Chance verpasst trotz mehr Stellen
Tausende neue Stellen in Baden-Württembergs Landesverwaltung hat Grün-Schwarz in den vergangenen Jahren geschaffen, Hunderte in den Ministerien des Landes, ganz neu kam sogar ein weiteres Ministerium hinzu – und natürlich gönnt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stetig mehr Personal für seine Regierungszentrale. Ärgerlich ist das aus zwei Gründen: Zum einen passt diese Prasserei so gar nicht zum Gebot des Sparens, das die Koalition wie eine Monstranz vor sich herträgt. Zum anderen hat Kretschmann noch keinen plausiblen Grund für den massiven Zuwachs an Stellen geliefert.
Als der Steuerzahlerbund der neuen Landesregierung im Mai vorwarf, den Regierungsapparat aufzublähen, reagierte Kretschmann mit einem Totschlagargument: Es sei merkwürdig, an der Demokratie zu sparen. All die Stellen seien nötig, um das Land gut zu regieren. Sind die vielen neuen Staatssekretärsposten, damit nun jeder Minister mindestens einen hat, nicht eher der Koalitionsräson geschuldet? Nein, sagt Kretschmann, denn: „Alle wollen mit dem Papst reden, keiner mit dem Bischof.“Die Stellen brauche es für die politische Kommunikation. Wenn dieses Bild von der „Verpapstung der Politik“aber stimmt, wollen dann nicht alle mit dem Minister sprechen statt mit dessen rechter Hand, einem „einfachen“Staatssekretär?
Mit dem Start dieser grünschwarzen Neuauflage verpasst Kretschmann eine große Chance. Seit Jahren träumt er vom grundlegenden Umbau der Verwaltung – weg vom Tunnelblick der eigenen Zuständigkeit, hin zu mehr Kooperation. Das fast utopisch klingende Ziel: Einzelne Minister beackern nicht mehr einen Bereich, sondern Arbeitsgruppen kümmern sich um Themenkomplexe. Für solch einen Umbau wären zusätzliche Stellen denkbar, zumindest für eine Übergangszeit, bis eine solche Struktur eingespielt ist. Dieser Koalition fehlt aber der Mut für einen solchen Umbau. Mehr Stellen gibt es trotzdem. Und ein paar weitere Strategiedialoge, mit denen Kretschmann interdisziplinäres Arbeiten üben kann.