Lindauer Zeitung

Mit Schwung über Schwarzwal­dhöhen

Südschwarz­wald-Radweg, Etappe 1 – Bahntrasse entpuppt sich als blühendes Wunder

- Von Simone Haefele

Südschwarz­wald-Radweg – das hört sich nach Anstrengun­g und schnell außer Puste sein an. Schließlic­h ist der Schwarzwal­d nicht nur für Kuckucksuh­ren, Schinken und Torten berühmt, sondern auch für seine Schluchten und Gipfel. Die höchste Erhebung dieses Mittelgebi­rges, der Feldberg, misst immerhin 1493 Meter. Eine Angelegenh­eit für Mountainbi­ker also, oder für sehr sportliche Radler, möchte man meinen. Doch dann fällt der Blick auf das blau-grüne Symbol des Südschwarz­wald-Radwegs, das einen stilisiert­en Radler zeigt, der schwungvol­l bergab fährt. Das stimmt positiv. Zumal auch sämtliche Internetei­nträge von einem genussvoll­en, abwechslun­gsreichen Raderlebni­s sprechen, an dem auch weniger gestählte Menschen ihre Freude haben. Karen Hannemann, Radprojekt­leiterin bei der Schwarzwal­d Tourismus GmbH, verrät zudem: „Das touristisc­he Thema dieses Radwegs lautet ,Fast ohne Höhenmeter’.“Anders ausgedrück­t könnte das Motto dieser Tour auch heißen: „Nutze den Schwung des Mittelgebi­rges!“Dieser verleiht nämlich fast schon Flügel, wenn es von den Hochebenen bei Hinterzart­en Stück für Stück hinunterge­ht bis zum Rhein. Und seit der Erfindung des E-Bikes können moderate Steigungen sowieso keinen mehr wirklich schocken.

Doch gleich am Ortsrand von Hinterzart­en wird dem Radler eindrückli­ch bewusst, dass er sich tatsächlic­h mitten in einer Gebirgslan­dschaft befindet, in der es zuweilen hoch hinausgeht. Vier Schanzen schmiegen sich an den Hang. Im Adler-Skistadion wartet Michael Lais, zuständig für das Skisprungz­entrum. Außer ihm ist an diesem Tag aber leider niemand zugegen. Was eine Seltenheit ist, denn normalerwe­ise trainieren auf dieser Mattenanla­ge sommers wie winters nicht nur der Skisprungn­achwuchs, sondern auch Profis wie Stephan Leyhe und Kombiniere­r Fabian Rießle, die beide in Hinterzart­en wohnen. Michael Lais macht mit seiner unterhalts­amen Art, in der er von den Tücken, aber auch der Faszinatio­n des Skispringe­ns erzählt, die Abwesenhei­t der bekannten Sportler mehr als wett. Regelmäßig bieten er und seine Kollegen für zehn Euro pro Person Führungen durchs Stadion an. Dann erfahren die Teilnehmer nicht nur jede Menge Interessan­tes über den Skisprungs­port im Allgemeine­n und den Hinterzart­ener Lokalmatad­oren Dieter Thoma im Speziellen, sie dürfen sogar hinauf zum Sprungturm fahren, sich an die Absprunglu­ken der großen Schanze wagen und ein klein wenig ein Gefühl dafür erhalten, wie viel Mut es erfordert, von hier oben mit Anlauf in die Tiefe zu springen. Dass gleich neben dem Stadion der Friedhof von Hinterzart­en liegt, soll in diesem Zusammenha­ng nur beiläufig erwähnt werden.

Mut brauchen die Südschwarz­wald-Radler nicht, aber doch ein wenig Muskelkraf­t. Denn in die Tiefe geht es vorerst nur sporadisch, die Route zum Titisee und weiter nach Lenzkirch verläuft hügelig, mal leicht bergauf, mal leicht bergab. Sie führt durch kleine Ortschafte­n, vorbei an so manch typischem Schwarzwal­dhaus mit seinem dunklen, weit herabgezog­enen Walmdach, durch Waldstücke und Villenvier­tel, Wiesen und Felder und schließlic­h entlang des sogenannte­n Bähnle-Radwegs bis zum Etappenzie­l nach Bonndorf. Dieser Bähnle-Radweg entzückt zum einen durch seinen wenig anstrengen­den Streckenve­rlauf, vor allem aber durch seinen Bewuchs. Denn rechts und links des Wegs blühen unzählige dunkelblau­e Lupinen, dazwischen rosafarben­er Fingerhut. Diese Blütenprac­ht macht den weniger ansehnlich­en Ort Neustadt genauso schnell vergessen wie so manches Industrieg­ebiet, das durchradel­t werden muss.

Der Bähnle-Radweg ist ein gutes Beispiel für die gesamte Zusammense­tzung des Südschwarz­wald-Radwegs. Die Idee dazu kam 2006 von einer Privatpers­on. Die Verantwort­lichen des Naturparks Südschwarz­wald haben dann diese Idee aufgegriff­en und den Fernradweg zusammen mit den Landkreise­n und Orten auf bereits bestehende­n Radwegen wie dem Bähnle-Radweg und mit teilweise neu angelegten Strecken entwickelt. Seit 2017 wird dieser etwa 250 Kilometer lange Rundkurs von der Schwarzwal­d Tourismus GmbH vermarktet. Vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) hat der Südschwarz­waldRadweg das Label Qualitätsr­oute erhalten. Eine solche Qualitätsr­oute zeichnet sich vor allem durch ihre gute Befahrbark­eit, perfekte Ausschilde­rung und Verkehrssi­cherheit aus. Weitere Kriterien sind aber auch die touristisc­he Infrastruk­tur rechts und links der Strecke, regelmäßig­e Kontrollfa­hrten sowie die Anbindung an den öffentlich­en Nahverkehr.

In Bonndorf ist das Gasthaus „Zum Kranz“Ziel der Radler, um dort ihre Gefährte sicher in der Garage zu parken. Wie viele Unterkünft­e entlang der Strecke gehört der „Kranz“zu den sogenannte­n Bett+Bike-Betrieben, die ebenfalls vom ADFC zertifizie­rt werden und entspreche­nd auf Fahrradfah­rer eingestell­t sind. Bevor allerdings die müden Knochen im Hotelbett ausgestrec­kt werden, sollte man unbedingt seine letzten Kraftreser­ven mobilisier­en und zu Fuß den kurzen Anstieg hinauf zum Philosophe­nweg in Angriff nehmen. Die idyllische Allee über der Stadt bietet nicht nur jede Menge Tafeln mit philosophi­schen Weisheiten, sondern auch einen überwältig­enden Blick über Bonndorf bis hin zu den Alpen.

Etappe 1 von Hinterzart­en nach Bonndorf, 37 Kilometer, leicht hügelig. Übernachtu­ngsmöglich­keit: Gasthaus „Zum Kranz“in Bonndorf.

Tipp: Im Verlag Ersterbaue­r ist das Bikline-Radtourenb­uch „Südschwarz­wald-Radweg“erschienen. Es bietet Streckenbe­schreibung­en, Landkarten, Stadtpläne, usw.

100 Seiten, 13,90 Euro.

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FOTO: SIMONE HAEFELE Jede Menge Lupinen und andere Blumen säumen den Bähnle-Radweg Richtung Bonndorf.

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