Mit Schwung über Schwarzwaldhöhen
Südschwarzwald-Radweg, Etappe 1 – Bahntrasse entpuppt sich als blühendes Wunder
Südschwarzwald-Radweg – das hört sich nach Anstrengung und schnell außer Puste sein an. Schließlich ist der Schwarzwald nicht nur für Kuckucksuhren, Schinken und Torten berühmt, sondern auch für seine Schluchten und Gipfel. Die höchste Erhebung dieses Mittelgebirges, der Feldberg, misst immerhin 1493 Meter. Eine Angelegenheit für Mountainbiker also, oder für sehr sportliche Radler, möchte man meinen. Doch dann fällt der Blick auf das blau-grüne Symbol des Südschwarzwald-Radwegs, das einen stilisierten Radler zeigt, der schwungvoll bergab fährt. Das stimmt positiv. Zumal auch sämtliche Interneteinträge von einem genussvollen, abwechslungsreichen Raderlebnis sprechen, an dem auch weniger gestählte Menschen ihre Freude haben. Karen Hannemann, Radprojektleiterin bei der Schwarzwald Tourismus GmbH, verrät zudem: „Das touristische Thema dieses Radwegs lautet ,Fast ohne Höhenmeter’.“Anders ausgedrückt könnte das Motto dieser Tour auch heißen: „Nutze den Schwung des Mittelgebirges!“Dieser verleiht nämlich fast schon Flügel, wenn es von den Hochebenen bei Hinterzarten Stück für Stück hinuntergeht bis zum Rhein. Und seit der Erfindung des E-Bikes können moderate Steigungen sowieso keinen mehr wirklich schocken.
Doch gleich am Ortsrand von Hinterzarten wird dem Radler eindrücklich bewusst, dass er sich tatsächlich mitten in einer Gebirgslandschaft befindet, in der es zuweilen hoch hinausgeht. Vier Schanzen schmiegen sich an den Hang. Im Adler-Skistadion wartet Michael Lais, zuständig für das Skisprungzentrum. Außer ihm ist an diesem Tag aber leider niemand zugegen. Was eine Seltenheit ist, denn normalerweise trainieren auf dieser Mattenanlage sommers wie winters nicht nur der Skisprungnachwuchs, sondern auch Profis wie Stephan Leyhe und Kombinierer Fabian Rießle, die beide in Hinterzarten wohnen. Michael Lais macht mit seiner unterhaltsamen Art, in der er von den Tücken, aber auch der Faszination des Skispringens erzählt, die Abwesenheit der bekannten Sportler mehr als wett. Regelmäßig bieten er und seine Kollegen für zehn Euro pro Person Führungen durchs Stadion an. Dann erfahren die Teilnehmer nicht nur jede Menge Interessantes über den Skisprungsport im Allgemeinen und den Hinterzartener Lokalmatadoren Dieter Thoma im Speziellen, sie dürfen sogar hinauf zum Sprungturm fahren, sich an die Absprungluken der großen Schanze wagen und ein klein wenig ein Gefühl dafür erhalten, wie viel Mut es erfordert, von hier oben mit Anlauf in die Tiefe zu springen. Dass gleich neben dem Stadion der Friedhof von Hinterzarten liegt, soll in diesem Zusammenhang nur beiläufig erwähnt werden.
Mut brauchen die Südschwarzwald-Radler nicht, aber doch ein wenig Muskelkraft. Denn in die Tiefe geht es vorerst nur sporadisch, die Route zum Titisee und weiter nach Lenzkirch verläuft hügelig, mal leicht bergauf, mal leicht bergab. Sie führt durch kleine Ortschaften, vorbei an so manch typischem Schwarzwaldhaus mit seinem dunklen, weit herabgezogenen Walmdach, durch Waldstücke und Villenviertel, Wiesen und Felder und schließlich entlang des sogenannten Bähnle-Radwegs bis zum Etappenziel nach Bonndorf. Dieser Bähnle-Radweg entzückt zum einen durch seinen wenig anstrengenden Streckenverlauf, vor allem aber durch seinen Bewuchs. Denn rechts und links des Wegs blühen unzählige dunkelblaue Lupinen, dazwischen rosafarbener Fingerhut. Diese Blütenpracht macht den weniger ansehnlichen Ort Neustadt genauso schnell vergessen wie so manches Industriegebiet, das durchradelt werden muss.
Der Bähnle-Radweg ist ein gutes Beispiel für die gesamte Zusammensetzung des Südschwarzwald-Radwegs. Die Idee dazu kam 2006 von einer Privatperson. Die Verantwortlichen des Naturparks Südschwarzwald haben dann diese Idee aufgegriffen und den Fernradweg zusammen mit den Landkreisen und Orten auf bereits bestehenden Radwegen wie dem Bähnle-Radweg und mit teilweise neu angelegten Strecken entwickelt. Seit 2017 wird dieser etwa 250 Kilometer lange Rundkurs von der Schwarzwald Tourismus GmbH vermarktet. Vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) hat der SüdschwarzwaldRadweg das Label Qualitätsroute erhalten. Eine solche Qualitätsroute zeichnet sich vor allem durch ihre gute Befahrbarkeit, perfekte Ausschilderung und Verkehrssicherheit aus. Weitere Kriterien sind aber auch die touristische Infrastruktur rechts und links der Strecke, regelmäßige Kontrollfahrten sowie die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
In Bonndorf ist das Gasthaus „Zum Kranz“Ziel der Radler, um dort ihre Gefährte sicher in der Garage zu parken. Wie viele Unterkünfte entlang der Strecke gehört der „Kranz“zu den sogenannten Bett+Bike-Betrieben, die ebenfalls vom ADFC zertifiziert werden und entsprechend auf Fahrradfahrer eingestellt sind. Bevor allerdings die müden Knochen im Hotelbett ausgestreckt werden, sollte man unbedingt seine letzten Kraftreserven mobilisieren und zu Fuß den kurzen Anstieg hinauf zum Philosophenweg in Angriff nehmen. Die idyllische Allee über der Stadt bietet nicht nur jede Menge Tafeln mit philosophischen Weisheiten, sondern auch einen überwältigenden Blick über Bonndorf bis hin zu den Alpen.
Etappe 1 von Hinterzarten nach Bonndorf, 37 Kilometer, leicht hügelig. Übernachtungsmöglichkeit: Gasthaus „Zum Kranz“in Bonndorf.
Tipp: Im Verlag Ersterbauer ist das Bikline-Radtourenbuch „Südschwarzwald-Radweg“erschienen. Es bietet Streckenbeschreibungen, Landkarten, Stadtpläne, usw.
100 Seiten, 13,90 Euro.