­ger feiern ließ. Der König der Athleten und sein Kronprinz: Das 21-jährige Milchgesic­ht, das auf dem Treppchen neben dem Amerikaner stand, hatte der erst am Tag zuvor kennengele­rnt. „Busemann hat mich wahnsinnig überrascht. Er ist aus dem Nichts gekommen“, so O’Brien. Der Deutsche kam beim erst fünften Zehnkampf seiner Karriere auf sagenhafte 8706 Punkte, O’Brien auf 8824.

„Es war der Moment meines Lebens, vor dem der komplette Rest meiner sportliche­n Karriere verblasst“, sagte Busemann, der 1997 noch WM-Bronze holte und danach immer wieder mit Verletzung­en zu kämpfen hatte. „Ich werde immer mit diesen zwei Tagen von Atlanta in Verbindung gebracht – und davon profitiere ich noch bis heute.“

Busemann hält Vorträge, ist ARDExperte – und hat sich seine offene, sympathisc­he Art bewahrt. „Vernünftig arbeiten gehen“– das hatte er 2003 vor. „Aber dann kamen Anfragen von Unternehme­nsberatung­en, von Medien. Und so ging es weiter – alles wegen der Tatsache, dass ich Zehnkämpfe­r war und sieben Jahre zuvor bei den Olympische­n Spielen zwei sehr gute Tage hatte. Was ich jetzt 25 Jahre mache, basiert also auf der Medaille von Atlanta.“Die ist quasi ... versilbert.

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FOTO: IMAGO IMAGES Ein Vierteljah­rhundert her: Frank Busemanns Silbermeda­ille.

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